Meisterwerke der Frührenaissance
Das Bucerius Kunst Forum Hamburg stellt in der Ausstellung "Die Erfindung des Bildes" Mensch und Natur in der Frührenaissance dar. Die Schau dokumentiert anhand charakteristischer Werke die Entstehung der neuzeitlichen Malerei.
Wirkt auch der Titel der Ausstellung auf den ersten Blick wie das übliche Werbe-Tamtam, ist er in diesem Fall doch nicht zu hoch gegriffen. Denn die Umwälzungen, die sich in der italienischen Gesellschaft des 14. Jahrhunderts ereigneten und ihren bleibenden Ausdruck in der Literatur und der bildenden Kunst fanden, kamen durchaus einer Zeitenwende in der abendländischen Kultur gleich.
Philipp: "Das fängt schon mit Dante an, mit Petrarca als zweitem großen Namen fingen die Menschen an, sich als Individuen zu begreifen, das eigene Erleben zu bewerten, das Naturverständnis, und spätestens ab 1400 entwickelte sich eine Diesseitsbejahung, und die Bürger, namentlich die in Florenz, waren von Stolz und Selbstbewusstsein erfüllt und beschäftigten sich mit der Antike, wo es eine ganz ausgeprägte Diesseitsfreude gab, und diese Gegenwartsorientierung führte dazu, dass die Menschen in den Bildern ihre eigene Lebenswirklichkeit wiedererkennen wollten,"
berichtet der Kunsthistoriker Michael Philipp, der diese ambitionierte Ausstellung kuratiert hat. Die neuen Bürgergesellschaften der Dantezeit in den zu Reichtum gelangten italienischen Stadtstaaten wie Florenz oder Siena waren die Schöpfer jenes bürgerlichen Kunstverständnisses, das Europa bis in das 20. Jahrhundert geprägt hat.
So grundlegend, dass schließlich sogar historische Epochen nach Kunstepochen benannt wurden - und so lassen sich die kostbaren Madonnen und Heiligenbilder in dieser Ausstellung, die einem Laien auf den ersten Blick mittelalterlich erscheinen, plötzlich mit dem Blick der Moderne, ja der Gegenwart, zu ganz neuem Leben erwecken.
Philipp: "Der Goldgrund, der ja noch aus den byzantinischen Ikonen stammt, dieser Goldgrund verschwand zugunsten einer Räumlichkeit, der Heiligenschein wurde immer dezenter gestaltet, die Figuren gewannen eine Körperlichkeit und eine Annäherung an reale Personen und die Darstellung auf den Bildern wurde immer ausführlicher, immer erzählerischer."
Das neue, selbstbewusste Bürgertum hatte bereits im Spätmittelalter begonnen, sich von den abstrakten Glaubensregeln der in zahllose machtpolitische Intrigen verstrickten römischen Kurie abzuwenden. Abschriften von Mystikerpredigten kursierten damals in den gebildeten Kreisen als eine Art religiöser Bückware, die, in fast schon lutheranischer Manier, eine höchst individuelle Offenbarung Gottes predigten und dafür zugleich auch neue Bilder entwarfen anstelle der alten, starren Madonnenbildnisse auf Goldgrund.
Und so begann sich über den Weg von Privatkapellen und kleinen Hausaltären eine rebellische Individualspiritualität durchzusetzen – und die Künstler entdeckten plötzlich ihre neue Aufgabe, das Göttliche im Gewöhnlichen, im Irdischen darzustellen und die Kunst zur Mittlerin von Gott und Mensch zu machen.
Philipp: "Sie hatten schon dieses Selbstbewusstsein, was sie auch als Vermittler des Ewigen und des Jenseitigen oder auch bei säkularen Porträts als Verfestiger des Ruhmes der dargestellten Persönlichkeiten auswies, und dieses Selbstbewusstsein, das prägte schon auch ihre Haltung."
So lässt sich in dieser Ausstellung, die auf die einzigartige Sammlung des Lindenau Museums im thüringischen Städtchen Altenburg zurückgeht, ein eindrucksvoller erzählerischer Parcours von künstlerischer Neu- und Selbsterfindung abschreiten: Vom dienenden Handwerker, der nach strengen religiösen Vorgaben die Heilsgeschichte darstellt und doch schon Ansatzweise aus der starren Ordnung auszubrechen versucht wie ein Guido da Siena in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, also noch vor Giotto.
Zum einen die flächigen, wie schematisch dargestellten Szenen, in der sich Ansätze einer bewegten, aktionsreichen Figurenerzählung andeuten; über das kurios anmutende Madonnenbild von Liberale da Verona, das sage und schreibe zwei Jahrhunderte nach Guido da Sienas Altartafeln entstand und doch immer noch mittelalterlich auf Goldgrund daherkommt, zum anderen aber eine derart zärtliche und hingegebene Umarmung von Maria und Jesuskind herbeizaubert, als sähen wir hier einen direkten Vorgänger Raffaels.
Schließlich als eine Art Gipfelpunkt dieser Erzählung Luca Signorellis Szenen aus dem Leben Christi, die so dramatisch bewegt und mit so viel nackter Haut und anatomischem Feinsinn inszeniert sind, dass man eher an ein antikes Mysterienspiel denken würde, wäre da nicht die wiedererkennbare christliche Ikonografie. Und es war Giorgio Vasari vorbehalten, dem großen Künstlerbiografen des 16. Jahrhunderts, aus dieser Entwicklung einen uns noch heute seltsam vertraut anmutenden Genie- und Fortschrittsbegriff zu kondensieren.
Philipp: "Das fängt schon mit Dante an, mit Petrarca als zweitem großen Namen fingen die Menschen an, sich als Individuen zu begreifen, das eigene Erleben zu bewerten, das Naturverständnis, und spätestens ab 1400 entwickelte sich eine Diesseitsbejahung, und die Bürger, namentlich die in Florenz, waren von Stolz und Selbstbewusstsein erfüllt und beschäftigten sich mit der Antike, wo es eine ganz ausgeprägte Diesseitsfreude gab, und diese Gegenwartsorientierung führte dazu, dass die Menschen in den Bildern ihre eigene Lebenswirklichkeit wiedererkennen wollten,"
berichtet der Kunsthistoriker Michael Philipp, der diese ambitionierte Ausstellung kuratiert hat. Die neuen Bürgergesellschaften der Dantezeit in den zu Reichtum gelangten italienischen Stadtstaaten wie Florenz oder Siena waren die Schöpfer jenes bürgerlichen Kunstverständnisses, das Europa bis in das 20. Jahrhundert geprägt hat.
So grundlegend, dass schließlich sogar historische Epochen nach Kunstepochen benannt wurden - und so lassen sich die kostbaren Madonnen und Heiligenbilder in dieser Ausstellung, die einem Laien auf den ersten Blick mittelalterlich erscheinen, plötzlich mit dem Blick der Moderne, ja der Gegenwart, zu ganz neuem Leben erwecken.
Philipp: "Der Goldgrund, der ja noch aus den byzantinischen Ikonen stammt, dieser Goldgrund verschwand zugunsten einer Räumlichkeit, der Heiligenschein wurde immer dezenter gestaltet, die Figuren gewannen eine Körperlichkeit und eine Annäherung an reale Personen und die Darstellung auf den Bildern wurde immer ausführlicher, immer erzählerischer."
Das neue, selbstbewusste Bürgertum hatte bereits im Spätmittelalter begonnen, sich von den abstrakten Glaubensregeln der in zahllose machtpolitische Intrigen verstrickten römischen Kurie abzuwenden. Abschriften von Mystikerpredigten kursierten damals in den gebildeten Kreisen als eine Art religiöser Bückware, die, in fast schon lutheranischer Manier, eine höchst individuelle Offenbarung Gottes predigten und dafür zugleich auch neue Bilder entwarfen anstelle der alten, starren Madonnenbildnisse auf Goldgrund.
Und so begann sich über den Weg von Privatkapellen und kleinen Hausaltären eine rebellische Individualspiritualität durchzusetzen – und die Künstler entdeckten plötzlich ihre neue Aufgabe, das Göttliche im Gewöhnlichen, im Irdischen darzustellen und die Kunst zur Mittlerin von Gott und Mensch zu machen.
Philipp: "Sie hatten schon dieses Selbstbewusstsein, was sie auch als Vermittler des Ewigen und des Jenseitigen oder auch bei säkularen Porträts als Verfestiger des Ruhmes der dargestellten Persönlichkeiten auswies, und dieses Selbstbewusstsein, das prägte schon auch ihre Haltung."
So lässt sich in dieser Ausstellung, die auf die einzigartige Sammlung des Lindenau Museums im thüringischen Städtchen Altenburg zurückgeht, ein eindrucksvoller erzählerischer Parcours von künstlerischer Neu- und Selbsterfindung abschreiten: Vom dienenden Handwerker, der nach strengen religiösen Vorgaben die Heilsgeschichte darstellt und doch schon Ansatzweise aus der starren Ordnung auszubrechen versucht wie ein Guido da Siena in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, also noch vor Giotto.
Zum einen die flächigen, wie schematisch dargestellten Szenen, in der sich Ansätze einer bewegten, aktionsreichen Figurenerzählung andeuten; über das kurios anmutende Madonnenbild von Liberale da Verona, das sage und schreibe zwei Jahrhunderte nach Guido da Sienas Altartafeln entstand und doch immer noch mittelalterlich auf Goldgrund daherkommt, zum anderen aber eine derart zärtliche und hingegebene Umarmung von Maria und Jesuskind herbeizaubert, als sähen wir hier einen direkten Vorgänger Raffaels.
Schließlich als eine Art Gipfelpunkt dieser Erzählung Luca Signorellis Szenen aus dem Leben Christi, die so dramatisch bewegt und mit so viel nackter Haut und anatomischem Feinsinn inszeniert sind, dass man eher an ein antikes Mysterienspiel denken würde, wäre da nicht die wiedererkennbare christliche Ikonografie. Und es war Giorgio Vasari vorbehalten, dem großen Künstlerbiografen des 16. Jahrhunderts, aus dieser Entwicklung einen uns noch heute seltsam vertraut anmutenden Genie- und Fortschrittsbegriff zu kondensieren.