Was der Brexit konkret bedeutet
Die Briten haben mehrheitlich für den Brexit gestimmt. Damit verabschiedet sich zum ersten Mal in der Geschichte der Europäischen Union ein Mitglied aus der Gemeinschaft. Fragen und Antworten zum historischen Referendum.
Ist der Brexit der Anfang vom Ende der EU?
Weitere Austritts-Referenden sind aktuell in keinem anderen Land geplant. Trotzdem besteht die Gefahr, dass der Brexit Nachahmer finden könnten. So wird nun bereits in Frankreich, Dänemark und den Niederlanden über Abstimmungen spekuliert, wie auch Nicolai von Ondarza von der Stiftung Wissenschaft und Politik im Deutschlandradio Kultur betont.
"Das ist ein dunkler Tag für die Europäische Union", kommentiert unsere Brüssel-Korrespondentin Annette Riedel. Die Präsidenten von EU-Kommission, -Parlament und -Rat würden nun die Botschaft verbreiten: "Schade, ein Drama, aber nicht das Ende der EU."
Wie sehen die Verhandlungen konkret aus?
Über kurz oder lang wird nun Artikel 50 des EU-Vertrags aktiviert, der den Ablauf des Ausstiegs regelt. Dafür ist insgesamt zwei Jahre Zeit - wenn alle zustimmen, kann die Frist aber verlängert werden.
Nicolai von Ondarza erklärt: "Dieser Prozess kann mitunter Jahre dauern. Formell sollte es so ablaufen, dass Großbritannien rechtlich irgendann unterrichtet, dass sie austreten wollen und dann tritt ein Verhandlungsprozess los über einen sogenannten Austrittsvertrag. Und erst wenn dieser in Kraft tritt oder eine Frist von zwei Jahren abgelaufen ist, die nicht verlängert wurde, erst dann tritt Großbritannien tatsächlich aus. Selbst diese zwei Jahre halten viele Beobachter für sehr optimistisch."
Die Briten dürften während der Verhandlungen versuchen, sich über ein umfassendes Freihandelsabkommen den Zugang zum Binnenmarkt zu sichern. Sie hoffen dabei auf ein "Gentlemen's Agreement": eine Trennung gütlicher Art. Unsere Brüssel-Korrespondentin betont allerdings: "Es wird relativ wenig Entgegenkommen geben. " Denn nur so könne die EU die Zahl der Nachahmer eines Ausstiegs wirkungsvoll minimieren.
Hier erfahren Sie ausführlich, wie das Ausstiegsprozedere funktioniert.
Gibt es für Großbritannien einen Weg zurück?
Theoretisch gibt es diese Option - möglich macht dies Artikel 49 des Vertrags von Lissabon. Einige hoffen genau darauf, dass die Briten irgendwann reumütig darum bitten werden, wieder in die Union aufgenommen zu werden. Bis dahin würden allerdings, wenn überhaupt, viele Jahre ins Land ziehen.
Droht in der EU eine neue Finanzkrise?
Der sich abzeichnende Brexit hat die Finanzmärkte bereits vor dem endgültigen Auszählungsergebnis heftig durchgeschüttelt. Vor allem auf dem Devisenmarkt sorgte der drohende Brexit für heftige Turbulenzen. Das britische Pfund rutschte auf den tiefsten Stand seit 1985 ab und der Euro gab deutlich nach.
Experten sehen aber insgesamt eine nur geringe Gefahr für eine neue Finanzkrise. Anders sind die Einschätzungen für die britische Wirtschaft: Nach einer Studie der Großbank HSBC könnte das Pfund um bis zu 20 Prozent an Wert verlieren. Außerdem seien höhere Zinsen sowie bis zu 1,5 Prozent weniger Wachstum zu befürchten. Zudem könnten sich Teile der Finanzindustrie aus London verabschieden, weil die Banken nicht mehr überall in der EU Geschäfte machen dürfen. Davon könnte der Standort Frankfurt profitieren.
"Da geht ein Nettozahler, der natürlich auch viel Geld bekommen hat", sagt Riedel, die den Schaden des Brexits für die EU deutlich größer einschätzt als einen möglichen Nutzen.
Gibt es positive Effekte für die EU?
Großbritannien hat viele Vorhaben innerhalb der EU blockiert: etwa eine engere Zusammenarbeit in der Verteidigungspolitik und der Ausbau der Wirtschafts- und Währungsunion. Diese könnten nun leichter verwirklicht werden.
Was bedeutet der Brexit für Deutschland?
Mit dem Ausstieg eines so wichtigen Players wird die Rolle Deutschlands einerseits noch wichtiger. Gleichzeitig verliert Deutschland aber auch einen Verbündeten in vielen wichtigen Fragen, in denen es viele Gemeinsamkeiten gab - etwa bei den Themen Subventionen, Freihandel, Kartellrecht oder Digitalisierung.