Meister der Sprachlandschaft
"Grande Sertao" heißt der berühmteste Roman von Joao Guimaraes Rosa. Das nach einer Landschaft in Brasilien benannte Werk eröffnet zugleich eine große, poetische Sprachlandschaft und wurde daher zum Jahrhundertroman. Neben Gabriel Garcia Marquez gilt Rosa als wichtigster Vertreter der für ihren magischen Realismus berühmten südamerikanischen Literatur.
Einmal hat João Guimaraes Rosa sein Geheimnis verraten:
"Ich schrieb das Buch, als ich glaubte, sterben zu müssen. Meinen Sertao sollte ich verlassen?"
Das Buch, 1956 erschienen, hießt "Grande Sertao«, ein - in der deutschen Über-setzung - 556-Seiten-Roman, der als Sprachlandschaft von der Kritik gleichran-gig neben den "Ulysses« von James Joyce gestellt wurde und den brasiliani-schen Schriftsteller weltberühmt machte. Die wirkliche Landschaft Sertao findet sich im Inneren des nordöstlichen Brasiliens.
"Der Sertao ist leicht zu erkennen. Er ist überall da, wo die Weiden keine Zäu-ne haben, wo einer 15 Leguas durchhetzen kann, ohne auf eine einzige Behau-sung zu stoßen, wo ein Totschläger seinen Stiefel herunterleben kann, weit weg vom Arm des Gesetzes."
Diese etwas ausgedörrte Landschaft erblüht in Rosas Roman und gewinnt als Raum große innere Weite mit einem strahlenden Licht darüber. Magie ist im Spiel, und als Magier der Sprache hat Rosa sich auch immer verstanden - seine Literatur ist der Versuch, das "dritte" Ufer eines Flusses zu beschreiben, einen Bereich im Menschen, der als Wildnis für ihn noch nicht genug erforscht war.
Sobald Rosa sich diesem Bereich nähert, spielt er auf wunderlich-suggestive Weise mit der Sprache und entlockt ihr die ungewöhnlichsten Töne und Bilder. Das ist, nach Rosas Worten, eine Welt "fast an der Mündung der Winde". Ein Zauberreich, in dem Rosa mit seinem magischen Realismus, als dessen kühns-ter südamerikanischer Vertreter er neben Gabriel Garcia Marquez galt, Wirkli-ches und Unwirkliches. Gegenwart und Vergangenheit überblendete und die erstarrte Welt der Dinge zum Tanzen brachte. Er wolle alles, hat Rosa bekannt,
"die Sprache des Mineiro, des Brasilianers, des Portugiesen, ich will das La-teinische, vielleicht sogar die Eskimo-Sprache und die Sprache der Tataren. Wir brauchen neue Wörter."
Bei aller welthaltigen Eleganz seiner Kunst ist Rosa aber immer auch ein bo-denständiger Mensch geblieben. Geboren am 27. Juni 1908 in dem, wie er sag-te, "traurigschönen" kleinen Ort Cordisburgo im Bundesland Minas Gerais. Der Junge galt als so talentiert, dass er sich schon mit 16 Jahren in der medizini-schen Fakultät der Universität von Minas Gerais einschreiben konnte. Er arbei-tete später als Arzt unter anderem in Itaguara und nutzte die Freizeit, um die Landschaft des Sertao auszukundschaften.
Damals nahm er das Schreibmaterial seiner späteren Bücher auf. Denn schrei-ben wollte Rosa immer, wenn er auch lange neben seiner Arzttätigkeit im dip-lomatischen Dienst Brasiliens arbeitete, zum Beispiel in der Zeit des National-sozialismus im Hamburger Konsulat und nach 1945 als Abteilungsleiter im bra-silianischen Außenministerium. Nebenbei schrieb er seine Bücher, Romane und Erzählungsbände wie "Sagarana" oder "Mein Onkel, der Jaguar". Literatur als Versuch, der für Rosa immer oberflächlicher werdenden Welt die Würde und Dichte ihrer Fremdheit wiederzugeben.
"Mein Zweifeln gilt der wahrnehmbaren augenscheinlichen Wirklichkeit."
Folglich verkündete er:
"Wenn jemand schon von Gesehenem gehört hat, niemand hat das Gehörte gesehen."
Wissend, dass es keinen verrückten Menschen gibt -
"oder alle sind verrückt - "
erfand er die verrücktesten Geschichten, um zu zeigen, was Menschen ins Le-ben hineintreibt. Im letzten Grund war es ein Spieltrieb, der Rosa selber antrieb und ihn den Zauber der Welt beschreiben und auch erfinden ließ, gesehen in einer Pfütze oder dem glitzernden Licht über der Landschaft des Sertao. Aber mit der Magie seiner Schreibkunst konnte er wirkliches Licht auch in erinnertes Licht verwandeln und dieses "erinnerte Licht" mit einem neuen und immer auch alten Wort beschreiben, zum Beispiel dem Wort Liebe.
Dabei war dieser Magier vom anderen Ufer zugleich ein großer Realist. Er woll-te kein "Gefangener von Eingebungen" sein und verachtete Leute, die "Sorbet mit Nirwana" verwechseln. Privat war dieser großgewachsene Mann mit der dicken Brille zu manchem Spaß aufgelegt und wollte sich die Freude auch in seiner Theorie nicht nehmen lassen:
"Das Leben muss auch gelesen werden. Nicht buchstäblich, aber in seinem Über-Sinn. Und wir lesen es bis jetzt nur in verdrehten Linien. Und plötzlich merken wir, dass wir lachen. Man denke an Plato, von dem wir das Höhlen-gleichnis haben.
Ausgeschrieben fühlte sich Joao Guimaraes Rosa nie. Er habe noch Stoff für manches Buch in sich, erzählte er gern. Ein früher Tod, 1967, im Alter von 59 Jahren, hat diese Bücher, die viele Menschen auf der Welt gerne noch gelesen hätten, vereitelt.
"Ich schrieb das Buch, als ich glaubte, sterben zu müssen. Meinen Sertao sollte ich verlassen?"
Das Buch, 1956 erschienen, hießt "Grande Sertao«, ein - in der deutschen Über-setzung - 556-Seiten-Roman, der als Sprachlandschaft von der Kritik gleichran-gig neben den "Ulysses« von James Joyce gestellt wurde und den brasiliani-schen Schriftsteller weltberühmt machte. Die wirkliche Landschaft Sertao findet sich im Inneren des nordöstlichen Brasiliens.
"Der Sertao ist leicht zu erkennen. Er ist überall da, wo die Weiden keine Zäu-ne haben, wo einer 15 Leguas durchhetzen kann, ohne auf eine einzige Behau-sung zu stoßen, wo ein Totschläger seinen Stiefel herunterleben kann, weit weg vom Arm des Gesetzes."
Diese etwas ausgedörrte Landschaft erblüht in Rosas Roman und gewinnt als Raum große innere Weite mit einem strahlenden Licht darüber. Magie ist im Spiel, und als Magier der Sprache hat Rosa sich auch immer verstanden - seine Literatur ist der Versuch, das "dritte" Ufer eines Flusses zu beschreiben, einen Bereich im Menschen, der als Wildnis für ihn noch nicht genug erforscht war.
Sobald Rosa sich diesem Bereich nähert, spielt er auf wunderlich-suggestive Weise mit der Sprache und entlockt ihr die ungewöhnlichsten Töne und Bilder. Das ist, nach Rosas Worten, eine Welt "fast an der Mündung der Winde". Ein Zauberreich, in dem Rosa mit seinem magischen Realismus, als dessen kühns-ter südamerikanischer Vertreter er neben Gabriel Garcia Marquez galt, Wirkli-ches und Unwirkliches. Gegenwart und Vergangenheit überblendete und die erstarrte Welt der Dinge zum Tanzen brachte. Er wolle alles, hat Rosa bekannt,
"die Sprache des Mineiro, des Brasilianers, des Portugiesen, ich will das La-teinische, vielleicht sogar die Eskimo-Sprache und die Sprache der Tataren. Wir brauchen neue Wörter."
Bei aller welthaltigen Eleganz seiner Kunst ist Rosa aber immer auch ein bo-denständiger Mensch geblieben. Geboren am 27. Juni 1908 in dem, wie er sag-te, "traurigschönen" kleinen Ort Cordisburgo im Bundesland Minas Gerais. Der Junge galt als so talentiert, dass er sich schon mit 16 Jahren in der medizini-schen Fakultät der Universität von Minas Gerais einschreiben konnte. Er arbei-tete später als Arzt unter anderem in Itaguara und nutzte die Freizeit, um die Landschaft des Sertao auszukundschaften.
Damals nahm er das Schreibmaterial seiner späteren Bücher auf. Denn schrei-ben wollte Rosa immer, wenn er auch lange neben seiner Arzttätigkeit im dip-lomatischen Dienst Brasiliens arbeitete, zum Beispiel in der Zeit des National-sozialismus im Hamburger Konsulat und nach 1945 als Abteilungsleiter im bra-silianischen Außenministerium. Nebenbei schrieb er seine Bücher, Romane und Erzählungsbände wie "Sagarana" oder "Mein Onkel, der Jaguar". Literatur als Versuch, der für Rosa immer oberflächlicher werdenden Welt die Würde und Dichte ihrer Fremdheit wiederzugeben.
"Mein Zweifeln gilt der wahrnehmbaren augenscheinlichen Wirklichkeit."
Folglich verkündete er:
"Wenn jemand schon von Gesehenem gehört hat, niemand hat das Gehörte gesehen."
Wissend, dass es keinen verrückten Menschen gibt -
"oder alle sind verrückt - "
erfand er die verrücktesten Geschichten, um zu zeigen, was Menschen ins Le-ben hineintreibt. Im letzten Grund war es ein Spieltrieb, der Rosa selber antrieb und ihn den Zauber der Welt beschreiben und auch erfinden ließ, gesehen in einer Pfütze oder dem glitzernden Licht über der Landschaft des Sertao. Aber mit der Magie seiner Schreibkunst konnte er wirkliches Licht auch in erinnertes Licht verwandeln und dieses "erinnerte Licht" mit einem neuen und immer auch alten Wort beschreiben, zum Beispiel dem Wort Liebe.
Dabei war dieser Magier vom anderen Ufer zugleich ein großer Realist. Er woll-te kein "Gefangener von Eingebungen" sein und verachtete Leute, die "Sorbet mit Nirwana" verwechseln. Privat war dieser großgewachsene Mann mit der dicken Brille zu manchem Spaß aufgelegt und wollte sich die Freude auch in seiner Theorie nicht nehmen lassen:
"Das Leben muss auch gelesen werden. Nicht buchstäblich, aber in seinem Über-Sinn. Und wir lesen es bis jetzt nur in verdrehten Linien. Und plötzlich merken wir, dass wir lachen. Man denke an Plato, von dem wir das Höhlen-gleichnis haben.
Ausgeschrieben fühlte sich Joao Guimaraes Rosa nie. Er habe noch Stoff für manches Buch in sich, erzählte er gern. Ein früher Tod, 1967, im Alter von 59 Jahren, hat diese Bücher, die viele Menschen auf der Welt gerne noch gelesen hätten, vereitelt.