Flucht als Lebensthema
Mehrnousch Zaeri-Esfahani war zehn Jahre alt, als sie mit Eltern und Geschwistern aus dem Iran nach Deutschland floh. Seit 1999 engagiert sie sich in der Flüchtlingsbetreuung. Sie hat dazu sogar schon ein Spiel erfunden: "Asylopoly".
Sie sei einer der größten Fans der deutschen Demokratie, sagt Mehrnousch Zaeri-Esfahani. Sie war zehn Jahre alt, als ihre Eltern 1985 aus dem Iran flüchteten, um dem stramm islamischen Regime unter Ayatollah Khomeini zu entkommen. Dabei hegte sie aus ihrer Kinderperspektive zunächst eine große Bewunderung für den Religionsführer:
"Mein größter Wunsch war, dass dieser Mann mit dem weißen Bart, dieser Gottesmann unser neuer Führer wird. Und als er tatsächlich der Führer wurde, verwandelte er sich in meiner Fantasie in ein Monster."
Die Familie floh mit ihren drei Kindern in die Türkei und bekam schließlich ein Visum für die DDR. Von dort wurden die Flüchtlinge sofort nach Westberlin abgeschoben. Mehrnousch Zaeri-Esfahani hat die Situation wie sie am 25. Dezember 1985 an der Berliner Friedrichstraße standen, noch lebhaft in Erinnerung:
"Ja, da hat sich Wunder an Wunder angereiht, also erst einmal dieses Wunder, dass plötzlich Ostberlin uns wollte und uns Visa schenkte und uns dann anschließend sofort nach Westberlin abschob. Und dann das nächste Wunder, dass wir in Westberlin ankamen, in dieser Metropole, von der man so viel gehört hat und kein Mensch auf der Straße war."
Dass die Stadt so leer erschien, weil die Menschen unterm Weihnachtsbaum saßen, hat sie erst viel später verstanden.
Von Berlin nach Heidelberg
Die Odyssee der Familie endete in Heidelberg. Mehrnousch Zaeri-Esfahani machte Abitur und studierte in Freiburg Sozialpädagogik. Seit 1999 betreut sie in verschiedenen Funktionen in Deutschland lebende Flüchtlinge bis sie irgendwann merkte, dass sie an ihre Grenze gekommen war:
"Ich war eine richtige Kämpferin und hab auch sehr viele Fälle durchgeboxt zusammen mit Rechtsanwälten und Lehrern und Ehrenamtlichen, aber es war eine sehr laute Art, mit diesem Thema umzugehen, was auch mein Lebensthema ist. Und 2009 war es dann soweit, dass ich gemerkt habe, dass ich mich praktisch angesteckt habe und selbst Symptome von Traumatisierung entwickelte. Und 2009 war für mich klar, ich kann nicht mehr 'an der Front'arbeiten."
Das eigene Erleben als Flüchtling ist Motor
Inzwischen schult sie mit ihrer Denkwerkstatt Mitarbeiter kommunaler Verwaltungen, die mit Flüchtlingen zu tun haben. Das eigene Erleben als Flüchtling ist Motor ihres vielfältigen Engagements. Immer wieder beobachtet sie, dass den Flüchtlingen Angebote gemacht werden, die an deren Bedürfnissen vorbeigehen:
"Das liegt daran, dass viele Menschen sich gar nicht bewusst sind, welches kulturelle Modell wir hier haben in Deutschland. Wir haben hier Individualismus und Humanismus. Das sind die zwei großen Säulen unserer Kultur. Und danach formen wir auch Angebote. Und die Menschen, die kommen, das sind 95 Prozent der Erdbevölkerung, haben zuvor in kollektivistischen Gesellschaften gelebt. Das ist ein ganz anderes System. Hier funktioniert es ganz anders und die Angebote (Anm. d. Red. der Flüchtlingsarbeit) sind an Individualisten gerichtet."
Demokratiepreis für "Asylopoly"
2002 gewann sie den Demokratiepreis des Deutschen Bundestages für die Entwicklung des interaktiven Spiels "Asylopoly". Ihr in diesem Jahr erschienener autobiografischer Roman "33 Bogen und ein Teehaus" gehört zu den sieben besten Jugendbüchern 2016.
Wie geht sie mit den schönen, aber auch grausamen Erinnerungen an ihre Kindheit um? Hilft ihr das Schreiben bei der Verarbeitung ihrer Fluchterlebnisse? Und warum finden sich Flüchtlinge in der deutschen Gesellschaft oft schlecht zurecht? Unsere Moderatorin Britta Bürger hat Mehrnousch Zaeri-Esfahani in unserer Sendung "Im Gespräch" gefragt.