Melissa C. Hill / Anja Stapor: „Lupus Noctis“

Wem kann man noch trauen?

05:17 Minuten
Melissa C. Hill / Anja Stapor: „Lupus Noctis“
© Dressler

Melissa C. Hill, Anja Stapor

Lupus NoctisDressler, Hamburg 2022

416 Seiten

15,00 Euro

Von Sylvia Schwab |
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Schon in ihrer Schulzeit träumten Melissa C. Hill und Anja Stapor davon, zusammen ein Buch zu schreiben. Nun haben sie es getan. Ihr Jugendthriller „Lupus Noctis“ glänzt mit einer komplexen Handlung und viel Spannung, sprachlich hapert es allerdings.
„Lupus Noctis“ heißt ein Spiel, das eine Gruppe von inzwischen 20-jährigen Schulfreundinnen und -freunden seit vielen Jahren spielt. Ein Spielführer sucht immer neue verlassene Orte, wo eine Art Verfolgungsjagd inszeniert wird. Es ist ein ziemlich verwirrendes Rollenspiel, Werwölfe und Dorfbewohner kämpfen miteinander um Leben und Tod.
Angelehnt ist „Lupus Noctis“ an ein Online-Spiel, das in einem unterirdischen ehemaligen Hilfskrankenhaus angesiedelt ist, ein atomsicherer Bau aus den 80er-Jahren, den es wirklich in Bayern gibt.

Angst und Misstrauen schleichen sich ein

Zunächst verläuft das Spiel in dem unheimlichen Krankenhaus-Labyrinth in den gewohnten Bahnen. Doch dann passieren geheimnisvolle Dinge: Der Schlüssel zum Eingang verschwindet, eine Spielerin wird eingeschlossen, andere werden verfolgt, die sechs jungen Erwachsenen entdecken sogar installierte Überwachungskameras.

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Angst, Misstrauen und eine Menge schräger Theorien machen sich breit. Ist die Gruppe Opfer eines obskuren psychologischen Experiments? Eines Snuff-Films, bei dem echte Morde live aufgenommen werden? Schließlich wird Jacob so erschreckt, dass er in einen Schacht stürzt und stirbt.
Der Roman ist aus ständig wechselnden Perspektiven erzählt, darum wissen die Lesenden mehr als die am Spiel Beteiligten. So erfährt man etwa, dass der verantwortungsbewusste Theo eine große Schuld mit sich herumträgt oder dass die liebenswürdige Lena erpresst wird.

Ein Geflecht aus Erinnerungen

Vieles bleibt aber auch nur angedeutet. Und so entsteht ein komplexes Geflecht aus Erinnerungen, Gesprächen, Beobachtungen und Verhaltensweisen, das immer neue Deutungen zulässt. Der Schluss ist nicht nur sehr spannend – da geht es wirklich um Leben und Tod – sondern auch eine echte Überraschung.
Doch anfangs läuft die Handlung fast schleppend an. Zudem sind die sechs jungen Leute eher als Typen gezeichnet denn als Charaktere: der vorsichtige Kluge, der traumatisierte Schöne, der unauffällige Stille oder die Hilfsbereite, die Außenseiterin, die Gestylte. Und wenig überzeugend ist auch, dass 20-Jährige noch immer ihr altes Rollenspiel aus Schulzeiten genießen.
Sprachlich kommt „Lupus Noctis“ eher einfach und etwas klischeehaft daher. Da wird Pizza „verputzt“, „Schauer rieseln“ über die Rücken und ein „markerschütternder“ Schrei lässt das Blut gefrieren. Die äußere Handlungsspannung ist größer als die innere, psychologische Spannung. Gut entwickelt wird aber, wie schließlich jeder jeden verdächtigt und die sechs jungen Menschen immer misstrauischer, panischer und einsamer werden.

Intelligent gestrickte Handlung

Ausgesprochen intelligent ist die sehr komplexe Handlung gestrickt. Bis zum Schluss alle Erzählfäden in der Schwebe zu halten und die immer neuen Erkenntnisse, Entdeckungen, Verdachtsmomente, Gewissheiten und Geheimnisse so gekonnt zusammenzuführen, dass die Lösung völlig unerwartet, aber auch logisch über die Beteiligten hereinbricht, ist cool gemacht. Wenn nach 150 Seiten die Geschichte richtig Fahrt aufnimmt, werden Jugendliche sie so leicht nicht mehr aus der Hand legen. Ein echter Schmöker!
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