Mein Schwein liebt Ringelnatz
Franz wird geseift und geföhnt, gefüttert und gecremt. Anschließend darf das Minischwein mit aufs Sofa, da rücken Frauchen und Herrchen gern ein wenig zusammen. Unterdessen verlegt ein Vogelliebhaber seinen Wohnsitz in den Garten, in die Volière. So ist er seinen Kohlmeisen näher, lauscht täglich ihrem Gepiepe und schreibt schließlich einen Sprachführer: Kohlmeisisch-Deutsch. Offenbar sind Norddeutsche noch ein klein wenig tierlieber als Süd- und West- und Ostdeutsche. Für ihre Tiere stellen sie ihr Leben auf den Kopf - schließlich wird es dadurch noch viel schöner ...
Dobrychlop: "Das ist Bambam, das ist unser kleiner, ungefähr fünf Jahre alter Eber. Eine sehr ungewöhnliche Mischung aus einem chinesischen Maskenschwein und einem Hängebauchschwein. "
Es ist kalt, der Atem bildet weiße Wolken, und aus der Hütte im Garten wankt ein Schwein. Ein Minischwein, sagt sein Besitzer. Ein Haustier: kniehoch, grau, extrem schmal und sehr faltig. Im Stroh steht unterdessen ein zweites Schwein, es wirkt ein wenig zurückhaltend.
Dobrychlop: "Das ist ein ganz schüchternes kleines Schweinemädchen. Ist aber dafür eine ganz, ganz Liebe. "
Ihr Besitzer, Bernd Dobrychlop, rüttelt mit einer Dose.
Dobrychlop: "Das sind getrocknete Bananenchips, die werden auch immer gern genommen. Das sind die kleinen Leckerlis im Leben, nech Pebbie!? "
Pebbles, rosa, blondborstig und ganz Dame, ziert sich. Im Hausflur lockt Hannelore Rüppell mit Brausebonbons - und setzt sich gegen die getrockneten Bananenchips durch.
Sie sind eine Familie: Herrchen, Frauchen, Bambam, Pebbles. Und zwei Hunde, Lukas und Simon. Pebbles kam als Ferkel. Bambam war schon halbstark und ein Sorgenkind: krank und degeneriert, weil es in der vierten Etage eines Kölner Mietshauses verwahrloste, nie rauskam, noch nie Gras gesehen hatte oder einen Schmetterling.
Dobrychlop: "Dann haben wir im Keller einen großen Bereich für die Tiere frei gehalten, eine Schlafgelegenheit und vor allem, was das Wichtigste ist: immer eine Gelegenheit, um die Geschäfte zu verrichten, d.h. ein Katzenklo. Haben mit ihnen zusammen gefrühstückt, immer was abgegeben, haben unser Picknicklager unten aufgeschlagen. Und so haben wir die Schweine zunächst mal in die Familie integriert. "
Was die Schweine - sie Mini zu nennen fällt schwer, obwohl alles zwischen 40 und 75 Zentimetern, zwischen 20 und 60 Kilo als Minischwein gilt - was also Bambam und Pebbles nach kurzer Zeit sehr zu schätzen wussten...
Dobrychlop/Rüppell: "Gerade noch den Morgen sage ich: lange dauert das nicht mehr, bis Pebbles selbst die Kellertreppe hochkommt und die Wohnung erkundet. Kaum ausgesprochen hörten wir ein Rascheln und da ist sie dann auch gleich ins Schlafzimmer rein. Und weil das so gemütlich war: ein Hechtsprung und dann war sie mit im Bett. - Sie hat sich in die Mitte gelegt. (lacht) - Solange man mit dem Strich der Borsten liegt, ist das ja nicht so dramatisch, aber wehe, man dreht sich um oder das Schwein will sich umdrehen, dann wird’s piekig. (lacht) Ja und dann finden die Diskussionen statt: mhhhh-mhhh-nichtumdrehen. (lacht) - Und wenn sie anfangen zu träumen, strampeln sie mit den Füßen. Das tut auch weh. "
Reinhard Brandau zieht eine Dose aus seiner Hosentasche, nimmt den Deckel ab, drinnen winden sich weiße Würmer. Mehlwürmer. Vogelfutter. Eine Meise landet in dem niedrigen Baum vorm Haus.
Brandau lebt mit Vögeln. Mit Amseln. Dohlen. Kohlmeisen aus dem angrenzenden Wald.
Brandau: "Das kam so zustande, dass die Meisen zu mir reinflogen ins Zimmer und sich da Sonnenblumenkerne und anderes holten. Die hatten also kein bisschen Angst. Das ging sogar so weit, dass wenn ich schlief und sie reinkamen, morgens früh, dass sie mich an den Haaren rissen und mich weckten. In einem ganz extremen Fall war es sogar so, dass eine Meisendame reinkam: sie weckte mich, indem sie mein Augenlid hochzog. Einmal - sie war vor meiner Nase, auf dem Kopfkissen, guckte mich an, sah so richtig puschelig und schön aus - da habe ich spontan zu ihr gesagt: Darf ich mal dein Brüstchen küssen? Da hat sie ihre Federn auf dem Kopf aufgestellt, das bedeutet: ja. Da hat sie mich offensichtlich verstanden. Aber ich habe mich nicht getraut, muss ich sagen. (lacht) Die war mir einfach zu klein. "
Brandau wohnt am Rande des Künstlerdorfes Worpswede, im Parterre einer Villa, die nach Fritz Mackensen benannt ist.
Brandau: "Als sie das nächste Mal kam und ich ihr einen Cashewkern angeboten habe, wollte sie den nicht haben. Dann habe ich ihr den aufgedrängt. Dann hat sie ihn aufs Bord getan, hingelegt, und stand wieder vor mir. Da habe ich gedacht: das kann doch jetzt wohl nicht sein, dass sie sich als mit mir verlobt empfindet - und ich ihr das jetzt aus dem Schnabel oder Mund geben muss!? Dann habe ich ihr einen Kern zerkleinert und aus dem Mund angeboten und das war richtig. Ich war also mit dieser Meisenfrau verlobt. "
In Achim bei Bremen steht unterdessen die Sau im Flur...
... während der Eber sich in der Küche über die Kartoffelvorräte hermacht.
Rüppell: "Sobald ich ein Schleifgeräusch höre, bin ich alarmiert. Er schleppt ja alles in Säcken weg: Möhren, Kartoffeln, Äpfel, Zwiebeln. Das wird alles geklaut. Und er gibt es nur sehr ungern wieder her. "
Doch genau dafür lieben Hannelore Rüpell und Bernd Dobrychlop ihre Schweine.
Dobrychlop: "Schweine haben immer ihren eigenen Charakter und Dickkopf, grundsätzlich. Schweine lassen durchaus mit sich reden und verhandeln, aber gewinnen müssen sie trotzdem. "
Herrchen entwindet Bambam den Kartoffelsack; die Hälfte ist Matsch, wird also im Schweinefutter landen - der Eber hat gewonnen. Er trollt sich, schubst sein Spielzeug vor sich her, ein kleines Gummischwein, stößt mit dem Hintern gegen den Couchtisch, der wackelt.
Warum halten sie nicht Katzen, wie andere Leute auch, Wellensittiche oder Fische?
Dobrychlop: "Fische haben wir draußen im Teich, aber die kann man nicht mal eben kurz mit reinnehmen, ein bisschen mit denen kuscheln. "
Rüppell: "Ich durfte als Kind ja nie in den Schweinestall bei meinem Onkel, aber gucken konnte ich, vom Fenster aus sehen, was die so machen. Ich fand sie immer ganz spannend. Weil sie auch so aufmerksam sind und so schnell reagieren und schnell lernen. Man kann sie durchaus erziehen und ihnen auch Kunststücke beibringen - Pebbles z.B. das Stehen auf den Hinterbeinen. "
Im Moment fläzt Pebbles sich allerdings im Wohnzimmer auf dem Teppich. Dobrychlop kniet nieder und knuddelt seinen Eber - das Schmusen hat ihm schon ein blaues Auge beschert, doch in Herrchens Stimme schwingt der liebevolle Stolz eines Vaters, der von seinen Raubaukensöhnen erzählt.
Dobrychlop: "Während sie noch im Ferkelstadium sind, sind sie unglaublich verspielt, machen Witze, drehen sich und rennen rum, man denkt, das Temperament hört nie auf. Das ist ein ganz großer Grund, warum wir Schweine haben - es ist faszinierend, wenn Ferkel am Toben sind. Und im Laufe der Zeit bildet sich der Charakter raus. Pebbles ist eher so eine kleine, feine, ruhige Dame, sie möchte ganz gern hofiert werden, kann man wohl so sagen. Und bei Bambam hat sich herausgestellt, dass er auch (lacht) ein lieber Kerl ist, aber burschenmäßig, ein rechter Rabauke. "
Die Meise ist satt und Reinhard Brandau stopft die letzten Mehlwürmer zurück in die Dose, verschließt sie und steckt sie wieder in seine Hosentasche.
Brandau: "Der Reiz ist der, dass die Vögel ehrlich sind. Die sind echt. Die Gefühle der Vögel, denen kann man wirklich glauben, die sind authentisch, das stimmt einfach. Menschen sind halt ein bisschen komplizierter. "
Weiter hinten im Garten hat er eine Voliére gebaut, dort leben zurzeit Tauben und ein Eichelhäher. Irgendwo im Haus spielt jemand Klavier.
Brandau: "Menschen glauben ja, dass Vögel keine Gefühle haben, kein Bewusstsein, dass es eben kleine Automaten sind. Das habe ich früher auch geglaubt, weil mir das ja so beigebracht wurde. Und dann habe ich einmal zwei Stare aufgezogen. Dann kam ein Freund zu Besuch, mit dem wollte ich nach Sylt fahren. Der hatte ein Boot auf dem Wagen und meine Lebensgefährtin damals, die blieb hier, und die sollte sich um die Stare kümmern. Als wir zum Wagen gingen, saßen die auf dem Bootsrand, die beiden. Damals war mir nur eins klar: die wussten, dass ich nicht einkaufen fahre oder ähnliches und dann nach einer Stunde wieder zurück bin, die wussten, dass ich jetzt für lange Zeit wegfahre und wollten mit. Das war einfach klar! "
Kortner: "Man kann wirklich mit jedem Tier sprechen, man kann auch mit einem Regenwurm sprechen. "
Ricarda Kortner, Tierkommunikatorin. Nimmt telepathisch Kontakt zu Tieren auf.
Kortner: " Man kann auch mit einem Regenwurm sprechen. Der wird mir nicht unbedingt erzählen, dass er gestreichelt werden möchte oder so - der kann mir z.B. vermitteln, wie wohl er sich in der Erde fühlt und wie gern er da ist. "
Brandau: " Es war ganz klar, aber ich habe es nicht geglaubt. Und dann habe ich mit meiner späteren Lebensgefährtin zusammen eine Nebelkrähe aufgezogen. Und diese Krähe hat mich gezwungen zu glauben, dass sie denken, fühlen kann und einiges mehr. Wir lebten zusammen und mussten uns arrangieren: Da gab es z.B. meine Silberschmiedewerkstatt, mit den Steinen, den begehrlichen, und ich habe ihr klar gesagt: Da darfst du nicht hin! Dann saß sie auf dem Amboss und guckte sehnsüchtig nach den Steinen, hat aber keinen genommen. Dann habe ich ihr einen Stein geschenkt und sie war glücklich, hat die Augen verdreht vor Wonne, den Stein in den Schnabel genommen und ist damit los zu ihrem Platz, der für mich tabu war. Da hatte sie ihr Spielzeug und da durfte ich nicht hin. Ich habe dann nach und nach gemerkt, dass dieser Vogel ein Bewusstsein hat, das ich überhaupt nicht erwartet habe. "
Evers: "Wenn man viel mit den Tieren zusammen ist, lernt man halt, was verschiedene Bewegungen oder Gesichtsausdrücke zu bedeuten haben. "
Tanja Evers, Tierpflegerin bei den Orang Utans in Hagenbecks Tierpark.
Evers: "Ich kann schon mit denen reden. Die werden mir natürlich nicht antworten, aber es ist schon so, dass man miteinander kommuniziert. "
Wanker: "Eine direkte Sprache für Mensch und Tier gibt es nicht. Es ist aber so, dass jeder von dem Anderen lernen kann: aha, dieses Wort bedeutet, ich muss jetzt zu meinem Dosenöffner oder Futtergeber hinkommen. "
Ralf Wanker, Verhaltensbiologe.
Wanker: "Man kann einfach mal so, wenn der Hund was weiß ich etwas ganz Besonderes macht, darauf schließen: ja, der versteht mich, der weiß, wie ich denke - aber das muss erstmal bewiesen werden. Wir können uns noch nicht einmal in das Tier richtig hineinversetzen. Wir wissen nicht, was denkt in dem Sinne ein Hund? Allein die Wahrnehmung ist schon ganz anders. Der sieht die Welt nicht wie wir sie sehen, in den ganzen Farben, sondern das ist ein verzerrtes schwarz-weißes, vielleicht noch ein bisschen farbiges Bild, was der hat. Der riecht die Welt. Und das können wir wieder nicht nachvollziehen. Wir können gar nicht so gut riechen. Da sind ganz unterschiedliche Welten, ganz unterschiedliche Interpretationen, die dann im Gehirn auch stattfinden. Und das fällt schon sehr schwer, sich da in den anderen hineinzuversetzen. Fällt uns ja von Mensch zu Mensch schon oft schwer. "
Dobrychlop: "Im Sommer ist hier immer alles offen, die Terrassentür ist offen und hier die Haustür, und () die Hunde gehen raus, die Schweine gehen rein - dann ist man die ganze Zeit zusammen. Dann nehmen sie auch an den Gesprächen teil. Dann stehen sie unterm Tisch und lauschen, das machen sie ganz gern. "
Eine Tierkommunikatorin, die Kurse gibt, damit Zweibeiner und Vierbeiner einander besser verstehen, erzählt von philosophischen Gespräche, die sie mit ihrem Hund führt.
Dobrychlop: "Philosophische Gespräche eher nicht, das sind mehr erzieherische Gespräche. "
Rüppell: "Man schüttet zum Tier schon mal das Herz aus. "
Doch das, bei aller Liebe zum Schwein, eher dem Hund.
Rüppell: "Weil Hunde eher ‘ne Reaktion zeigen. Schweine gucken einen freundlich an und das ist ja auch nicht das, was man dann will. "
Kortner: "Weil die Tiere bedingungslos lieben. Die stellen ja weniger Ansprüche und die sind einfach da und lieben den Menschen so, wie er ist - ohne ihn zu verändern, an ihm rumzumeckern. "
Er sei ein tierlieber Mensch, sagt Dobrychlop. Brandau ist acht Jahre lang nicht verreist, weil sich eine Amsel bei ihm einquartiert hatte, die er nicht allein lassen wollte. Hannelore Rüpell beantwortet ehrenamtlich bei Schweinestammtisch.de Fragen: Hilfe, mein Schwein kotzt, was kann ich tun? Deutschland tierlieb - und offenbar sind Norddeutsche noch ein klein wenig tierlieber als Süd- und West- und Ostdeutsche.
Reinhard Brandau kehrt zurück in sein Vogel-Haus, setzt sich auf einen Campingstuhl, dreht eine Zigarette - und erzählt die Geschichte von der Stubenfliege. Sie kam eines Abends, als er im Bett lag und ein Buch las. Flog auf die aufgeschlagene Seite, krabbelte über die Zeilen. Als er umblättern musste, sagte Brandau: flieg mal eben runter. Auch das war der Beginn einer Freundschaft...
Brandau: "Wenn ich die Fliege rief, kam sie angeflogen, aus einem anderen Zimmer kam sie rüber, setzte sich auf meine Hand. Und wenn ich Fragen stellte, antwortete sie, indem sie den Oberkörper hoch oder nach unten senkte. Das eine hieß Ja, das andere Nein - sie hat also tatsächlich Antworten auf meine Fragen gegeben. "
Evers: "Das denken die! Oh, ja, wie süß. Der macht gerade das und das, dabei tanzen sie ihm wahrscheinlich auf der Nase rum... "
Brandau: "Ich hatte gerade mit ihr gesprochen und Antworten bekommen und war so glücklich darüber, dass ich sagte, sie wäre eine ganz, ganz tolle Fliege. Und dann passierte etwas: sie ging auf meiner Hand umher, wobei sie sich dauernd im Kreise drehte - es sah aus wie ein Freudentanz. "
Evers: " Na, Hut ab! "
Wanker: "Es findet mit Sicherheit Kommunikation statt. Und es findet auch ein gegenseitiges Verstehen bestimmter Lautäußerungen, Gestiken, Körperhaltungen statt. Was aber wirklich spekulativ ist, sind diese Interpretationen dort hinein, bis in die Gefühlsebene - das ist sicherlich nicht vorhanden. "
Brandau: "Ich glaube das gar nicht. Ich kann das nicht glauben. Aber ich habe es erlebt. Erklären kann ich das schon gar nicht. (lacht) Da sind die Grundfesten meines Bewusstseins erschüttert worden, und ich würde es im Grunde nicht wagen, darüber zu sprechen, wenn ich das nicht auf Video aufgenommen und dokumentiert hätte. "
In der Küche eiert Bambam über die Fliesen wie eine Ballerina über Glatteis; ab und zu machen Herrchen und Frauchen Pediküre, mit der Rosenschere. Von hinten betrachtet ist der Eber magerer als manche Hauskatze. Sieht aus, wie ein tapeziertes Gerippe, sagt Frauchen; sie kann froh sein, wenn Bambam diese Lautäußerung nicht versteht. Im Wohnzimmer stöckelt Pebbles wie Miss Piggy auf den Videorekorder zu.
Dobrychlop: "Unser erstes Schwein, das wir hatten, unsere Twiggi, die war tatsächlich fußballverliebt. Ich habe mit ihr zusammen ganz oft vorm Fernseher gesessen, habe sie im Arm gehalten und dann haben wir zusammen Fußball geguckt. Die fand das toll, das Gegröhle und Gejohle und wenn der Reporter dann Tor geschrien hat, das fand sie Klasse. Und dann lag sie neben mir und hat mit mir zusammen Fußball geguckt. "
Pebbles und Bambam sind Schöngeister. Bambam zieht gern Bücher aus dem Regal.
Rüppell: "Er spielt damit. Er liebt besonders Ringelnatz. "
Ringelnatz für Ringelschwanz. Lukas, der schwarze Hund, schnüffelt an demselben.
Rüppell: "Ich habe mal versucht, ihm Harry Potter auf Plattdeutsch vorzulesen. Aber es interessiert ihn anscheinend nicht. "
Vielleicht versteht er auch kein Platt. Oder mag’s nicht so trivialliterarisch?
Reinhard Brandau drückt unterdessen seine Zigarette aus. In einer Wanne neben seinem Stuhl winden sich Mehlwürmer. Davon hat er reichlich gebraucht, als er sein Wörterbuch schrieb: Kohlmeisisch-Deutsch.
Brandau: "Jüp tschü heißt ‘Guten Tag’. Tschü ‘Ja’ oder ‘du’. Tschi heißt ‘Nein’. "
Ping heißt komm, Pingping komm sofort. Über Monate hat der Vogelmann seinen gefiederten Lieblingen jeden Laut von den Schnäbeln abgelauscht. Das Ergebnis: ein Oktavheft, knapp fünfzig Seiten. Fünfzig Lautäußerungen habe er eindeutig entschlüsselt; örtliche Dialekte bleiben unberücksichtigt.
Brandau: "Die haben eine ganz, ganz umfangreiche Sprache, die Kohlmeisen. Die haben viele hundert Vokabeln und sie bilden Sätze. "
Wanker: "Das ist der Versuch einer Übersetzung in die menschliche Sprache. Für die Meisen kann es etwas ganz anderes sein. Wir wissen nicht, nach welchen Prinzipien die Lautäußerungen der Meisen aneinander gereiht werden oder nicht. Das ist sehr, sehr schwer zu untersuchen. "
In der Küche in Achim bei Bremen bereitet Herrchen das Abendessen, schält Kartoffeln, ein paar auf den Teller, ein paar in den Trog. Zwei Schweine und zwei Hunde streichen um seine Beine. Später liegen alle im Wohnzimmer im Körbchen. Und irgendwie wirkt es - wie ein völlig normales Familienleben.
In der Villa am Rand von Worpswede sitzt Reinhard Brandau im schwachen Licht einer Lampe. Ein Leben ohne Vögel? Kann er sich nicht vorstellen. Was sollte das für ein Leben sein? Ob andere darüber den Kopf schütteln ist ihm ziemlich egal.
Brandau: "Für die bin ich einfach Vogel. Ein merkwürdiger Vogel zwar, aber immerhin ein Vogel. "
Bald ist Weihnachten. Was kommt bei ihm Heiligabend auf den Tisch?
Brandau: "Ich würde nie ‘ne Gans umbringen und braten und essen. Das ist ja schon fast Kannibalismus. "
Es ist kalt, der Atem bildet weiße Wolken, und aus der Hütte im Garten wankt ein Schwein. Ein Minischwein, sagt sein Besitzer. Ein Haustier: kniehoch, grau, extrem schmal und sehr faltig. Im Stroh steht unterdessen ein zweites Schwein, es wirkt ein wenig zurückhaltend.
Dobrychlop: "Das ist ein ganz schüchternes kleines Schweinemädchen. Ist aber dafür eine ganz, ganz Liebe. "
Ihr Besitzer, Bernd Dobrychlop, rüttelt mit einer Dose.
Dobrychlop: "Das sind getrocknete Bananenchips, die werden auch immer gern genommen. Das sind die kleinen Leckerlis im Leben, nech Pebbie!? "
Pebbles, rosa, blondborstig und ganz Dame, ziert sich. Im Hausflur lockt Hannelore Rüppell mit Brausebonbons - und setzt sich gegen die getrockneten Bananenchips durch.
Sie sind eine Familie: Herrchen, Frauchen, Bambam, Pebbles. Und zwei Hunde, Lukas und Simon. Pebbles kam als Ferkel. Bambam war schon halbstark und ein Sorgenkind: krank und degeneriert, weil es in der vierten Etage eines Kölner Mietshauses verwahrloste, nie rauskam, noch nie Gras gesehen hatte oder einen Schmetterling.
Dobrychlop: "Dann haben wir im Keller einen großen Bereich für die Tiere frei gehalten, eine Schlafgelegenheit und vor allem, was das Wichtigste ist: immer eine Gelegenheit, um die Geschäfte zu verrichten, d.h. ein Katzenklo. Haben mit ihnen zusammen gefrühstückt, immer was abgegeben, haben unser Picknicklager unten aufgeschlagen. Und so haben wir die Schweine zunächst mal in die Familie integriert. "
Was die Schweine - sie Mini zu nennen fällt schwer, obwohl alles zwischen 40 und 75 Zentimetern, zwischen 20 und 60 Kilo als Minischwein gilt - was also Bambam und Pebbles nach kurzer Zeit sehr zu schätzen wussten...
Dobrychlop/Rüppell: "Gerade noch den Morgen sage ich: lange dauert das nicht mehr, bis Pebbles selbst die Kellertreppe hochkommt und die Wohnung erkundet. Kaum ausgesprochen hörten wir ein Rascheln und da ist sie dann auch gleich ins Schlafzimmer rein. Und weil das so gemütlich war: ein Hechtsprung und dann war sie mit im Bett. - Sie hat sich in die Mitte gelegt. (lacht) - Solange man mit dem Strich der Borsten liegt, ist das ja nicht so dramatisch, aber wehe, man dreht sich um oder das Schwein will sich umdrehen, dann wird’s piekig. (lacht) Ja und dann finden die Diskussionen statt: mhhhh-mhhh-nichtumdrehen. (lacht) - Und wenn sie anfangen zu träumen, strampeln sie mit den Füßen. Das tut auch weh. "
Reinhard Brandau zieht eine Dose aus seiner Hosentasche, nimmt den Deckel ab, drinnen winden sich weiße Würmer. Mehlwürmer. Vogelfutter. Eine Meise landet in dem niedrigen Baum vorm Haus.
Brandau lebt mit Vögeln. Mit Amseln. Dohlen. Kohlmeisen aus dem angrenzenden Wald.
Brandau: "Das kam so zustande, dass die Meisen zu mir reinflogen ins Zimmer und sich da Sonnenblumenkerne und anderes holten. Die hatten also kein bisschen Angst. Das ging sogar so weit, dass wenn ich schlief und sie reinkamen, morgens früh, dass sie mich an den Haaren rissen und mich weckten. In einem ganz extremen Fall war es sogar so, dass eine Meisendame reinkam: sie weckte mich, indem sie mein Augenlid hochzog. Einmal - sie war vor meiner Nase, auf dem Kopfkissen, guckte mich an, sah so richtig puschelig und schön aus - da habe ich spontan zu ihr gesagt: Darf ich mal dein Brüstchen küssen? Da hat sie ihre Federn auf dem Kopf aufgestellt, das bedeutet: ja. Da hat sie mich offensichtlich verstanden. Aber ich habe mich nicht getraut, muss ich sagen. (lacht) Die war mir einfach zu klein. "
Brandau wohnt am Rande des Künstlerdorfes Worpswede, im Parterre einer Villa, die nach Fritz Mackensen benannt ist.
Brandau: "Als sie das nächste Mal kam und ich ihr einen Cashewkern angeboten habe, wollte sie den nicht haben. Dann habe ich ihr den aufgedrängt. Dann hat sie ihn aufs Bord getan, hingelegt, und stand wieder vor mir. Da habe ich gedacht: das kann doch jetzt wohl nicht sein, dass sie sich als mit mir verlobt empfindet - und ich ihr das jetzt aus dem Schnabel oder Mund geben muss!? Dann habe ich ihr einen Kern zerkleinert und aus dem Mund angeboten und das war richtig. Ich war also mit dieser Meisenfrau verlobt. "
In Achim bei Bremen steht unterdessen die Sau im Flur...
... während der Eber sich in der Küche über die Kartoffelvorräte hermacht.
Rüppell: "Sobald ich ein Schleifgeräusch höre, bin ich alarmiert. Er schleppt ja alles in Säcken weg: Möhren, Kartoffeln, Äpfel, Zwiebeln. Das wird alles geklaut. Und er gibt es nur sehr ungern wieder her. "
Doch genau dafür lieben Hannelore Rüpell und Bernd Dobrychlop ihre Schweine.
Dobrychlop: "Schweine haben immer ihren eigenen Charakter und Dickkopf, grundsätzlich. Schweine lassen durchaus mit sich reden und verhandeln, aber gewinnen müssen sie trotzdem. "
Herrchen entwindet Bambam den Kartoffelsack; die Hälfte ist Matsch, wird also im Schweinefutter landen - der Eber hat gewonnen. Er trollt sich, schubst sein Spielzeug vor sich her, ein kleines Gummischwein, stößt mit dem Hintern gegen den Couchtisch, der wackelt.
Warum halten sie nicht Katzen, wie andere Leute auch, Wellensittiche oder Fische?
Dobrychlop: "Fische haben wir draußen im Teich, aber die kann man nicht mal eben kurz mit reinnehmen, ein bisschen mit denen kuscheln. "
Rüppell: "Ich durfte als Kind ja nie in den Schweinestall bei meinem Onkel, aber gucken konnte ich, vom Fenster aus sehen, was die so machen. Ich fand sie immer ganz spannend. Weil sie auch so aufmerksam sind und so schnell reagieren und schnell lernen. Man kann sie durchaus erziehen und ihnen auch Kunststücke beibringen - Pebbles z.B. das Stehen auf den Hinterbeinen. "
Im Moment fläzt Pebbles sich allerdings im Wohnzimmer auf dem Teppich. Dobrychlop kniet nieder und knuddelt seinen Eber - das Schmusen hat ihm schon ein blaues Auge beschert, doch in Herrchens Stimme schwingt der liebevolle Stolz eines Vaters, der von seinen Raubaukensöhnen erzählt.
Dobrychlop: "Während sie noch im Ferkelstadium sind, sind sie unglaublich verspielt, machen Witze, drehen sich und rennen rum, man denkt, das Temperament hört nie auf. Das ist ein ganz großer Grund, warum wir Schweine haben - es ist faszinierend, wenn Ferkel am Toben sind. Und im Laufe der Zeit bildet sich der Charakter raus. Pebbles ist eher so eine kleine, feine, ruhige Dame, sie möchte ganz gern hofiert werden, kann man wohl so sagen. Und bei Bambam hat sich herausgestellt, dass er auch (lacht) ein lieber Kerl ist, aber burschenmäßig, ein rechter Rabauke. "
Die Meise ist satt und Reinhard Brandau stopft die letzten Mehlwürmer zurück in die Dose, verschließt sie und steckt sie wieder in seine Hosentasche.
Brandau: "Der Reiz ist der, dass die Vögel ehrlich sind. Die sind echt. Die Gefühle der Vögel, denen kann man wirklich glauben, die sind authentisch, das stimmt einfach. Menschen sind halt ein bisschen komplizierter. "
Weiter hinten im Garten hat er eine Voliére gebaut, dort leben zurzeit Tauben und ein Eichelhäher. Irgendwo im Haus spielt jemand Klavier.
Brandau: "Menschen glauben ja, dass Vögel keine Gefühle haben, kein Bewusstsein, dass es eben kleine Automaten sind. Das habe ich früher auch geglaubt, weil mir das ja so beigebracht wurde. Und dann habe ich einmal zwei Stare aufgezogen. Dann kam ein Freund zu Besuch, mit dem wollte ich nach Sylt fahren. Der hatte ein Boot auf dem Wagen und meine Lebensgefährtin damals, die blieb hier, und die sollte sich um die Stare kümmern. Als wir zum Wagen gingen, saßen die auf dem Bootsrand, die beiden. Damals war mir nur eins klar: die wussten, dass ich nicht einkaufen fahre oder ähnliches und dann nach einer Stunde wieder zurück bin, die wussten, dass ich jetzt für lange Zeit wegfahre und wollten mit. Das war einfach klar! "
Kortner: "Man kann wirklich mit jedem Tier sprechen, man kann auch mit einem Regenwurm sprechen. "
Ricarda Kortner, Tierkommunikatorin. Nimmt telepathisch Kontakt zu Tieren auf.
Kortner: " Man kann auch mit einem Regenwurm sprechen. Der wird mir nicht unbedingt erzählen, dass er gestreichelt werden möchte oder so - der kann mir z.B. vermitteln, wie wohl er sich in der Erde fühlt und wie gern er da ist. "
Brandau: " Es war ganz klar, aber ich habe es nicht geglaubt. Und dann habe ich mit meiner späteren Lebensgefährtin zusammen eine Nebelkrähe aufgezogen. Und diese Krähe hat mich gezwungen zu glauben, dass sie denken, fühlen kann und einiges mehr. Wir lebten zusammen und mussten uns arrangieren: Da gab es z.B. meine Silberschmiedewerkstatt, mit den Steinen, den begehrlichen, und ich habe ihr klar gesagt: Da darfst du nicht hin! Dann saß sie auf dem Amboss und guckte sehnsüchtig nach den Steinen, hat aber keinen genommen. Dann habe ich ihr einen Stein geschenkt und sie war glücklich, hat die Augen verdreht vor Wonne, den Stein in den Schnabel genommen und ist damit los zu ihrem Platz, der für mich tabu war. Da hatte sie ihr Spielzeug und da durfte ich nicht hin. Ich habe dann nach und nach gemerkt, dass dieser Vogel ein Bewusstsein hat, das ich überhaupt nicht erwartet habe. "
Evers: "Wenn man viel mit den Tieren zusammen ist, lernt man halt, was verschiedene Bewegungen oder Gesichtsausdrücke zu bedeuten haben. "
Tanja Evers, Tierpflegerin bei den Orang Utans in Hagenbecks Tierpark.
Evers: "Ich kann schon mit denen reden. Die werden mir natürlich nicht antworten, aber es ist schon so, dass man miteinander kommuniziert. "
Wanker: "Eine direkte Sprache für Mensch und Tier gibt es nicht. Es ist aber so, dass jeder von dem Anderen lernen kann: aha, dieses Wort bedeutet, ich muss jetzt zu meinem Dosenöffner oder Futtergeber hinkommen. "
Ralf Wanker, Verhaltensbiologe.
Wanker: "Man kann einfach mal so, wenn der Hund was weiß ich etwas ganz Besonderes macht, darauf schließen: ja, der versteht mich, der weiß, wie ich denke - aber das muss erstmal bewiesen werden. Wir können uns noch nicht einmal in das Tier richtig hineinversetzen. Wir wissen nicht, was denkt in dem Sinne ein Hund? Allein die Wahrnehmung ist schon ganz anders. Der sieht die Welt nicht wie wir sie sehen, in den ganzen Farben, sondern das ist ein verzerrtes schwarz-weißes, vielleicht noch ein bisschen farbiges Bild, was der hat. Der riecht die Welt. Und das können wir wieder nicht nachvollziehen. Wir können gar nicht so gut riechen. Da sind ganz unterschiedliche Welten, ganz unterschiedliche Interpretationen, die dann im Gehirn auch stattfinden. Und das fällt schon sehr schwer, sich da in den anderen hineinzuversetzen. Fällt uns ja von Mensch zu Mensch schon oft schwer. "
Dobrychlop: "Im Sommer ist hier immer alles offen, die Terrassentür ist offen und hier die Haustür, und () die Hunde gehen raus, die Schweine gehen rein - dann ist man die ganze Zeit zusammen. Dann nehmen sie auch an den Gesprächen teil. Dann stehen sie unterm Tisch und lauschen, das machen sie ganz gern. "
Eine Tierkommunikatorin, die Kurse gibt, damit Zweibeiner und Vierbeiner einander besser verstehen, erzählt von philosophischen Gespräche, die sie mit ihrem Hund führt.
Dobrychlop: "Philosophische Gespräche eher nicht, das sind mehr erzieherische Gespräche. "
Rüppell: "Man schüttet zum Tier schon mal das Herz aus. "
Doch das, bei aller Liebe zum Schwein, eher dem Hund.
Rüppell: "Weil Hunde eher ‘ne Reaktion zeigen. Schweine gucken einen freundlich an und das ist ja auch nicht das, was man dann will. "
Kortner: "Weil die Tiere bedingungslos lieben. Die stellen ja weniger Ansprüche und die sind einfach da und lieben den Menschen so, wie er ist - ohne ihn zu verändern, an ihm rumzumeckern. "
Er sei ein tierlieber Mensch, sagt Dobrychlop. Brandau ist acht Jahre lang nicht verreist, weil sich eine Amsel bei ihm einquartiert hatte, die er nicht allein lassen wollte. Hannelore Rüpell beantwortet ehrenamtlich bei Schweinestammtisch.de Fragen: Hilfe, mein Schwein kotzt, was kann ich tun? Deutschland tierlieb - und offenbar sind Norddeutsche noch ein klein wenig tierlieber als Süd- und West- und Ostdeutsche.
Reinhard Brandau kehrt zurück in sein Vogel-Haus, setzt sich auf einen Campingstuhl, dreht eine Zigarette - und erzählt die Geschichte von der Stubenfliege. Sie kam eines Abends, als er im Bett lag und ein Buch las. Flog auf die aufgeschlagene Seite, krabbelte über die Zeilen. Als er umblättern musste, sagte Brandau: flieg mal eben runter. Auch das war der Beginn einer Freundschaft...
Brandau: "Wenn ich die Fliege rief, kam sie angeflogen, aus einem anderen Zimmer kam sie rüber, setzte sich auf meine Hand. Und wenn ich Fragen stellte, antwortete sie, indem sie den Oberkörper hoch oder nach unten senkte. Das eine hieß Ja, das andere Nein - sie hat also tatsächlich Antworten auf meine Fragen gegeben. "
Evers: "Das denken die! Oh, ja, wie süß. Der macht gerade das und das, dabei tanzen sie ihm wahrscheinlich auf der Nase rum... "
Brandau: "Ich hatte gerade mit ihr gesprochen und Antworten bekommen und war so glücklich darüber, dass ich sagte, sie wäre eine ganz, ganz tolle Fliege. Und dann passierte etwas: sie ging auf meiner Hand umher, wobei sie sich dauernd im Kreise drehte - es sah aus wie ein Freudentanz. "
Evers: " Na, Hut ab! "
Wanker: "Es findet mit Sicherheit Kommunikation statt. Und es findet auch ein gegenseitiges Verstehen bestimmter Lautäußerungen, Gestiken, Körperhaltungen statt. Was aber wirklich spekulativ ist, sind diese Interpretationen dort hinein, bis in die Gefühlsebene - das ist sicherlich nicht vorhanden. "
Brandau: "Ich glaube das gar nicht. Ich kann das nicht glauben. Aber ich habe es erlebt. Erklären kann ich das schon gar nicht. (lacht) Da sind die Grundfesten meines Bewusstseins erschüttert worden, und ich würde es im Grunde nicht wagen, darüber zu sprechen, wenn ich das nicht auf Video aufgenommen und dokumentiert hätte. "
In der Küche eiert Bambam über die Fliesen wie eine Ballerina über Glatteis; ab und zu machen Herrchen und Frauchen Pediküre, mit der Rosenschere. Von hinten betrachtet ist der Eber magerer als manche Hauskatze. Sieht aus, wie ein tapeziertes Gerippe, sagt Frauchen; sie kann froh sein, wenn Bambam diese Lautäußerung nicht versteht. Im Wohnzimmer stöckelt Pebbles wie Miss Piggy auf den Videorekorder zu.
Dobrychlop: "Unser erstes Schwein, das wir hatten, unsere Twiggi, die war tatsächlich fußballverliebt. Ich habe mit ihr zusammen ganz oft vorm Fernseher gesessen, habe sie im Arm gehalten und dann haben wir zusammen Fußball geguckt. Die fand das toll, das Gegröhle und Gejohle und wenn der Reporter dann Tor geschrien hat, das fand sie Klasse. Und dann lag sie neben mir und hat mit mir zusammen Fußball geguckt. "
Pebbles und Bambam sind Schöngeister. Bambam zieht gern Bücher aus dem Regal.
Rüppell: "Er spielt damit. Er liebt besonders Ringelnatz. "
Ringelnatz für Ringelschwanz. Lukas, der schwarze Hund, schnüffelt an demselben.
Rüppell: "Ich habe mal versucht, ihm Harry Potter auf Plattdeutsch vorzulesen. Aber es interessiert ihn anscheinend nicht. "
Vielleicht versteht er auch kein Platt. Oder mag’s nicht so trivialliterarisch?
Reinhard Brandau drückt unterdessen seine Zigarette aus. In einer Wanne neben seinem Stuhl winden sich Mehlwürmer. Davon hat er reichlich gebraucht, als er sein Wörterbuch schrieb: Kohlmeisisch-Deutsch.
Brandau: "Jüp tschü heißt ‘Guten Tag’. Tschü ‘Ja’ oder ‘du’. Tschi heißt ‘Nein’. "
Ping heißt komm, Pingping komm sofort. Über Monate hat der Vogelmann seinen gefiederten Lieblingen jeden Laut von den Schnäbeln abgelauscht. Das Ergebnis: ein Oktavheft, knapp fünfzig Seiten. Fünfzig Lautäußerungen habe er eindeutig entschlüsselt; örtliche Dialekte bleiben unberücksichtigt.
Brandau: "Die haben eine ganz, ganz umfangreiche Sprache, die Kohlmeisen. Die haben viele hundert Vokabeln und sie bilden Sätze. "
Wanker: "Das ist der Versuch einer Übersetzung in die menschliche Sprache. Für die Meisen kann es etwas ganz anderes sein. Wir wissen nicht, nach welchen Prinzipien die Lautäußerungen der Meisen aneinander gereiht werden oder nicht. Das ist sehr, sehr schwer zu untersuchen. "
In der Küche in Achim bei Bremen bereitet Herrchen das Abendessen, schält Kartoffeln, ein paar auf den Teller, ein paar in den Trog. Zwei Schweine und zwei Hunde streichen um seine Beine. Später liegen alle im Wohnzimmer im Körbchen. Und irgendwie wirkt es - wie ein völlig normales Familienleben.
In der Villa am Rand von Worpswede sitzt Reinhard Brandau im schwachen Licht einer Lampe. Ein Leben ohne Vögel? Kann er sich nicht vorstellen. Was sollte das für ein Leben sein? Ob andere darüber den Kopf schütteln ist ihm ziemlich egal.
Brandau: "Für die bin ich einfach Vogel. Ein merkwürdiger Vogel zwar, aber immerhin ein Vogel. "
Bald ist Weihnachten. Was kommt bei ihm Heiligabend auf den Tisch?
Brandau: "Ich würde nie ‘ne Gans umbringen und braten und essen. Das ist ja schon fast Kannibalismus. "