Unser Land braucht eine Sicherheitsstrategie
Wen oder was wollen wir wie und warum mit militärischen Mitteln schützen? Auf diese Frage fehlt den Deutschen eine klare Antwort, sagt Elke Hoff, ehemalige Verteidigungspolitikerin der FDP. Die deutsche Sicherheitspolitik verstecke sich hinter wolkigen Grundsätzen – und dem breiten Rücken der Amerikaner.
Deutschland hat endlich ein nationales Sicherheitsinteresse: Das Handy der Kanzlerin. Für dessen Schutz nimmt die Bundesregierung sogar einen handfesten Krach mit dem amerikanischen Partner in Kauf, zumindest ein bisschen.
Altbundespräsident Köhler sah sich noch dem Vorwurf ausgesetzt, er verlasse wegen seines Bekenntnisses zu einem militärischen Schutz freier Handelswege den Boden unserer Verfassung. Jetzt schart sich Deutschland unisono um Frau Merkels angezapftes Mobiltelefon.
Endlich scheint unser Land aus dem sicherheitspolitischen Tiefschlaf zu erwachen, obwohl deutsche Politik die Bundeswehr seit Jahren in Auslandseinsätze schickt und der eigene Geheimdienst Überwachungsprogramme für das Internet entwickelt.
Plötzlich entdeckt die Öffentlichkeit: Es gibt Militärforschung
Jetzt entdeckt die Öffentlichkeit plötzlich, dass an deutschen Universitäten Militärforschung betrieben wird, die – o Schreck – von unserem größten Bündnispartner USA mitfinanziert wird. Wäre es nicht so traurig, könnte man Deutschlands Rolle in der sicherheitspolitischen Debatte des 21. Jahrhunderts nur noch belächeln.
Neue Technologien wie Internet, Speichertechnik, Satellitentechnik und unbemannte Systeme haben militärische und staatliche Überlegenheit neu definiert. Sie entziehen sich aber hartnäckig einer zuverlässigen nationalen und internationalen Kontrolle. Es geht für die Politik einfach zu schnell.
Und eines hat die Debatte über Merkels Handy gezeigt: Die wenigsten Bürger und Verbündeten wissen und verstehen, welcher strategischen Ausrichtung deutsche Sicherheitspolitik eigentlich folgt. Irgendwie möchte man sich zurückhalten und ist doch immer dabei, zumindest ein bisschen.
Es gibt die kontroverse und bei weitem nicht beendete Diskussion über den Einsatz bewaffneter "Drohnen". Es herrscht kaum Klarheit über politische Grenzen für Geheimdienste bei der Überwachung nationaler und globaler Datennetzwerke.
Und die von de Maizière angekündigte Debatte findet nicht statt, denn worauf wollte man sich dabei auch beziehen? Auf das seit 2006 in den Schubladen verschwundene "Weißbuch" zur deutschen Sicherheitspolitik? Auf Gesetze zur inneren Sicherheit, die meist nur Beamte verstehen, die sie selbst geschrieben haben?
Kaum Klarheit über politische Grenzen für Geheimdienste
Was fehlt ist eine umfassende nationale Sicherheitsstrategie für Deutschland, die auf der klaren Formulierung eigener nationaler Interessen beruht und Ausdruck nationaler Souveränität ist. Aus der sich zivile und militärische Mittel ableiten, die diese Interessen schützen. Sie würde nicht nur der Klarheit im eigenen Land dienen, sondern sie wäre Grundlage für eine zuverlässige Positionierung innerhalb von EU und NATO.
Deutschland ist zu groß und die internationalen Erwartungen an unser Land sind zu hoch, um sich weiterhin hinter dem breiten Rücken unserer amerikanischen Verbündeten oder den wolkigen Grundsätzen von NATO und EU zu verstecken. Wenn Deutschland einen sicherheitspolitischen Kompass hätte, könnte europäische und internationale Sicherheitspolitik aktiv mitgestaltet werden.
Dafür muss das Land aber erst einmal selbst wissen, wohin die Reise gehen soll. Gäbe es eine eigene Sicherheitsstrategie, wüssten unsere Partner und die steuerzahlenden Bürger endlich, was deutsche Politik unter Sicherheit versteht und was nicht. Was uns von unseren Partnern unterscheidet und was Deutschland konkret tun will, um die eigene Sicherheit und die unserer Bündnispartner zu gewährleisten.
Sicherheitspolitische Klarheit steht einer Demokratie gut zu Gesicht. Die Diskussion über eine passende Strategie ist längst überfällig.
Elke Hoff, geboren 1957 im Rheinland, verheiratet, drei erwachsene Kinder, Studium der Germanistik, Philosophie und Politik, ausgebildete Kauffrau der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft, zwei Legislaturperioden Bundestagsabgeordnete (bis Herbst 2013), in dieser Zeit Mitglied im Verteidigungsausschuss und stellvertretendes Mitglied im Auswärtigen Ausschuss sowie Sprecherin für Abrüstung und Sicherheitspolitik der FDP-Fraktion.