Meister des Sublimen

Von Claudia Cosmo |
Dass sich der Kultregisseur David Lynch auch als Maler und Fotograf betätigt, wissen die wenigsten. Die Schau "David Lynch Dark Splendor- Raum Bilder Klang" im Max Ernst-Museum in Brühl ist die erste, die ihn als bildenden Künstler in Deutschland präsentiert.
David Lynch: "Wie viele andere auch, habe ich schon als Kind gezeichnet und gemalt. Das erschien mir ganz natürlich. Und aus der Malerei entwickelte sich meine Filmarbeit. Diese Ideen führen in unterschiedliche Welten. Aber auf eine gewisse Art und Weise ist beides eng miteinander verwoben. Gelegentlich habe ich dann Fotos, Zeichnungen und Malerei ausgestellt. Aber erst mit der Ausstellung in der Pariser Fondation Cartier vor zwei Jahren wurde diese Sache größer. Diese Ausstellung jetzt hier im Max Ernst Museum ist ein weiterer Schritt. Und ich bin von allem sehr überrascht!"

David Lynch macht es nichts aus, dass man ihn bisher mehr als Filmregisseur denn als bildenden Künstler wahrgenommen hat. Aber Lynchs Leinwände, Zeichnungen, Aquarelle, Fotografien und Installationen ähneln seinen cineastischen Sujets. Lynch bleibt immer ein Meister des Sublimen und Surrealen.

Der 63-Jährige interessiert sich auch als bildender Künstler für das Unaussprechbare der menschlichen Existenz, eben für jene Aspekte des Seins, denen man vielleicht nur im Traum begegnet. Nicht nur aus diesem Grund, meint der Mitkurator und Surrealismus- Experte Werner Spies, sind die 150 sphärischen Arbeiten von David Lynch gut im Max Ernst Museum aufgehoben:

"Es sind sicher Motive, die mit Surrealismus, die mit Max Ernst zu tun haben. Aber die einfach so in die heutige Welt passen, in die Welt, die Lynch erlebt! Und die Welt von Hollywood! Das Fiktive! Er quält sich über diese Möglichkeit, in einer falschen Welt zu leben. Aber es gibt auch viel Technisches in seinem Werk, was großartig in die Kunst des 20. Jahrhunderts und in die heutige Zeit passt."

So erinnern David Lynchs Schwarz-Weiß-Fotografien aus dem Jahr 2004 an die Papierarbeiten Max Ernsts. Auch David Lynch arbeitet mit dem Mittel der Collage und inszeniert in bizarren Überblendungen menschliche Beine an Parkbänken oder lässt nackte Frauenkörper in einsamen Räumen schweben.

Der amerikanische Künstler hat seiner Schau den Titel "Dark Splendor- Dunkle Pracht" gegeben. In der Tat spielt das Dunkle, die Farbe Schwarz eine große Rolle. Sie wird auf den großformatigen Leinwänden, auf den Lithografien und Zeichnungen als Tor zu einer anderen Welt eingesetzt. Dabei gelingt es Lynch, dass seine Vision von Dunkelheit die anderen Farben nicht verschluckt. Sein Schwarz stellt eine Antwort dar.

David Lynch: "Schwarz ist superwichtig! Es gibt diese tiefe Dunkelheit, die das Unbekannte umschließt. Und ich mochte schon immer den Gedanken, dass wir eine Form von Dunkelheit sehen, uns darauf zubewegen und eintreten wollen. Wir fragen uns, was da drin ist. Das ist ganz schön magisch!"

In einer dreidimensionalen Rauminstallation kann man dieser Magie nachspüren. Es ist ein rätselhafter, mit bunten Farbmustern gestalteter Raum, dem man auch in David Lynchs Filmen begegnen kann. Genauso wie die Figur des Aquarells "Man reaching" streckt man beim Betreten der Rauminstallation die Arme aus und sucht und tastet, obwohl es auf den ersten Blick nicht dunkel ist. Doch bei Lynch ist das Dunkel auch sphärisch und als innere Befindlichkeit gemeint.

Um einen atmosphärischen Raum herzustellen, kombiniert David Lynch unterschiedliche Techniken. So verbindet er auf der Leinwand "Well..I can dream, can`t I" pixelhafte Fotostruktur mit Malerei. Auf dem Bild ist eine mit Knetmasse modellierte Figur auf einem Sofa zu erkennen, die sich im Raum zu behaupten versucht.

David Lynch: "Sie sind alle verschieden! Verschiedene Dinge in verschiedenen Räumen. Und Räume sind eine schöne Sache, über die man nachdenken kann. Denken sie mal an all die Räume in der Welt und was in ihnen passiert. Und einige von ihnen wären großartige Gemälde."

Lynchs Affinität für die Psychologie des Raumes und für Figuren mit aufgerissenen Mündern lässt ganz klar den irischen Maler Francis Bacon als Inspirationsquelle erkennen. So ist auf der ganz neuen Leinwand "Pete goes to his girlfriend's house" ein Mann mit aufgerissenem Mund zu erkennen, der mit einer Pistole auf eine Frauenfigur in rotem Kleid zugeht, die hinter einem herangezoomt wirkendem Fenster steht.

Alle Exponate im Max Ernst Museum sind als Inszenierungen zu verstehen. Lynchs Leinwände, Fotos und Zeichnungen wirken wie Theaterbühnen, das unterschiedliche Arbeitsmaterial wie Bühnenstaffage.

Werner Spies: "David Lynch geht es doch in seinen Filmen darum, uns immer wieder mit unangenehmen Situationen, unangenehmen Objekten in Beziehung zu setzen, dass er einem einen Schrecken einjagt, was die Surrealisten `l`objet désagréable` nennen."

Doch ist das beeindruckende bildnerische Werk des Regisseurs nicht als Fortsetzung seiner Kinofilme zu verstehen. Es ist autark.

In David Lynchs Film "Mulholland Drive" fällt einmal der Satz: "No hay banda!" Es gibt gar keine Musikband. Diese Erkenntnis könnte man als allumfassenden Leitsatz des Künstlers David Lynch ansehen: Wenn man will, ist nicht nur das Sichtbare erkennbar.

David Lynch: "`No hay banda` ist ein kosmischer Satz! Darüber kann man lange reden. Menschen, die sich an tiefgründigen Orten aufhalten, verstehen, was es damit auf sich hat."