"Mein 9. November": Katja Lange Müller
Katja Lange-Müller, Jahrgang 1951, studierte am Literaturinstitut "Johannes R. Becher" in Leipzig. 1982 folgte ein einjähriger Studienaufenthalt in der Mongolei und Arbeit in der "Teppichfabrik Wilhelm Pieck" in Ulan-Bator. Nach der Rückkehr in die DDR war sie 1983 Lektorin im Altberliner Verlag. 1984 reiste Katja Lange-Müller nach West-Berlin aus. Die Schriftstellerin lebt bis heute in Berlin.
Ich war nicht übermäßig überrascht, kann ich wirklich nicht sagen. Ich wusste, das ist brüchig. Irgendein Schwachsinn passiert und diese ganze Blase platzt.
Ich hab das mal in so ein Bild gefasst. Das hab ich dann tatsächlich auch in die 9. Novemberseite meines damaligen Kalenders geschrieben - ich habe immer so schwarze Taschenkalender -, dass ich mich fühlte als säße ich in einem Zug und sämtliche Bäume, an denen ich schon mal vorbeigefahren bin, kommen mir plötzlich wieder entgegen. Das war so eine Situation. Ich wusste, dass diese Wahnsinn-Wahnsinn-Rufe ganz schnell abebben würden. Und dann sah ich die ersten Westberliner, die sich mit großen Nylonbeuteln auf den Weg in den Osten machten, um dort billig Gänse und Butter und Enten einzukaufen. Da hab ich gewusst, 40 Jahre reichen nicht, um sozusagen das Wesen des Berliners so zu verändern, dass die Westberliner sich grundsätzlich von den Ostberlinern unterschieden hätten - also, das Schnäppchenmachen.
Die einen rasten in die Richtung und machten sich mit der Realität des Sonderangebots vertraut. Und die Westberliner rasten in die andere Richtung und erledigten da für Alu-Chips ihre Weihnachtseinkäufe.
Ich hab das mal in so ein Bild gefasst. Das hab ich dann tatsächlich auch in die 9. Novemberseite meines damaligen Kalenders geschrieben - ich habe immer so schwarze Taschenkalender -, dass ich mich fühlte als säße ich in einem Zug und sämtliche Bäume, an denen ich schon mal vorbeigefahren bin, kommen mir plötzlich wieder entgegen. Das war so eine Situation. Ich wusste, dass diese Wahnsinn-Wahnsinn-Rufe ganz schnell abebben würden. Und dann sah ich die ersten Westberliner, die sich mit großen Nylonbeuteln auf den Weg in den Osten machten, um dort billig Gänse und Butter und Enten einzukaufen. Da hab ich gewusst, 40 Jahre reichen nicht, um sozusagen das Wesen des Berliners so zu verändern, dass die Westberliner sich grundsätzlich von den Ostberlinern unterschieden hätten - also, das Schnäppchenmachen.
Die einen rasten in die Richtung und machten sich mit der Realität des Sonderangebots vertraut. Und die Westberliner rasten in die andere Richtung und erledigten da für Alu-Chips ihre Weihnachtseinkäufe.