Mehrsprachigkeit im Theater

Deutsch oder nicht Deutsch, das ist hier die Frage

07:47 Minuten
Drei Frauen stehen auf kartonartigen Requisiten auf einer Bühne
In Thomas Perles "Karpatenflecken" werden verschiedene Sprachen gesprochen und jeweils übersetzt. © Deutsches Theater Berlin / Arno Declair
Barbara Behrendt im Gespräch mit Vladimir Balzer |
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Mehrsprachiges Theater hat nicht nur mit Zuwanderung und kultureller Vielfalt zu tun. Wann ein Sprachenmix auf Bühnen sinnvoll ist und wie er fürs Publikum umgesetzt werden kann, wurde in Berlin diskutiert. Die Kritikerin Barbara Behrendt war dabei.
In den Theatern hierzulande wird auf der Bühne meist Deutsch gesprochen. Doch es gibt auch Autoren, die auf Sprachvielfalt setzen, wie etwa Thomas Perle, dessen Stück „Karpatenflecken“ aktuell am Deutschen Theater in Berlin läuft. Er und weitere Autoren haben in Berlin im English Theatre über ihre Beweggründe und dramaturgischen Absichten auf einer Podiumsveranstaltung diskutiert.

Wischaudeutsch auf der Bühne

Ian De Toffoli beispielsweise hat ein Theaterstück über das EU-Parlament geschrieben und auch deswegen verschiedene Sprachen verwendet. Oft komme die Mehrsprachigkeit aber aus der Biografie der Autoren, sagt die Theaterkritikerin Barbara Behrendt, die an der Veranstaltung teilgenommen hat.
So verwende der Rumäniendeutsche Thomas Perle in „Karpatenflecken“ Sprachen, die in seiner Familie gesprochen würden: Deutsch, Rumänisch, Ungarisch und auch Wischaudeutsch. „Das ist eine Mischung aus Jiddisch, Deutsch und Rumänisch, die nur in den Waldkarpaten gesprochen wird, wo Perle herkommt und sein Stück spielt.“
Im Stück verwende die Großmutter diese Sprache und werde dann von der Enkelin ins Deutsche übersetzt, ebenso wie die Tante, die nur noch Ungarisch spricht: „Über diese Konflikte zwischen Rumänien, Deutschland und Ungarn wird eben auch in der Sprache verhandelt – das ist schon sehr spannend.“

Sprachmusikalität und Klang

Die Mehrsprachigkeit mache bei Perle auch künstlerisch einen Sinn und passe zum Stück, erläutert Behrendt. Der Autor habe die Übersetzung durch die Figur der Enkelin bereits in den Text eingeschrieben. Dadurch würden die Sprachen zwischendurch immer wieder übersetzt und ans Publikum gerichtet gesprochen.
Es gebe aber auch Autoren, bei denen vieles unübersetzt bleibe, die Zuschauer müssten sich Sachverhalte dann aus dem Zusammenhang erschließen, so Behrendt. "Theater ist ja nicht nur ein verbales Medium oder ein Kopf-Medium, es geht auch um Sprachmusikalität und Klang und um das, was man dann dazu auf der Bühne sieht."

Die Welt ist mehrsprachig

Eigentlich sei Mehrsprachigkeit die Norm in der Welt, das sei auch eine der Hauptaussagen bei der Podiumsdiskussion gewesen, berichtet die Kritikerin. „Wir sind von wahnsinnig vielen Sprachen umgeben, auch durch Einwanderungsbewegungen – nur in Deutschland ist es einfach sehr monolingual.“
Die Mehrsprachigkeit von Stücken führt auch dazu, dass Rollen mit anderen Schauspielern besetzt werden. So werden auch die Ensembles diverser, durch Darstellerinnen und Darsteller, die verschiedene Sprachen sprechen und unterschiedliche kulturelle Backgrounds haben. Dies bilde die Realität einer mehrsprachigen, multikulturellen und pluralistischen Gesellschaft dann auch auf der Bühne ab, so Behrendt.
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