"Die Leute für ein paar Stunden aus der Grauzone holen"
11:10 Minuten
Der bekannte Schauspieler Michael Mendl eröffnet im sachsen-anhaltischen Zeitz ein Sommerfestival. Der Ort gehört zu den Regionen in Deutschland, die besonders abgehängt sind. Nun soll künstlerisch ein neuer Blick eröffnet werden.
Gerade hat er seinen 75. Geburtstag gefeiert und blickt auf eine lange Theaterkarriere zurück. Man kennt ihn heute aber vor allem aus Film und Fernsehen: Michael Mendl spielte Willy Brandt und bekam dafür die Goldene Kamera.
Mendl war in Bernd Eichingers "Untergang" dabei und ist derzeit in der erfolgreichen deutschen Netflix-Serie "Dark" zu sehen. Nun steht ihm eine Premiere der besonderen Art bevor: Im sachsen-anhaltinischen Zeitz werden die Mendl-Festspiele eröffnet, ein musikalisch-literarisch-szenisches Festival, in dem der Schauspieler mehrfach auftritt.
Kunst für die Provinz
Den gebürtigen Westfalen Mendl hat es nach Zeitz verschlagen, da er über persönliche Kontakte mit dem Ort verbunden ist:
"Wir haben festgestellt, wie übrigens auch gerade vor einigen Wochen die Bundesregierung: Es gibt zwei Regionen in Deutschland, die besonders abgehängt sind: Zeitz und Pirmasens."
Die Idee, mit befreundeten Künstlern dort ein Programm auf die Beine zu stellen, hat sich nicht zuletzt daraus ergeben: "Da muss man was tun", so Mendl. "Da geht man einfach hin. Und dann versuchen wir mal, irgendwie eine kulturelle Struktur mit reinzubringen. Vielleicht auf eine Art und Weise, wie man das normalerweise nicht gewohnt ist."
Neue Gedanken für die Zuschauer
Dass die Veranstaltungen, Konzerte und szenischen Lesungen den Menschen neue Perspektiven verschaffen oder gar Lösungen aufzeigen, glaubt er allerdings nicht:
"Das wäre vermessen. So viel Messias oder Prophetisches steckt auch nicht in mir drin. Aber man kann die Leute für ein paar Stunden aus einer gewissen Grauzone vielleicht rausholen, woanders hineinpflanzen, andere Gedanken haben, die dann wieder weiter führen, vielleicht zu weiteren Gesprächen."
Mit sanften Druck ins Theater
Mendl spielte früher an zahlreichen Theatern wie in Darmstadt, Stuttgart oder München, mit 49 Jahren hatte er sich indes entschlossen, nur noch im Film und Fernsehen aufzutreten. Er wünsche sich heute, so Mendl, wieder öfter als Zuschauer ins Theater zu gehen, könne sich aber oft nicht aufraffen:
"Es wäre vielleicht gar nicht verkehrt, wenn man die Leute dazu zwingt. Ich glaube, vor allem Männer muss man zwingen, ins Theater zu gehen. Frauen sind da eher unterwegs. Wenn sie Glück haben, schleppen sie ihr Ehegespons mit."
Er wisse auch nicht, warum Männer eher Hemmungen hätten, sich mit Kunst und Kultur auseinanderzusetzen und ins Theater zu trauen. "Wobei ich da selbst sehr wissbegierig bin. Es wäre mir sehr lieb, es gäbe mir einer eine Kalkspritze in den Hintern – dann würde ich es doch tun."