"Achtung! Die nächsten fünf Minuten werden politisch nicht korrekt! Ich bin nämlich der Meinungen, dass Israel. Und die Schwulen. Da muss ich offen und ehrlich sagen, auch wenn das jetzt vielen nicht gefallen wird, den Islam als solchen, da sind die politisch Korrekten anderer Meinung, aber das wird man ja wohl noch sagen dürfen, mir ist vor allem Frieden wichtig."

Na, haben Sie sich gedacht: Endlich sagt's mal einer? Ja? Dann lade ich Sie ein! Falten Sie ein Aluhütchen und stellen Sie sich zu anderen Unbeugsamen und demonstrieren! Lassen Sie sich von denen da oben nicht den Mund verbieten!

Wir Mainstream-Menschen dagegen können es nicht mehr hören. Dieses Berauschen an der selbst attestierten politischen Unkorrektheit, dieses begeisterte Erklettern von Barrikaden aus Halbwahrheiten. Gibt es denn staatliche Meinungsverbote in Deutschland? Klar doch! Verboten sind: Holocaustleugnung und Volksverhetzung. Wenn sich dadurch jemand in seiner Meinungsfreiheit eingeschränkt fühlt, hat das einen Grund: Er ist ein Idiot.

Es gibt keine politische Korrektheit. Es gibt Mainstream-Meinungen, die teilt die Mehrheit der Bevölkerung und die sind Unsinn, ja. "Wachstum schafft Arbeitsplätze", "die Banker sind am Kapitalismus Schuld" und die Russen sowieso an allem. Das wird von vielen Journalisten nachgeplappert. Das nervt, hat aber nichts mit politischer Korrektheit zu tun, sondern mit dem Gegenteil: Das passiert, wenn Journalisten unpolitisch sind und nicht korrekt arbeiten.

Aber es gibt kein Tabu. Man kann ja sagen, dass Deutschland islamisiert wird. Oder zu viele Flüchtlinge aufnimmt. Man kann sogar sagen: Die meisten Ausländer sind kriminell. Man muss aber auch damit klarkommen, dass andere erwidern: Das ist Blödsinn. Das muss man aushalten können. Oder man ist beleidigt und tröstet sich mit der Vorstellung, dass die Gegner sich verschworen haben. "Die Lügenpresse will mir meine Meinung verbieten." Nein, dein Verstand will Dir Deine Meinung verbieten.

Nicht alles, was niemand ausspricht, ist richtig. Und nicht alles, was unbequem ist, ist auch wahr. Und wenn die Wahrheit manchmal unbequem ist, dann zum Beispiel deswegen: Da, wo die wenigsten Ausländer wohnen, ist der Fremdenhass am größten. Diejenigen, die sagen, dass Ausländer die Arbeitsplätze wegnehmen sind die gleichen, die sagen, dass sie uns auf der Tasche liegen.

Hach, alles so kompliziert. Früher, als Kind, war alles einfach. "Ich mag: Pizza und Toben und Rechthaben. Was ich nicht mag: Spinat und Krieg und Nichtrechthaben." Wenn man groß wird, ist diese Grundeinstellung – "Ich habe Recht und alle anderen nicht" – peinlich. Vor allem, wenn man sie für besonders originell hält. Thilo Sarrazin hat Bücher an Leute verkauft, die überzeugt waren, gegen den Mainstream zu sein. Das erste Buch ist mehr als eine Million Mal verkauft worden. Thilo Sarrazin ist so sehr Untergrund wie Helene Fischer.

Deshalb, ihr Pseudo-Unkorrekten, legt den Aluhut beiseite. Seid doch mal Mainstream – das ist jetzt super-individuell! Mainstream bedeutet zum Beispiel: Recht haben wollen, nicht Recht bekommen, nochmal neu probieren. Versucht es doch mal! Ihr werdet Euch wundern, wie schwer man es damit hat.

Till Reiners, Jahrgang 1985, ist Kabarettist. Sein Programm 2015 heißt "Auktion Mensch". Für "Da bleibt uns nur die Wut" wurde er seit 2012 mit fünf Kabarettpreisen ausgezeichnet, unter anderem dem Stuttgarter Besen und der St. Ingberter Pfanne. Hervorgehoben wurden seine "analytische Schärfe und gewandte Wortgewalt". Vor seiner Bühnenkarriere studierte Till Reiners Politikwissenschaften in Trier. Seine Soloauftritte sind im gesamten deutschsprachigen Raum zu sehen. Weitere Informationen dazu sowie Videos von Auftritten: www.tillreiners.de