Josef Kleindienst: "Mein Leben als Serienmörder"
© Sonderzahl Verlag Wien
Vom Spaß, ein Verdächtiger zu sein
04:13 Minuten
Josef Kleindienst
Mein Leben als SerienmörderSonderzahl Verlag, Wien 2022181 Seiten
20,00 Euro
Stell dir vor, du bist ein Verbrecher, und auf Facebook hat es niemand bemerkt: Josef Kleindiensts Kriminalroman "Mein Leben als Serienmörder" ist ein bissiger Kommentar auf unsere trostlosen Rollenspiele im digitalen Alltag.
Konrad Mola ist Schriftsteller und Schauspieler und offenbar weder besonders ambitioniert noch irgendwie erfolgreich. Gerade ist er von einem befreundeten Regisseur für eine Rolle in einem trashigen Dokudrama gecastet worden: Er soll einen Serienmörder spielen, der in den 1990er-Jahren in Österreich eine Reihe von Frauen getötet hat. Sofort beginnt er, sich in die Rolle hineinzusteigern.
Ein Verbrechen erzeugt Unausweichlichkeit
Wie ein Wiener Schmalspur-Raskolnikow träumt er davon, dass ein kapitales Verbrechen seinem leicht orientierungslosen Leben eine gewisse Unausweichlichkeit geben könnte: "Man hat etwas begangen, das nicht mehr umkehrbar ist, man ist ein Gefangener seiner Handlung."
Doch dann geschieht tatsächlich ein Mord: Eine Prostituierte wird getötet, und die Bilder einer Überwachungskamera zeigen Konrad Mola – der in jener Nacht sturzbetrunken vom Abschlussfest der Dreharbeiten durch den 15. Bezirk von Wien wankt – direkt vor ihrer Haustür. Und eigentlich findet er es ganz interessant, plötzlich dringend tatverdächtig zu sein.
Patricia Highsmith als Vorbild
Der Österreicher Josef Kleindienst – kein Witz, er ist Schriftsteller und Schauspieler – hat mit "Mein Leben als Serienmörder" einen ziemlich bissigen Kriminalroman geschrieben. Vorangestellt ist ein Zitat aus "Zwei Fremde im Zug" von Patricia Highsmith, und das gibt die Richtung vor. Highsmith beherrschte es meisterhaft, Figuren zu schaffen, die sich ganz bewusst in die Grauzone zwischen Realität und Fantasie begeben und in Rollen schlüpfen, die eine ganz eigene, bedrohliche Dynamik annehmen. Kleindienst transportiert das jetzt lakonisch und leicht augenzwinkernd ins 21. Jahrhundert.
Medieninteresse und einige Likes auf Social Media
Konrad Mola – der selbst nicht ganz sicher ist, was er in der Mordnacht gemacht hat – wird zunächst einmal in die Talkshow "Im Brennpunkt" eingeladen, um über das Thema "Sex und Schmerz. Widerspruch oder Lustgewinn?" zu plaudern. Als "prime suspect" der Polizei oder als Darsteller eines Serienmörders? Das ist noch nicht so ganz klar und offenbar auch nicht wichtig: "Selbst wenn ich ein Mörder wäre, was würde es ändern?" Sein Auftritt verschafft Mola immerhin ein paar Likes in den sozialen Netzwerken.
Am Ende ist "Mein Leben als Serienmörder" eine als Kriminalroman verpackte Mediensatire, aber mit einem sehr genauen, bitterbösen Blick für die Ärmlichkeit und Trostlosigkeit unserer digitalen Rollenspielchen. Wenn Mola gerade mal nicht von einer Verurteilung als Serienmörder träumt, klickt er sich bei Facebook durch die austauschbaren Urlaubsfotos seiner Freunde: "Strandurlaub in Neuseeland. Strandurlaub in Südafrika." Und: "Ein Bekannter zeigt Bilder von einer Kegelbahn."
Eigentlich müsste Konrad Mola keinen Mord begegnen. Denn im Gefängnis ist er schon.