Peter Zudeick, geboren 1946, aufgewachsen in Solingen, promovierte in Philosophie und arbeitete als Korrespondent in Bonn und dann in Berlin. Buchveröffentlichungen u.a. "Der Hintern des Teufels. Ernst Bloch - Leben und Werk", "Alternative Schulen" und "Tschüss, ihr da oben. Vom baldigen Ende des Kapitalismus".
Mit Rechten zu reden, hat auch Grenzen
Viele, die faschistisches Vokabular benutzen, beklagen sich über den Gegenwind, den sie dann bekommen. Wo verläuft die Linie zwischen rechter Meinung, über die wir reden sollten, und bloßen Provokationen? Der Journalist Peter Zudeick hat dazu eine klare Haltung.
Das erste Problem scheint auch gleich das schwierigste zu sein: Nämlich die Definition dessen, was denn "rechts" sei. Jedenfalls geht da in den gegenwärtigen Debatten einiges durcheinander. Nehmen wir die einfache Variante, die aus dem Oberstufen-Leistungskurs Politik: Rechts heißt der Glaube an vermeintlich "natürliche" oder von Gott gegebene Ordnungen auch in der Gesellschaft, an Hierarchien, an ein gesetzmäßiges Oben und Unten, an eine der Ungleichheit der Menschen innewohnende höhere oder niedrigere Wertigkeit. Und die daran häufig angekoppelte Ablehnung alles "Fremden".
Über all das lässt sich völlig problemlos reden. Zum Beispiel mit den Verfassern des "konservativen Manifests", die jetzt den Druck in der Union auf Kanzlerin Merkel erhöhen wollen. Ehe und Familie und das Leitbild "Vater, Mutter, Kind" sind danach die wesentlichen Grundlagen der Gesellschaft. Darüber muss man sich nicht aufregen, sondern man muss darüber streiten.
Gejammer mit Diskurs verwechselt
Auch mit den Autoren der "Gemeinsamen Erklärung 2018", die inzwischen einige zehntausend Unterschriften gesammelt haben. Die "illegale Masseneinwanderung", heißt es da, schädige Deutschland. Und man solidarisiere sich mit denen, die für die Wiederherstellung der "rechtsstaatlichen Ordnung" an unseren Grenzen demonstrieren. Man kann, ja man muss darüber reden, ob von einer Masseneinwanderung noch die Rede sein kann, ob die rechtsstaatliche Ordnung tatsächlich außer Kraft gesetzt ist.
Ja, wenn sie nur mit sich reden lassen würden. Denn es werden ja immer mehr, die unentwegt beklagen, dass sie nicht zu Wort kommen, dass man ihnen nicht zuhört, dass sie in die rechte Ecke gedrängt werden, und die dieses Gejammer mit Diskurs verwechseln. Der Fall Uwe Tellkamp ist ein Beispiel dafür.
Tellkamp leidet darunter, dass in diesem Land Meinungen geduldet werden. "Nur" geduldet, sagt er. Aber wer sich öffentlich äußert, muss mit Widerspruch rechnen. Und kann wiederum dem Widerspruch widersprechen. So was nennt man Debattenkultur. Weil Tellkamp aber Widerspruch offenbar nicht aushält, spricht er von "Gesinnungsdiktatur". Vermutlich weil ihm Nähe zur AfD und zu Pegida vorgehalten wird. Aber wer behauptet, dass 95 Prozent der Flüchtlinge keine Flüchtlinge sind, also nicht vor Krieg und Verfolgung fliehen, sondern nur "in die Sozialsysteme einwandern" wollen, redet wie ein Pegida-Redner. Er wird also nicht in die rechte Ecke "gedrängt", wie er meint, sondern er hat sich da reingekuschelt. Darüber müsste er mit sich reden lassen. Aber er hat sich in die Schmollecke zurückgezogen.
Ulrich Greiner hat in der "Zeit" versucht, uns das zu erklären. Autoren wie Tellkamp und seinerzeit Sarrazin möchten "als seriöse Gesprächspartner wahrgenommen werden" und würden nur "verächtlich gemacht" und "abqualifiziert", schreibt Greiner. Nur: Wer ein "seriöser" Gesprächspartner sein will, darf nicht von "Kopftuchmädchen" reden und allerlei fremdenfeindliche Klischees bedienen wie Sarrazin und darf keine offensichtlich unsinnigen Behauptungen aufstellen wie Tellkamp.
Begriffe, die aus einem bestimmten Umfeld stammen
Rüdiger Safranski hat kürzlich in einem "Spiegel"-Interview erklärt, es gebe keine Pflicht zur Fremdenfreundlichkeit. Da hat er Recht. Man darf in diesem Lande fremdenfeindlich sein, man darf auch seine Schwiegermutter hassen und seine Lehrer, man darf "Merkel muss weg" rufen und Einwanderung scheußlich finden. Wer aber sagt: "Die Politik hat die Entscheidung getroffen, Deutschland zu fluten", wie Safranski das getan hat, muss wissen, dass er nicht nur Ressentiments bedient, sondern auch ein Vokabular benutzt, dass nahe an faschistischem Sprachgebrauch ist. Man kann so was auch Hetze nennen.
Genauso lässt sich darüber reden. Anstatt sich nur aufzuregen, wozu manche Kolleginnen und Kollegen neigen. Auch über Begriffe wie "Umvolkung" und Bevölkerungsaustausch kann man reden. Immer in dem Sinne: Wisst ihr, was ihr da redet, in welches Umfeld ihr euch damit begebt?
Dass nicht nur die Bundesregierung, sondern die gesamte politische Klasse die Abschaffung des deutschen Volkes planen und längst schon durchführen, dass alle Medien Teil dieses Komplotts sind, dass die Scharia schon längst in Deutschland herrscht, also all das Zeug, das in Pegida- und vergleichbaren Kreisen zum "guten" Ton gehört, darüber kann allerdings nicht mehr geredet werden. Mit Rechten reden hat eben auch Grenzen.