Mehr Konzert als Oper

Von Bernhard Doppler |
Die Rollen sind in dieser Salzburger Inszenierung der Bartok-Oper "Herzog Blaubarts Burg" vertauscht: Blaubart ist nicht der böse Frauenmörder, sondern ein hilfloser blinder, an den Rollstuhl gefesselter Mann in der Gewalt des frechen Pflegepersonals. Die Protagonisten Falk Struckmann und Michelle DeYoung spielen ihre Parts mitreißend.
Es ist weniger ein Opernabend, sondern eher ein Konzert, bei dem im Mittelstück ein exklusiv für die Festspiele erstelltes Riesengemälde des Malers Daniel Richter vorgeführt wird. Denn in Béla Bártoks fünfzig Minuten langer Oper "Herzog Blaubarts Burg" wird diesmal in Salzburg nicht gezeigt, was sich hinter den geheimnisvollen sieben Türen, die Judith in der Burg des Frauenmörders Blaubart öffnet, verbirgt.

Dafür kann man gute Gründe vorbringen: Auch Béla Bártok erklärte selbst, nicht das Märchen von Charles Perrault illustrieren, sondern den innerseelischen Kampf zwischen Mann und Frau ausloten zu wollen. Die Inszenierung von Johan Simons geht noch weiter: Vorgeführt werden die letzten fünfzig Minuten eines schwer bandagierten, behinderten Mannes im Rollstuhl, der von einer etwas lüsternen resolute Krankenschwester - Blaubarts vierte Frau Judith, die ihm in seine finstere Burg gefolgt ist - beim Sterben betreut wird.

Blaubart ist blind, doch Judith will die Geheimnisse seines Lebens, voll Krieg, voll Blut und Macht - all, das was er hinter sieben Türen versteckt hält - erahnen und die Schlüssel dafür haben. Er sieht nichts, und sie möchte sehen.

Die Täter-Rollen scheinen gegenüber einer oberflächliche Lesart des Blaubart-Märchens vertauscht: Blaubart ist nicht der böse Frauenmörder, der ein junges Mädchen erbeutet hat, sondern ein hilfloser blinder, an den Rollstuhl gefesselter Mann in der Gewalt des frechen Pflegepersonals.

Das ist ein ziemlich triviales Bild; aber die große Bühne, die nur von einem Bild grauer Äste begrenzt ist, schafft der Musik großen Raum. Eindrucksvoll: vor allem auf die aufwühlende Wucht Bártoks konzentriert durch Peter Eötvös als Dirigent der Wiener Philharmoniker. Zur Geltung kommen aber insbesondere die beiden mitreißenden Protagonisten Falk Struckmann und Michelle DeYoung.

Der Verlegenheit, Bártoks kurze, einzige und einzigartige Oper mit einem Ballett oder dem Einakter eines anderen Komponisten zu verbinden, entzieht sich die Salzburger Aufführung klug. Eröffnet wird nämlich mit einem Konzert vor dem Vorhang, den impulsiven, die Blaubartmusik vorwegnehmenden, an Mahler, aber auch an Strawinskijs "Le Sacre du printemps" erinnernden "Vier Orchesterstücken".

Ein heidnisches Fest wie bei Strawinskij - weniger ein "rumänisches Weihnachtslied", wie es im Untertitel heißt - sind auch die "Cantata profana - Die neun Zauberhirsche", erst in den dreißiger Jahren für einen fünfundsiebzigköpfigen Chor komponiert: der geheimnisvollste Teil des Abends.

Die naturmythologische Handlung bereitet in diesem Mittelstück auf den Symbolismus von "Blaubarts Burg" vor: Ein Vater bringt seinen neun Söhnen nur Jagen bei, doch die neun Söhne gehen über eine Brücke, verwandeln sich in Hirsche, und werden - auch wenn sie der Vater zur Rückkehr bittet - von Jägern zu edlen Beutetieren.

Der älteste Sohn als Hirsch - ein Tenor, dessen Gesänge bisweilen an einen Muezzin erinneren, (Lance Ryan) - und der Vater - ebenfalls Falk Struckmann - werden vom Chor der Wiener Staatsoper kommentiert, der sich - hier kommt das Gemälde von Daniel Richter zum Einsatz - aus je achtzehn Fenstern in vier Stöcken beugt.

Das Gebäude ein buntes Mosaik, übermalt mit Großstadtelementen und Zeichnungen von Personen, davor ein blutroter Baum mit einer roten Eule, den Kopf nach unten am Baum hängend, und ein Mosaik-Haus, darüber ein riesiger unheimlicher Vogelluftballon. Das Bühnenbild erinnert an Daniel Richters berühmtes Baumbild "Das Missverständnis".

Man mag sich zwar um die Anstrengung der Illustrierung von seelischen Vorgängen an diesem Opernabend bei "Blaubarts Burg" geprellt vorgekommen sein, als musikalisch packender Eintritt in die aufwühlende geheimnisvolle Welt Bártoks fesselte er aber durchaus.