Mein Leben als Hund

Von Jörg Taszman · 17.02.2009
Der ehemalige ehemalige Variété-Star und Clown Adam Stein überlebt das KZ nur, indem er für den Lagerkommandanten einen Hund spielt. In einem israelischen Sanatorium der 60er Jahre soll er von seinen Wahnvorstellungen und Holocaust-Traumata "geheilt" werden. Hauptdarsteller Jeff Goldblum bezeichnete den Film, der am Donnerstag ins Kino kommt, als die Rolle seines Lebens.
Er hat diese weiche, fast samtene tiefe Stimme und gehört zu den Hollywoodstars, die einem auf Anhieb sympathisch sind. Der 1,94 m große Schauspieler begrüßt die Handvoll Journalisten, denen er in einem Berliner Hotel gegenübersitzt mit Handschlag und bedankt sich erst einmal dafür, dass man sich seinen bisher wichtigsten Film "Adam Resurrected" angeschaut hat.
Das Publikum hat Jeff Goldblum in so vielen Filmen gesehen, oft spielt er prägnante Nebenrollen wie die eines jüdisch stämmigen Wissenschaftlers in "Independence Day". Unvergesslich ist er in einer seiner wenigen Hauptrollen in "Die Fliege" von David Cronenberg. Dort verwandelt sich Goldblums Figur allmählich in ein Rieseninsekt. Schon das war eine Tour de Force für den heute 56-jährigen Goldblum, der nun in "Adam Resurrected" mit einer sehr verstörenden Geschichte konfrontiert wurde. Was empfand er ,als er das erste Mal das Drehbuch las ?

Jeff Goldblum: "Ich dachte, das ist eine große, gute Rolle. Und was für einen ernste und emotionale Geschichte. Ich fragte mich: Kann ich das spielen? Ist das eine wirkliche gute Fassung dieser Geschichte? Wenn nicht, dann sollte man nicht seine Zeit verschwenden, weil dieses Thema muss so aufgearbeitet werden, dass es ebenso sensibel wie intelligent ausfällt. Je mehr ich dann das Drehbuch las, spürte ich, dass es wirklich gut ist. Das wird einem aber nicht sofort klar. Man spürt nur sofort, dass es eine ganz eigenwillige Geschichte ist., die ebenso überraschend, wie verwirrend und zwiespältig wirkt." (Übersetzung)

Regie führte Paul Schrader, der Autor von "Taxi Driver". Er wurde als Regisseur für so unterschiedliche Werke wie "American Gigolo" oder "Mishima" bekannt. Schrader lieferte mit seiner bisher gewagtesten und auch filmästhetisch experimentellsten Regiearbeit einen seiner besten Filme ab. Die Mischung aus schmerzlich-überdrehter Tragikomödie und klassischem Holocaust-Drama überzeugt, weil Schrader auch optisch eine Trance zwischen Realismus, Traum und Wahnsinn wagt. Hauptdarsteller Jeff Goldblum lobt die literarische Vorlage, die er allen als Lektüre empfiehlt, die mit diesem ungewöhnlichen Film etwas anfangen können. Geschrieben hat den Roman "Adam Hundesohn" der Israeli Yoram Kaniuk.
Goldblum: "Ich spiele einen erfolgreichen Variété-Star Adam Stein aus Berlin und ende mit meiner Frau und meinen beiden Töchtern in einem Konzentrationslager. Willem Dafoe spielt den KZ-Kommandanten, der mich damit lockt, meine Familie eventuell überleben zu lassen. Dafür muss ich einen Hund mimen und auch so leben wie ein Hund, nur um ihn zu unterhalten. Das tue ich dann über anderthalb Jahre bis zur Befreiung."

Der Film wird in mehren Rückblenden erzählt und beginnt in einem fiktiven israelischen Sanatorium der 60er Jahre, wo Adam Stein und andere Überlebende von ihren Wahnvorstellungen und Holocaust-Traumata "geheilt" werden sollen. Unter den Insassen ist Adam ein Star. Er verblüfft alle mit seinen Zaubertricks und alternativen Heilmethoden. Mit dem Anstaltsdirektor ist der Patient Stein auf Augenhöhe. Beide verbindet eine freundschaftliche Feindschaft. Eine sich streng gebende Krankenschwester ist Adam Steins fast masochistische Geliebte.

Als ein Junge neu in das Sanatorium eingeliefert wird, der von sich meint, ein Hund zu sein, wird Adam schmerzlich an seine KZ-Zeit erinnert. Er versucht, den Jungen zu heilen und seine inneren Dämonen zu überwinden. Jeff Goldblum spielt diese widersprüchliche Figur mit einer Mischung aus Schmerz, Größenwahn und großer menschlicher Integrität und es ist unverständlich, warum er nicht für den Oscar nominiert wurde. Jeff Goldblum, der selber Jude ist, beschäftigte sich in der Vorbereitung für diesen Film ganz besonders mit seiner eigenen Identität:

"Ich bin kein Experte, auch nicht nachdem ich mich mit ganz vielen Menschen traf, die ihr ganzes Leben lang versuchten zu verstehen, was damals geschah. Ich verbrachte glücklicherweise ein ganzes Jahr damit, mich auf diesen Film vorzubereiten, aber ich wusste, dass ein wichtiges und ernsthaftes Thema war. Das hat mich immer interessiert und natürlich wurde ich hier und da immer wieder damit konfrontiert. Ich fuhr nach Israel, das war mein erstes Mal, ich besuchte das Konzentrationslager Majdanek in Polen, weil es wohl das intakteste ehemalige KZ ist, wo man ein Gefühl dafür bekommt, wie es gewesen sein muss. Das war wichtig für die Rolle. Und ich sprach mit sehr großzügigen Überlebenden in Los Angeles, aber auch in diesem Hotel in Berlin und in anderen Ländern aus Europa sowie Israel."

Diese Arbeit hat sein Leben wirklich verändert, sagt Goldblum, der auch die Zusammenarbeit mit den vielen deutschen Schauspielern wie Joachim Król, Juliane Köhler und Moritz Bleibtreu sehr lobt. Ohne deutsches Geld wäre diese Koproduktion zwischen Israel, Deutschland und Amerika nie entstanden und Goldblum bedankt sich auch im Interview immer wieder bei den Produzenten, die ihm die Rolle seines Lebens erst ermöglichten.

Auffallend ist eine aufrichtige Bescheidenheit, die den schlaksigen Goldblum so gar nicht wie einen Hollywoodstar erscheinen lässt, der in seiner Karriere ein wenig auf fahrige Intellektuelle spezialisiert wurde. Auf jeden Fall lohnt sich "Adam resurrected" schon deshalb, weil der Film eine ungewöhnliche, ganz andere Holocaust Geschichte erzählt, und einen herausragenden Jeff Goldblum präsentiert, den man noch nie so gesehen hat.
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