Mehr Freiheit nur bei hoher Impfquote
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Der Philosoph Stefan Gosepath warnt davor, Menschen mit vollständigem Impfschutz gegen das Coronavirus zu weitreichende Freiheiten zu versprechen. Das gefährde die Solidarität in der Gesellschaft. Zunächst gelte es, die dritte Welle einzudämmen.
"Wenn man jetzt den Eindruck hat, wenige, die das Privileg hatten, geimpft zu werden, dürfen ausscheren, dann lässt das Solidaritätsgefühl in der Bevölkerung nach und damit auch der Wille, zusammenzustehen und diese Grundrechtseinschränkungen hinzunehmen", sagt der Philosoph Stefan Gosepath.
Am Wochenende hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn angekündigt, Einschränkungen für vollständig gegen das Coronavirus immunisierte Menschen schrittweise zurückzunehmen, weil diese nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts das Virus sehr wahrscheinlich nicht weitergeben. Die Erleichterungen sollen allerdings erst nach der dritten Welle kommen. Doch genau diese Welle gelte es momentan einzudämmen, warnt Gosepath:
"Das Versprechen, dass jetzt große Freiheiten kommen, finde ich ein falsches Versprechen. Das sollte man erstens so nicht geben. Zweitens, glaube ich, werden es keine großen Freiheiten sein. Klar ist der Bundesgesundheitsminister jetzt im Moment unter Druck und versucht, jeden kleinen Erfolg als einen Erfolg auch zu verkaufen."
Zu frühe Erleichterungen könnten spalten
Spahn hatte in Aussicht gestellt, dass Geimpfte in Zukunft ohne Test den Friseur oder ein Geschäft aufsuchen könnten. Gegen solche kleinen Schritte sei nichts einzuwenden, so Gosepath, doch insgesamt täte etwas mehr Zurückhaltung gut, denn zu schnell zu viel zu versprechen, könnte spaltend wirken: Diejenigen, die diese Freiheiten dann noch nicht hätten, könnten sich ungerecht behandelt fühlen und sich dagegen wehren, so Gosepath. "Und das können wir in dieser Gesellschaft im Moment nicht gebrauchen."
Deswegen sei nun vor allem eine hohe Impfquote nötig. Erst dann könne man tatsächlich sagen, dass die Geimpften ihre alten Freiheiten zurückbekommen sollten. "Das sind dann vielleicht gar keine Privilegien mehr, wenn es schon 50 Prozent der Bevölkerung betrifft", sagt Gosepath. Das wäre dann auch ein starker Anreiz, sich doch impfen zu lassen.
(ckr)