Mekka der Joystick-Helden
Europas größte Computerspielmesse, die Games Convention in Leipzig, ist eine echte Erfolgsstory: Zur dritten Auflage werden mehr als 110.000 Gäste erwartet. Dass es neben Ballerei und Lara Croft auch familienfreundlicher zugehen kann, zeigen einige engagierte Medienpädagogen mit ihren Adventure-Spielen.
So stellt man ihn sich wohl vor, den Erlebnisbereich auf Europas größer Computerspielmesse, der Games Convention - als Kino mit Riesenflachbildschirm und krachendem Dolby Suround Sound. Auch wenn sich das Klangerlebnis hier, bei der neuesten Version von King Kong, doch arg reduziert auf Kugel-Klirren, Dinosaurier-Donnern, Gorilla-Grunzen.
Bei der dritten Auflage der Leipziger Erfolgsmesse ist noch einmal alles größer geworden: 110.000 Gäste werden erwartet und damit zum ersten Mal mehr Besucher als zur Buchmesse. Das junge Volk strömt also trotz Hartz IV und wirtschaftlicher Stagnation zuverlässig.
In Deutschland wurde im ersten Halbjahr für fast eine halbe Milliarde Euro Spielesoftware verkauft - ein Zuwachs um 15 Prozent! So hat sich auch die Ausstellungsfläche um die Hälfte auf nun 80.000 Quadratmeter vergrößert und keiner der Großen lässt die Messe mehr aus. Manch fleischgewordene Computer-Legende lässt den Besuchern den Atem stocken:
"Mein Name ist Diana, alias Lara Croft. Von Lara gibt es viel Neues: Sie ist beweglicher. Sie ist impulsiver, sie einfach menschlicher geworden… Die Kiddies wollen von mir wissen, wie bist du in Teil 3 aus der Höhle raus gekommen, über den Graben gesprungen und, und, und…"
Verraten tut sie's natürlich nicht, schließlich sollen auch noch die Lösungsbücher verkauft werden und erst recht die mittlerweile siebte Lara-Croft-Version - brandneu in Leipzig, von 200 Neuheiten sind 98 sogar Weltpremieren. Der Medienpädagoge und Computerspiel-Experte Prof. Hartmut Warkus dämpft freilich die Euphorie:
"Die Zahl der Aussteller ist gewachsen, es sind also Verlage da - "publisher", wie man neudeutsch sagt - Verlage also, die erstmalig ausstellen. Darauf darf man gespannt sein, da werde ich mir nachher einiges ansehen. Aber bei der eigentlichen Hard-Gamer-Branche, die man in der anderen Halle sehen kann, da gibt es häufig Aufgüsse von Dingen, die im vergangenen Jahr schon da waren. Das ist alles toll gemacht und sehr aufgemotzt, aber letztlich so richtige Neuerungen - kaum. Leider."
Und weil es ihm allzu ärmlich erschien, dass die Computerindustrie mit den Shooter- und Adventurespielen nur einen Bruchteil der Spielewelt in Leipzig präsentierte, entwickelte der Medienpädagoge Warkus quasi eine Gegenwelt zu den hektisch-tosenden Pistolen- und Panzerjagden: die Games Convention Family.
Und während man in Halle 3 also staunt und raunt, ratespielt, computertanzt oder Kräfte misst und Computersportler sogar eine E-Sports- Europameisterschaft austragen, empfängt die Nachbarhalle 2 das Bildungspublikum mit regelrechter Chill Out-Atmosphäre. Damit hofft man den Nerv zu treffen. Nicht nur von Lehrern, deren Messebesuch in den neuen Bundesländern als Weiterbildung anerkannt ist und übrigens auch in Bayern, wo man in diesem Fall gern vom Osten lernte. Nein, auch die Computer-Kids sollen gern mal in die Lernwelt spökern, die sich ausdrücklich auch als familiäre Kontakt-Zone versteht:
Warkus: "Also, wenn sich die Eltern mal zum Sohnemann setzen, selbst wenn er Ego-Shooter spielt. Daneben setzen, sich erklären lassen, was da gemacht wird. Man kann auch als Erwachsener Hinweise geben: Geh mal da hin, mach mal jenes! Die Kinder werden das ganz anders wahrnehmen, wenn sich die Eltern beteiligen an dem, was ihnen Spaß macht und werden vielleicht auch darüber reflektieren, was denn Sinn oder Unsinn macht an dieser Art Spiel. So kann man, glaube ich, viel mehr erreichen, als wenn man einfach generell sagt, das ist alles Quatsch, was ihr macht, trotzdem aber das Geld gibt, damit man das nächste Spiel kaufen kann."
Professor Warkus ist selbst bekennender Spieler, auch wenn er als über 50-Jähriger für manche Joystick- und Mausakrobatik nicht mehr reaktionsschnell genug ist, wie er einräumt. Für das von seinen Studenten und Absolventen Georg Matterne und Kai Thorsten Buchele entwickelte Adventure-Spiel Abenteuer Muldenland würden seine Fähigkeiten aber wohl noch reichen:
Buchele: "Einer Sage nach wurde auf dem Schloss Colditz einst ein Bäckerbursche zu einem Geist verzaubert, weil er beim Brotbacken nicht aufgepasst hat und dann das ganze Schloss in Flammen aufging. Diesen Geist gilt es im Rahmen dieses Adventures zu befreien, dadurch, dass man verschiedenen Stationen Zutaten für einen Zauberkeks sammelt. Diesen Zauberkeks gilt es in Wurzen zu backen, und wenn ich diesen Zauberkeks also habe, kann ich diesen Geist und den Bäckerburschen schlussendlich wieder befreien."
Angeregt vom Netzwerk Südost, einem Interessenverband, der fünf sächsische Landkreise rund um die Mulde touristisch vermarkten will, entstand in Seminaren und Kooperation mit Wurzner Gymnasiasten ein witziges Online-Spiel mit Comicfiguren, die regionale Hyperlinks vereinen und so spielend virtuelle und reale Welt verbinden.
"Unsere Idee ist tatsächlich die, dass wir mit Einrichtungen bzw. Kindern und Jugendlichen von vornherein solche Stationen umsetzen, damit sie lernen, wie sie solche Online-Spiele, die sie ja zuhauf konsumieren im Internet, selbst herstellen. Also, diese kritische Medienkompetenz ist unser Ziel, das wir dabei verfolgen."
Was die kritische Medienkompetenz angeht, sieht auch ihr Professor Harmut Warkus Lücken eher bei den Eltern und Lehrern als bei den Kindern selbst.
Computerspiele schulten die Auge-Hand-Koordination, argumentiert Warkus, auch die Fähigkeit schnell, komplex und strategisch zu denken. Ganz entschieden wehrt er sich gegen das Vorurteil, Computerspiele machten a priori erstens fett, zweitens faul und drittens blöd:
"Ganz bestimmt nicht. Bestimmt nicht, wenn man Alternativern zum Computerspiel anbietet, wenn man Erziehung betreibt. Erziehung heißt Grenzen setzen, ja. Wenn man also sagt, eine Stunde und dann ist es gut oder zwei Stunden - muss man sehen, wie das ins Tagesbudget reinpasst. Das heißt, die Eltern müssen die Dinge in die Hand nehmen und nicht aus der Hand geben, wie seinerzeit beim Fernsehen: Die Kinder werden vor den Fernseher gesetzt und dann wundern sich die Eltern, was dann passiert."
Soll heißen, nur wer als Vater oder Mutter mitreden kann, sichert sich auf Dauer auch ein Mitspracherecht bei den mehr oder weniger aufregenden, aber garantiert nie billigen Spielen am PC.
Bei der dritten Auflage der Leipziger Erfolgsmesse ist noch einmal alles größer geworden: 110.000 Gäste werden erwartet und damit zum ersten Mal mehr Besucher als zur Buchmesse. Das junge Volk strömt also trotz Hartz IV und wirtschaftlicher Stagnation zuverlässig.
In Deutschland wurde im ersten Halbjahr für fast eine halbe Milliarde Euro Spielesoftware verkauft - ein Zuwachs um 15 Prozent! So hat sich auch die Ausstellungsfläche um die Hälfte auf nun 80.000 Quadratmeter vergrößert und keiner der Großen lässt die Messe mehr aus. Manch fleischgewordene Computer-Legende lässt den Besuchern den Atem stocken:
"Mein Name ist Diana, alias Lara Croft. Von Lara gibt es viel Neues: Sie ist beweglicher. Sie ist impulsiver, sie einfach menschlicher geworden… Die Kiddies wollen von mir wissen, wie bist du in Teil 3 aus der Höhle raus gekommen, über den Graben gesprungen und, und, und…"
Verraten tut sie's natürlich nicht, schließlich sollen auch noch die Lösungsbücher verkauft werden und erst recht die mittlerweile siebte Lara-Croft-Version - brandneu in Leipzig, von 200 Neuheiten sind 98 sogar Weltpremieren. Der Medienpädagoge und Computerspiel-Experte Prof. Hartmut Warkus dämpft freilich die Euphorie:
"Die Zahl der Aussteller ist gewachsen, es sind also Verlage da - "publisher", wie man neudeutsch sagt - Verlage also, die erstmalig ausstellen. Darauf darf man gespannt sein, da werde ich mir nachher einiges ansehen. Aber bei der eigentlichen Hard-Gamer-Branche, die man in der anderen Halle sehen kann, da gibt es häufig Aufgüsse von Dingen, die im vergangenen Jahr schon da waren. Das ist alles toll gemacht und sehr aufgemotzt, aber letztlich so richtige Neuerungen - kaum. Leider."
Und weil es ihm allzu ärmlich erschien, dass die Computerindustrie mit den Shooter- und Adventurespielen nur einen Bruchteil der Spielewelt in Leipzig präsentierte, entwickelte der Medienpädagoge Warkus quasi eine Gegenwelt zu den hektisch-tosenden Pistolen- und Panzerjagden: die Games Convention Family.
Und während man in Halle 3 also staunt und raunt, ratespielt, computertanzt oder Kräfte misst und Computersportler sogar eine E-Sports- Europameisterschaft austragen, empfängt die Nachbarhalle 2 das Bildungspublikum mit regelrechter Chill Out-Atmosphäre. Damit hofft man den Nerv zu treffen. Nicht nur von Lehrern, deren Messebesuch in den neuen Bundesländern als Weiterbildung anerkannt ist und übrigens auch in Bayern, wo man in diesem Fall gern vom Osten lernte. Nein, auch die Computer-Kids sollen gern mal in die Lernwelt spökern, die sich ausdrücklich auch als familiäre Kontakt-Zone versteht:
Warkus: "Also, wenn sich die Eltern mal zum Sohnemann setzen, selbst wenn er Ego-Shooter spielt. Daneben setzen, sich erklären lassen, was da gemacht wird. Man kann auch als Erwachsener Hinweise geben: Geh mal da hin, mach mal jenes! Die Kinder werden das ganz anders wahrnehmen, wenn sich die Eltern beteiligen an dem, was ihnen Spaß macht und werden vielleicht auch darüber reflektieren, was denn Sinn oder Unsinn macht an dieser Art Spiel. So kann man, glaube ich, viel mehr erreichen, als wenn man einfach generell sagt, das ist alles Quatsch, was ihr macht, trotzdem aber das Geld gibt, damit man das nächste Spiel kaufen kann."
Professor Warkus ist selbst bekennender Spieler, auch wenn er als über 50-Jähriger für manche Joystick- und Mausakrobatik nicht mehr reaktionsschnell genug ist, wie er einräumt. Für das von seinen Studenten und Absolventen Georg Matterne und Kai Thorsten Buchele entwickelte Adventure-Spiel Abenteuer Muldenland würden seine Fähigkeiten aber wohl noch reichen:
Buchele: "Einer Sage nach wurde auf dem Schloss Colditz einst ein Bäckerbursche zu einem Geist verzaubert, weil er beim Brotbacken nicht aufgepasst hat und dann das ganze Schloss in Flammen aufging. Diesen Geist gilt es im Rahmen dieses Adventures zu befreien, dadurch, dass man verschiedenen Stationen Zutaten für einen Zauberkeks sammelt. Diesen Zauberkeks gilt es in Wurzen zu backen, und wenn ich diesen Zauberkeks also habe, kann ich diesen Geist und den Bäckerburschen schlussendlich wieder befreien."
Angeregt vom Netzwerk Südost, einem Interessenverband, der fünf sächsische Landkreise rund um die Mulde touristisch vermarkten will, entstand in Seminaren und Kooperation mit Wurzner Gymnasiasten ein witziges Online-Spiel mit Comicfiguren, die regionale Hyperlinks vereinen und so spielend virtuelle und reale Welt verbinden.
"Unsere Idee ist tatsächlich die, dass wir mit Einrichtungen bzw. Kindern und Jugendlichen von vornherein solche Stationen umsetzen, damit sie lernen, wie sie solche Online-Spiele, die sie ja zuhauf konsumieren im Internet, selbst herstellen. Also, diese kritische Medienkompetenz ist unser Ziel, das wir dabei verfolgen."
Was die kritische Medienkompetenz angeht, sieht auch ihr Professor Harmut Warkus Lücken eher bei den Eltern und Lehrern als bei den Kindern selbst.
Computerspiele schulten die Auge-Hand-Koordination, argumentiert Warkus, auch die Fähigkeit schnell, komplex und strategisch zu denken. Ganz entschieden wehrt er sich gegen das Vorurteil, Computerspiele machten a priori erstens fett, zweitens faul und drittens blöd:
"Ganz bestimmt nicht. Bestimmt nicht, wenn man Alternativern zum Computerspiel anbietet, wenn man Erziehung betreibt. Erziehung heißt Grenzen setzen, ja. Wenn man also sagt, eine Stunde und dann ist es gut oder zwei Stunden - muss man sehen, wie das ins Tagesbudget reinpasst. Das heißt, die Eltern müssen die Dinge in die Hand nehmen und nicht aus der Hand geben, wie seinerzeit beim Fernsehen: Die Kinder werden vor den Fernseher gesetzt und dann wundern sich die Eltern, was dann passiert."
Soll heißen, nur wer als Vater oder Mutter mitreden kann, sichert sich auf Dauer auch ein Mitspracherecht bei den mehr oder weniger aufregenden, aber garantiert nie billigen Spielen am PC.