Mein Leben als Schwein
Heute beginnt in Berlin die Internationale Grüne Woche, die weltgrößte Messe für Ernährung und Landwirtschaft. Zu Gast in den Hallen sind aber auch jede Menge Tiere, unter anderem eine Sau namens Arielle. Was geht in ihr vor?
Das bin nicht ich, das ist irgendein Opa mit Schiebermütze, der mir die Borsten krault, sich ungefragt zu mir herunter beugt in mein Wohnzimmer: zehn Quadratmeter groß - der Boden aus Stroh, die Wände ein Gatter aus hellem Holz. Nach oben offen. Unter Neonlicht.
Hinter mir, eine kleine Höhle mit roter Wärmelampe. Da liegen meine Kinder, über- und nebeneinander. Zehn Ferkel, gerade mal zweieinhalb Wochen alt - genau wie ich mit schwarzem Kopf und schwarzem Po. Dazwischen zwei zarte graue Streifen und viel Rosa. Ziemlich ruhig sind sie, ist ja noch früh, sie verdauen die erste Säugung. Kurz nach, die Tore der Grünen Woche sind erst seit ein paar Minuten auf.
Ja, ich bin eine Sau, ich bin Ariel, eine reinrassige Schwäbisch-Hällische Muttersau. Zugegeben: vom Körperbau eher Goliath als Meerjungfrau, um die 160 Kilo schwer.
"Steht auf ihr Schlafmützen!"
Die schon wieder ... So eine mittelalte Frau aus Sachsen, vielleicht Ende 50, in roter Weste, aufgemalte Augenbrauen. Jeden Tag kommt sie rüber von ihrem Winzerstand eine Halle weiter, will meine Ferkel streicheln. Ich ignorier sie und dreh mich um, bin ihr eh egal.
"Schert Euch raus ihr kleinen Scheißerchens ... ich streichle kleine Schweinchen, weil ich denke, dass sie Glück bringen ..."
Meine Ferkel - kleine Scheißerchen. Phhh. Aber heute weigern sie sich, rühren sich nicht. Gut gemacht! Da - die nächste Gruppe schiebt sich an meinem Gatter vorbei.
"... ach Hanne, sind die niieedlich!"
Der Überraschungsmoment, er ist kurz. Die Reaktionen sind immer gleich: Die Frauen sind entzückt, die Männer pragmatisch. Die wollen nur eins, mein Fleisch. Das ist saftig, weil wir Sattelschweine etwas fetter sind, nicht so trocken. Ob’s mich auch fertig im Brötchen gibt, fragt einer ...
Dabei weiß ich, ich hab’s gut. Martin Schneider, mein Begleiter von der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch-Hall, schrubbt mir den Rücken. Gut soll ich aussehen, Werbung machen. Vor allem jetzt nach der ganzen Aufregung mit den Antibiotika ...
Mit einer Mistgabel macht Martin bei mir sauber, streut Sägemehl unter das Stroh, dann riecht es bei uns nicht so nach Klo ... Mit der Reinheit hab ich es nicht so, sagt Birgit Eberhard, meine Chefin und gibt mir frisches Wasser.
"Sie haben normal ne Ecke, wo sie hinkacken ... die net, die lässt falle, wo sie geht und steht. Aber die Ferkel gehen da in die Ecke."
Macht nichts, ich bin entspannt. Die sieben Stunden Anreise von Schwaben nach Berlin hab ich längst verdaut, ich allein mit meinen Ferkeln, kein Massen-Viehtransport. Glück gehabt.
Mein Hof zu Hause ist komplett Erreger-frei. Kann sein, dass ich mir hier was von den anderen Tieren einfange. Martin will mich nach der Messe hier in der Gegend verkaufen, damit ich garantiert keine Keime zu Hause einschleppe. Dann muss ich jedenfalls nicht noch mal zurück auf die Straße.
Als Vorzeige-Zuchtsau darf ich länger leben als meine Verwandten in der Mast - die werden nicht mal ein Jahr alt, ich bin schon zweieinhalb! Und auch sonst kann ich mich nicht beschweren. Genfreies Futter kriege ich vom eigenen Hof und Antibiotika gibt’s nur, wenn ich wirklich krank bin, sagt Birgit.
Zeit für die zweite Ferkelfütterung. Die Kleinen haben Hunger, ich auch. Birgit kippt eine Schaufel Schrot in meinen Trog. Dann hängen die zehn wieder an meinen Zitzen. Ich rolle mich zur Seite, eine Schulklasse schaut zu.
"Wow ... oohh ..."
Ein älterer Herr dreht sich zu mir um, sieht, dass ich mich wohlfühle - trotz der quietschenden Kinder um mich herum.
"Das ist das Ideal ... gekauft wird immer das Billigste, wir sollten weniger Fleisch essen und dann mehr Tiere in dieser Art halten."
Endlich mal einer, der es kapiert hat. Der weiß, worauf es ankommt. Unsere Freunde fordern ja schon lange, dass viel mehr Schweine es so gut haben sollen wie ich.
Dass die Schweinbauern uns nicht zusammen ferchen, in Rekordzeit mästen und mit Medikamenten vollpumpen sollen. Nur damit möglichst schnell möglichst viele Schnitzel und Koteletts in die Kühltruhen der Discounter wandern.
Der Mann eben hat ja so recht: Wer gesundes Fleisch will, der muss dafür zahlen ...
Genug philosophiert.
"Leute macht mal Platz bitte ..."
Ich muss jetzt arbeiten, bin ja nicht zum Rumliegen hier. Mit großen roten Plastiktafeln schieben Martin und Birgit mich in Richtung Vorführring. Ein großer Sandplatz in der Halle, darum Tribünen, hunderte von Zuschauern. Meine Ferkel hocken in einem Korb aus Weidengeflecht, werden hinter mir hergetragen.
Kurze Pause, die Pferde vor mir, drehen noch ihre letzte Runde - und dann: Showdown, ich bin dran ...
"Auch die nächste Dame, die jetzt zu uns kommt, ist eine rasante, eine anmutige Dame in Schwarz-Weiß ... begrüßen Sie mit uns aus Baden-Württemberg: Ariel ..."
Hinter mir, eine kleine Höhle mit roter Wärmelampe. Da liegen meine Kinder, über- und nebeneinander. Zehn Ferkel, gerade mal zweieinhalb Wochen alt - genau wie ich mit schwarzem Kopf und schwarzem Po. Dazwischen zwei zarte graue Streifen und viel Rosa. Ziemlich ruhig sind sie, ist ja noch früh, sie verdauen die erste Säugung. Kurz nach, die Tore der Grünen Woche sind erst seit ein paar Minuten auf.
Ja, ich bin eine Sau, ich bin Ariel, eine reinrassige Schwäbisch-Hällische Muttersau. Zugegeben: vom Körperbau eher Goliath als Meerjungfrau, um die 160 Kilo schwer.
"Steht auf ihr Schlafmützen!"
Die schon wieder ... So eine mittelalte Frau aus Sachsen, vielleicht Ende 50, in roter Weste, aufgemalte Augenbrauen. Jeden Tag kommt sie rüber von ihrem Winzerstand eine Halle weiter, will meine Ferkel streicheln. Ich ignorier sie und dreh mich um, bin ihr eh egal.
"Schert Euch raus ihr kleinen Scheißerchens ... ich streichle kleine Schweinchen, weil ich denke, dass sie Glück bringen ..."
Meine Ferkel - kleine Scheißerchen. Phhh. Aber heute weigern sie sich, rühren sich nicht. Gut gemacht! Da - die nächste Gruppe schiebt sich an meinem Gatter vorbei.
"... ach Hanne, sind die niieedlich!"
Der Überraschungsmoment, er ist kurz. Die Reaktionen sind immer gleich: Die Frauen sind entzückt, die Männer pragmatisch. Die wollen nur eins, mein Fleisch. Das ist saftig, weil wir Sattelschweine etwas fetter sind, nicht so trocken. Ob’s mich auch fertig im Brötchen gibt, fragt einer ...
Dabei weiß ich, ich hab’s gut. Martin Schneider, mein Begleiter von der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch-Hall, schrubbt mir den Rücken. Gut soll ich aussehen, Werbung machen. Vor allem jetzt nach der ganzen Aufregung mit den Antibiotika ...
Mit einer Mistgabel macht Martin bei mir sauber, streut Sägemehl unter das Stroh, dann riecht es bei uns nicht so nach Klo ... Mit der Reinheit hab ich es nicht so, sagt Birgit Eberhard, meine Chefin und gibt mir frisches Wasser.
"Sie haben normal ne Ecke, wo sie hinkacken ... die net, die lässt falle, wo sie geht und steht. Aber die Ferkel gehen da in die Ecke."
Macht nichts, ich bin entspannt. Die sieben Stunden Anreise von Schwaben nach Berlin hab ich längst verdaut, ich allein mit meinen Ferkeln, kein Massen-Viehtransport. Glück gehabt.
Mein Hof zu Hause ist komplett Erreger-frei. Kann sein, dass ich mir hier was von den anderen Tieren einfange. Martin will mich nach der Messe hier in der Gegend verkaufen, damit ich garantiert keine Keime zu Hause einschleppe. Dann muss ich jedenfalls nicht noch mal zurück auf die Straße.
Als Vorzeige-Zuchtsau darf ich länger leben als meine Verwandten in der Mast - die werden nicht mal ein Jahr alt, ich bin schon zweieinhalb! Und auch sonst kann ich mich nicht beschweren. Genfreies Futter kriege ich vom eigenen Hof und Antibiotika gibt’s nur, wenn ich wirklich krank bin, sagt Birgit.
Zeit für die zweite Ferkelfütterung. Die Kleinen haben Hunger, ich auch. Birgit kippt eine Schaufel Schrot in meinen Trog. Dann hängen die zehn wieder an meinen Zitzen. Ich rolle mich zur Seite, eine Schulklasse schaut zu.
"Wow ... oohh ..."
Ein älterer Herr dreht sich zu mir um, sieht, dass ich mich wohlfühle - trotz der quietschenden Kinder um mich herum.
"Das ist das Ideal ... gekauft wird immer das Billigste, wir sollten weniger Fleisch essen und dann mehr Tiere in dieser Art halten."
Endlich mal einer, der es kapiert hat. Der weiß, worauf es ankommt. Unsere Freunde fordern ja schon lange, dass viel mehr Schweine es so gut haben sollen wie ich.
Dass die Schweinbauern uns nicht zusammen ferchen, in Rekordzeit mästen und mit Medikamenten vollpumpen sollen. Nur damit möglichst schnell möglichst viele Schnitzel und Koteletts in die Kühltruhen der Discounter wandern.
Der Mann eben hat ja so recht: Wer gesundes Fleisch will, der muss dafür zahlen ...
Genug philosophiert.
"Leute macht mal Platz bitte ..."
Ich muss jetzt arbeiten, bin ja nicht zum Rumliegen hier. Mit großen roten Plastiktafeln schieben Martin und Birgit mich in Richtung Vorführring. Ein großer Sandplatz in der Halle, darum Tribünen, hunderte von Zuschauern. Meine Ferkel hocken in einem Korb aus Weidengeflecht, werden hinter mir hergetragen.
Kurze Pause, die Pferde vor mir, drehen noch ihre letzte Runde - und dann: Showdown, ich bin dran ...
"Auch die nächste Dame, die jetzt zu uns kommt, ist eine rasante, eine anmutige Dame in Schwarz-Weiß ... begrüßen Sie mit uns aus Baden-Württemberg: Ariel ..."