"Mensch - das Leben ist doch viel zu kurz, du Idiot!"
Der Film "Das Leben ist zu lang" erzählt die Geschichte des jüdischen Filmemachers Alfi Seliger, dessen Leben in der Krise steckt. Regisseur Dani Levy folgte mit diesem Film "dem Ruf seiner Seele" und gibt einiges von seinem Leben preis.
Alexandra Mangel: Anke Leveke über Daniel Levys neue Komödie ""Das Leben ist zu lang", die nächste Woche in die Kinos kommt. Und Daniel Levy ist hier bei mir im Studio, herzlich willkommen!
Dani Levy: Ja, hallo!
Mangel: Ihre Hauptfigur ist diesmal ein jüdischer Filmemacher, den Sie als ziemlichen Loser, als Nebbich, als lächerliche Figur vorstellen, und man müsste schon ziemlich angestrengt dran vorbeigucken, um nicht zu sehen, dass Sie diesem Alfi Seliger auch sehr viel von Daniel Levy mit auf den Weg gegeben haben. Warum steckt da diesmal so viel von Ihnen selbst drin? Da macht man sich ja auch sehr angreifbar.
Levy: Ja, aber das ist ja auch das Schöne an der Sache, ich meine, ich mache nun seit, ich weiß nicht, 25 Jahren oder bald 30 Jahren irgendwie Filme und beschäftige mich also mein halbes Leben jetzt mit diesem komischen, eigenartigen und manchmal auch ziemlich geistesgestörten Beruf ...
Mangel: ... des Filmemachers.
Levy: ... ja, des Filmemachens, Geschichten auf die Leinwand zu bringen, und versuche ja auch, sehr, sehr persönliche Filme zu machen. Das war ja schon von meinen allerersten Filmen, von "Du mich auch", bis hin zu "Alles auf Zucker" oder "Mein Führer" – das sind alles Filme, die sehr stark eigentlich auch von meiner, ich sage jetzt mal, subjektiven Sicht und von meiner, also von meiner Person geprägt waren. Und ich habe mich lustigerweise eigentlich, ohne dass ich das in irgendeiner Form mir vorher überlegt habe oder den Plan gefasst habe, habe ich mich an den Computer gesetzt eines Morgens, und hatte plötzlich so diesen Impuls, so wie so ein Ruf in meiner Seele: Ich will einen Film machen über das, was meine Liebe zum Kino ist, was letztendlich auch mein Beruf ist, auch diese Schwierigkeiten, die ich irgendwie in meinem Leben auch so begegne, zwischen der Idee, die man hat, den Idealen, die man hat und dem, wie weit man das im Laufe eines Weges kompromittieren muss, wie schwierig es ist, einen Film auf die Beine zu stellen, gleichzeitig aber auch mein Konflikt, den ich habe zwischen meiner geliebten Kunst und meiner Familie, also den Kindern, meiner Frau, was es bedeutet, überhaupt älter zu werden, 50 zu werden und all diese Dinge. Also es war für mich so ein Film, und plötzlich ist aus mir so ein Riesenschatz an Anekdoten und Geschichten und Ehrlichkeiten auch aufgetaucht, die in dieses Drehbuch reingeflossen sind. Ich habe gemerkt: Das wird ein sehr persönlicher und trotzdem, glaube ich, sehr universeller Film. Und also ich finde nichts langweiliger als Filme eigentlich über sich selbst, das ist nicht der Punkt, mit dem ich angetreten bin, sondern ich stelle mich eher zur Verfügung, um bestimmte Dinge, die uns, glaube ich, alle irgendwo beschäftigen, wenn man in ein bestimmtes, ich sage jetzt mal, Alter kommen, also das muss jetzt nicht in meinem Alter sein, also wo man einfach ein Stück weit sich selber auch reflektiert, ob man das Leben führt, was man auch wirklich führen möchte.
Mangel: Sie haben ganz am Anfang gesagt, das sei ein geistesgestörtes Geschäft, obwohl das so eine Liebe von Ihnen ist. Warum ist das geistesgestört?
Levy: Ja, also natürlich ist es ein eigenartiges, vielleicht auch etwas drastisches Wort dafür – das hat viele Gründe, das eine ist, es ist eine sehr teure Kunst. So ein Film, selbst wenn er nicht viel Geld kostet, kostet dann schnell mal zwei Millionen, drei Millionen Euro, und es ist schon so, dass jemand, der so bescheiden und auch eigentlich irgendwo sparsam oder finanziell bewusst ist wie ich, sich schon manchmal überlegt: Ich habe mir jetzt da irgendetwas aus dem Finger gesogen, ich habe da irgendwas hingeschrieben, jetzt arbeiten da plötzlich 50, 100 Leute dafür und verbraten tatsächlich zwei Millionen oder 2,5 Millionen Euro wie jetzt in diesem Fall – ist es wirklich gerechtfertigt, meine Idee da auf die Leinwand zu bringen? Also das ist zum einen eigenartig, zum anderen, das wird ja in dem Film auch diskutiert, ist die Frage, was ist überhaupt Realität? Bildet Film überhaupt die Wahrheit ab? Ist es überhaupt irgendetwas, was man sagen kann, dass das, was wir auf der Leinwand zweidimensional – selbst in einem 3D-Film zweidimensional – im Kino sehen, ist das das, was man als Wahrheit bezeichnet, oder ist es nicht eine nachkonstruierte Wahrheit? Also die Frage von, wie wir Bilder konsumieren und wie wir mit den Bildern zusammenleben, das ist für mich eine große, auch sehr fragwürdige Geschichte.
Mangel: Da gibt es ja auch in dem Film eine Stelle, so einen richtigen Bruch, wo Sie die Zuschauer und auch Ihre Hauptfigur richtig aus dieser Filmillusion rausreißen, also da ist dieser Alfi Seliger stellt plötzlich fest: Das ist nicht mehr sein Leben, das ist ein Film von Daniel Levy, in dem er sich gerade befindet.
Levy: Das ist richtig.
Mangel: Und da hatte ich auch diesen Eindruck, dass das ein Problem ist, was Sie bewegt und was Sie da thematisieren wollen. Ist das so ein Appell zu mehr Aufmerksamkeit?
Levy: Na ja, also ich bin jetzt kein, ich stehe nicht auf einer Kanzel und predige jetzt, wie man irgendwie Filme konsumieren muss und so, aber grundsätzlich muss ich schon sagen, dass ich es manchmal bedenklich finde, mit welcher Hörigkeit und welcher, ich sage jetzt mal, Folgsamkeit man ins Kino geht und sich gerne berieseln lässt mit seiner Popcornschachtel in der Hand und irgendwie das Gefühl hat, ich bekomme ein möglichst hermetisch und rund verpacktes, am liebsten auch relativ unangreifbares Produkt vorgesetzt, und das konsumiere ich so, als wäre das irgendwo ein Stück Wahrheit. Aber letztendlich ist Kunst – und wie ich finde auch filmische Kunst, auch wenn sie so teuer ist – immer auch ein streitbares Kulturprojekt. Und das Interessante ist doch, dass man aus dem Kino rausgeht, aufgewühlt wurde, aufgerüttelt wurde, irgendwie auch danach noch was diskutieren, erzählen, berichten, verschiedene Perspektiven auf den Film haben kann. Ich hatte so das Gefühl: Wenn ich einen Film mache, der sich auch mit Film beschäftigt, dann sollte ich auch Film reflektieren, also auch noch mal die Kunstform Film und auch dessen, was es eigentlich bedeutet, im Kino zu sitzen als Zuschauer. Und deswegen habe ich so einen Wake-up-Call eingebaut. Da gibt es ja auch große Vorbilder, es hat Buster Keaton schon gemacht, da gibt es Woody-Allen-Filme, die das machen, Charlie Kaufman hat das gemacht. Das ist schon etwas, was es in der Literatur auch zum Beispiel sehr oft gibt, dass sich plötzlich Ebenen öffnen und wie eine Realität macht eine Tür auf in eine neue Realität, wie in einem Traum.
Mangel: Sie haben mal gesagt, dieser Humor, der jüdische Humor ist ein nicht zu unterschätzender Rettungsfaktor. Welche Rettungsmöglichkeit bietet denn der jüdische Humor einem solchen Nebbich?
Levy: Also ich würde Humor und das selbstironische Lachen über seine eigenen Verzweiflungen und Widersprüche, die jeder von uns eigentlich so hat, immer der Depression vorziehen. Ich glaube, also das Schlimmste, was einem passieren kann, ist, dass man sich selber bemitleidet und aus diesem eigenartigen Tunnelblick nicht mehr rauskommt. Also Humor ist immer der Weg aus dem Dunkel ins Helle, meiner Meinung nach. Man schafft es, das kenne ich auch in meiner Geschichte und meinen, wie soll ich sagen, Liebesproblemen oder meiner langen Ehe und so, dass wenn man es schafft, über seine eigene Beziehung mit dem Partner oder auch mit den Kindern oder mit den Eltern oder wie auch immer ein Stück weit zu lachen oder zumindest sich selber auch auf die Schippe zu nehmen, dann hat man schon etwas geschafft. Und ich glaube, eine gute Komödie ist eben nicht einfach nur lustig, sondern eine gute Komödie ist zutiefst tragisch.
Mangel: Wir sprechen im "Radiofeuilleton" mit dem Regisseur Daniel Levy über seine neue Komödie "Das Leben ist zu lang"; die nächste Woche in die Kinos kommt, und die wieder strotzt von diesem besonderen, scharfen, absurden, jüdischen Humor, der sich diesmal vor allem gegen das Filmgeschäft richtet. Gleich zu Beginn zeigen Sie dieses Haifischbecken Filmbusiness mit all den dauerlächelnden Gesichtern, und mittendrin steht Alfi Seliger mit seinem Manuskript im Jutebeutelchen, das er da unterbringen will, und da wird er dann von Bully Herbig eiskalt abserviert. Ist das der Alltag im Filmgeschäft, die Brutalität, wie Sie sie auch empfinden?
Levy: Also natürlich ist es ein Stück weit immer noch eine Levy-Komödie und die Situation ist natürlich ein bisschen zugespitzt, aber es gibt viele Alfi Seligers. So schlimm wie in Amerika ist es nicht, aber auch in Deutschland ist es schon so, dass auch hier das Filmgeschäft sehr auf Sicherheit gebaut ist, und dass Menschen wie Alfi Seliger, die ein sehr gewagtes Filmprojekt haben, weil er will ja einen ...
Mangel: In diesem Fall, erzählen Sie es.
Levy: ... ja, er will ja ein Projekt machen, eine Komödie machen über den Mohammad-Karikaturenstreit mit dem Titel "Mohahammed". Also, er ist ein Provokateur und trotzdem glaubt er, dass Film auch wirklich ein Stück weit eine wahrheitsschürfende, eine irgendwo auch heilsbringende Kunst sein kann. Er möchte auch was Ehrliches damit erzählen, und ein Stück weit ist er dann einfach in dieser Branche auch ein Außenseiter und wird belächelt und ein Stück weit auch gemieden. Natürlich braucht man ja eine ganze Menge Jasager zu einem Projekt: Man braucht eine Fernsehanstalt, eine Redaktion, man braucht Filmförderung, man braucht einen Verleih, man braucht eine ganze Menge Partner, die mit einem an das Projekt glauben.
Mangel: Also es fällt einem da sofort auch eben Ihre Komödie "Mein Führer", also die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler, ein, wo Sie Helge Schneider als Adolf Hitler besetzt haben und es natürlich Protest gab, auch vom Zentralrat der Juden, und hier nun Ihre Filmfigur mit einem Thema hausieren geht, eben eine Komödie über die Mohammad-Karikaturen. Was reizt Sie an diesen Themen und welche eben auch bitteren Erfahrungen macht man, wenn man sich für diese Bilderverbote, Bildertabus eigentlich, wenn man genau in diese Zonen reingehen will?
Levy: Also mich reizen natürlich schon die Bereiche des Lebens und der Kunst, sage ich jetzt mal, die nicht so salonfähig sind. Als ich den Film "Mein Führer" entwickelt habe, war es so, dass ich als Jude hier in Deutschland quasi jetzt bald 30 Jahre lebe, komme aus einer Familie von Flüchtlingen, die vor Hitler geflüchtet sind, und lebe in einem Land, was mein Volk sozusagen vernichtet hat oder zum Teil vernichtet hat, und hatte das Gefühl: Ich muss mich irgendwann mal auch dazu stellen. Und dank den Büchern von Alice Miller und einer wirklich interessanten These, wie ich fand, dass eben die schwarze Pädagogik, die wir dann auch im "Weißen Band" jetzt sehen konnten, doch ein ziemlich großer Wegbereiter für den Nationalsozialismus war, was jetzt die emotionale und die gewalttätige Voraussetzung eines Volkes für so eine große Massenvernichtung, eine gewalttätige Diktatur unter Adolf Hitler war, fand ich das für eine Komödie einfach auch eine wichtige und interessante These, obwohl das nicht so richtig gelesen wurde. Ich habe ja gemerkt, wie schwierig das ist, in Deutschland bestimmtes Gedankengut neu zu belüften, sage ich jetzt mal, oder neue Gedanken und neue Ideen da reinzubringen, und wie kompliziert es ist, in so bestimmten vorgedachten Schemen da reinzukommen. Und deswegen war für mich "Mein Führer" ein unglaublich spannender und aufregende Erfahrung, weil ich so gespürt habe: Es war nicht nur die erste Komödie, die über den Nationalsozialismus hier in diesem Lande gedreht wurde, sondern es war natürlich auch ein sehr empathischer Film über das, was mit den Deutschen und Adolf Hitler in dieser Zeit passiert ist. Und das ist dann doch ein ziemlich waghalsiges Projekt geworden, aber für mich ist es eine substanziell wichtige Erfahrung gewesen.
Mangel: Warum ist das Leben bitte schön denn nun zu lang?
Levy: Das ist natürlich, sie können nicht davon ablassen, ja, ich will mich da jetzt gar nicht rausreden, natürlich ist es ein provokativer Titel, der darauf setzt, dass die Menschen mit Widerstand darauf reagieren und sagen, Mensch, das Leben ist doch zu kurz, du Idiot! Das Leben ist nicht zu lang. Ich habe mal gesagt, das Leben ist zu lang, aber die Tage sind zu kurz. Das geht so nach einem jüdischen Witz, da sitzt eine Frau, eine alte Frau im Altersheim, und ihre Familie, ihre Enkelin kommt sie besuchen, und sie beklagt sich über das Altersheim und sagt, wie schrecklich das alles hier ist, und am Schluss sagt sie: Und das Essen ist so schlecht, das ist so grauenhaft, das Essen, und die Portionen sind zu klein. Und das ist irgendwie so ein bisschen der Widerspruch, den wir, glaube ich, auch mit unserem Leben haben, ich glaube, das Leben kann durchaus zu lang sein, wenn man es nicht sinnvoll lebt.
Mangel: Daniel Levy, dessen neue Komödie "Das Leben ist zu lang" nächste Woche in den Kinos anläuft und den man sich allein schon wegen des verrückten Ensembles ansehen muss, von Meret Becker bis Yvonne Catterfeld, von Udo Kier bis Kurt Krömer haben Sie da alle zusammengecastet, und ich wünsche Ihnen ganz viel Erfolg. Danke schön fürs Gespräch!
Levy: Ja, danke auch!
Dani Levy: Ja, hallo!
Mangel: Ihre Hauptfigur ist diesmal ein jüdischer Filmemacher, den Sie als ziemlichen Loser, als Nebbich, als lächerliche Figur vorstellen, und man müsste schon ziemlich angestrengt dran vorbeigucken, um nicht zu sehen, dass Sie diesem Alfi Seliger auch sehr viel von Daniel Levy mit auf den Weg gegeben haben. Warum steckt da diesmal so viel von Ihnen selbst drin? Da macht man sich ja auch sehr angreifbar.
Levy: Ja, aber das ist ja auch das Schöne an der Sache, ich meine, ich mache nun seit, ich weiß nicht, 25 Jahren oder bald 30 Jahren irgendwie Filme und beschäftige mich also mein halbes Leben jetzt mit diesem komischen, eigenartigen und manchmal auch ziemlich geistesgestörten Beruf ...
Mangel: ... des Filmemachers.
Levy: ... ja, des Filmemachens, Geschichten auf die Leinwand zu bringen, und versuche ja auch, sehr, sehr persönliche Filme zu machen. Das war ja schon von meinen allerersten Filmen, von "Du mich auch", bis hin zu "Alles auf Zucker" oder "Mein Führer" – das sind alles Filme, die sehr stark eigentlich auch von meiner, ich sage jetzt mal, subjektiven Sicht und von meiner, also von meiner Person geprägt waren. Und ich habe mich lustigerweise eigentlich, ohne dass ich das in irgendeiner Form mir vorher überlegt habe oder den Plan gefasst habe, habe ich mich an den Computer gesetzt eines Morgens, und hatte plötzlich so diesen Impuls, so wie so ein Ruf in meiner Seele: Ich will einen Film machen über das, was meine Liebe zum Kino ist, was letztendlich auch mein Beruf ist, auch diese Schwierigkeiten, die ich irgendwie in meinem Leben auch so begegne, zwischen der Idee, die man hat, den Idealen, die man hat und dem, wie weit man das im Laufe eines Weges kompromittieren muss, wie schwierig es ist, einen Film auf die Beine zu stellen, gleichzeitig aber auch mein Konflikt, den ich habe zwischen meiner geliebten Kunst und meiner Familie, also den Kindern, meiner Frau, was es bedeutet, überhaupt älter zu werden, 50 zu werden und all diese Dinge. Also es war für mich so ein Film, und plötzlich ist aus mir so ein Riesenschatz an Anekdoten und Geschichten und Ehrlichkeiten auch aufgetaucht, die in dieses Drehbuch reingeflossen sind. Ich habe gemerkt: Das wird ein sehr persönlicher und trotzdem, glaube ich, sehr universeller Film. Und also ich finde nichts langweiliger als Filme eigentlich über sich selbst, das ist nicht der Punkt, mit dem ich angetreten bin, sondern ich stelle mich eher zur Verfügung, um bestimmte Dinge, die uns, glaube ich, alle irgendwo beschäftigen, wenn man in ein bestimmtes, ich sage jetzt mal, Alter kommen, also das muss jetzt nicht in meinem Alter sein, also wo man einfach ein Stück weit sich selber auch reflektiert, ob man das Leben führt, was man auch wirklich führen möchte.
Mangel: Sie haben ganz am Anfang gesagt, das sei ein geistesgestörtes Geschäft, obwohl das so eine Liebe von Ihnen ist. Warum ist das geistesgestört?
Levy: Ja, also natürlich ist es ein eigenartiges, vielleicht auch etwas drastisches Wort dafür – das hat viele Gründe, das eine ist, es ist eine sehr teure Kunst. So ein Film, selbst wenn er nicht viel Geld kostet, kostet dann schnell mal zwei Millionen, drei Millionen Euro, und es ist schon so, dass jemand, der so bescheiden und auch eigentlich irgendwo sparsam oder finanziell bewusst ist wie ich, sich schon manchmal überlegt: Ich habe mir jetzt da irgendetwas aus dem Finger gesogen, ich habe da irgendwas hingeschrieben, jetzt arbeiten da plötzlich 50, 100 Leute dafür und verbraten tatsächlich zwei Millionen oder 2,5 Millionen Euro wie jetzt in diesem Fall – ist es wirklich gerechtfertigt, meine Idee da auf die Leinwand zu bringen? Also das ist zum einen eigenartig, zum anderen, das wird ja in dem Film auch diskutiert, ist die Frage, was ist überhaupt Realität? Bildet Film überhaupt die Wahrheit ab? Ist es überhaupt irgendetwas, was man sagen kann, dass das, was wir auf der Leinwand zweidimensional – selbst in einem 3D-Film zweidimensional – im Kino sehen, ist das das, was man als Wahrheit bezeichnet, oder ist es nicht eine nachkonstruierte Wahrheit? Also die Frage von, wie wir Bilder konsumieren und wie wir mit den Bildern zusammenleben, das ist für mich eine große, auch sehr fragwürdige Geschichte.
Mangel: Da gibt es ja auch in dem Film eine Stelle, so einen richtigen Bruch, wo Sie die Zuschauer und auch Ihre Hauptfigur richtig aus dieser Filmillusion rausreißen, also da ist dieser Alfi Seliger stellt plötzlich fest: Das ist nicht mehr sein Leben, das ist ein Film von Daniel Levy, in dem er sich gerade befindet.
Levy: Das ist richtig.
Mangel: Und da hatte ich auch diesen Eindruck, dass das ein Problem ist, was Sie bewegt und was Sie da thematisieren wollen. Ist das so ein Appell zu mehr Aufmerksamkeit?
Levy: Na ja, also ich bin jetzt kein, ich stehe nicht auf einer Kanzel und predige jetzt, wie man irgendwie Filme konsumieren muss und so, aber grundsätzlich muss ich schon sagen, dass ich es manchmal bedenklich finde, mit welcher Hörigkeit und welcher, ich sage jetzt mal, Folgsamkeit man ins Kino geht und sich gerne berieseln lässt mit seiner Popcornschachtel in der Hand und irgendwie das Gefühl hat, ich bekomme ein möglichst hermetisch und rund verpacktes, am liebsten auch relativ unangreifbares Produkt vorgesetzt, und das konsumiere ich so, als wäre das irgendwo ein Stück Wahrheit. Aber letztendlich ist Kunst – und wie ich finde auch filmische Kunst, auch wenn sie so teuer ist – immer auch ein streitbares Kulturprojekt. Und das Interessante ist doch, dass man aus dem Kino rausgeht, aufgewühlt wurde, aufgerüttelt wurde, irgendwie auch danach noch was diskutieren, erzählen, berichten, verschiedene Perspektiven auf den Film haben kann. Ich hatte so das Gefühl: Wenn ich einen Film mache, der sich auch mit Film beschäftigt, dann sollte ich auch Film reflektieren, also auch noch mal die Kunstform Film und auch dessen, was es eigentlich bedeutet, im Kino zu sitzen als Zuschauer. Und deswegen habe ich so einen Wake-up-Call eingebaut. Da gibt es ja auch große Vorbilder, es hat Buster Keaton schon gemacht, da gibt es Woody-Allen-Filme, die das machen, Charlie Kaufman hat das gemacht. Das ist schon etwas, was es in der Literatur auch zum Beispiel sehr oft gibt, dass sich plötzlich Ebenen öffnen und wie eine Realität macht eine Tür auf in eine neue Realität, wie in einem Traum.
Mangel: Sie haben mal gesagt, dieser Humor, der jüdische Humor ist ein nicht zu unterschätzender Rettungsfaktor. Welche Rettungsmöglichkeit bietet denn der jüdische Humor einem solchen Nebbich?
Levy: Also ich würde Humor und das selbstironische Lachen über seine eigenen Verzweiflungen und Widersprüche, die jeder von uns eigentlich so hat, immer der Depression vorziehen. Ich glaube, also das Schlimmste, was einem passieren kann, ist, dass man sich selber bemitleidet und aus diesem eigenartigen Tunnelblick nicht mehr rauskommt. Also Humor ist immer der Weg aus dem Dunkel ins Helle, meiner Meinung nach. Man schafft es, das kenne ich auch in meiner Geschichte und meinen, wie soll ich sagen, Liebesproblemen oder meiner langen Ehe und so, dass wenn man es schafft, über seine eigene Beziehung mit dem Partner oder auch mit den Kindern oder mit den Eltern oder wie auch immer ein Stück weit zu lachen oder zumindest sich selber auch auf die Schippe zu nehmen, dann hat man schon etwas geschafft. Und ich glaube, eine gute Komödie ist eben nicht einfach nur lustig, sondern eine gute Komödie ist zutiefst tragisch.
Mangel: Wir sprechen im "Radiofeuilleton" mit dem Regisseur Daniel Levy über seine neue Komödie "Das Leben ist zu lang"; die nächste Woche in die Kinos kommt, und die wieder strotzt von diesem besonderen, scharfen, absurden, jüdischen Humor, der sich diesmal vor allem gegen das Filmgeschäft richtet. Gleich zu Beginn zeigen Sie dieses Haifischbecken Filmbusiness mit all den dauerlächelnden Gesichtern, und mittendrin steht Alfi Seliger mit seinem Manuskript im Jutebeutelchen, das er da unterbringen will, und da wird er dann von Bully Herbig eiskalt abserviert. Ist das der Alltag im Filmgeschäft, die Brutalität, wie Sie sie auch empfinden?
Levy: Also natürlich ist es ein Stück weit immer noch eine Levy-Komödie und die Situation ist natürlich ein bisschen zugespitzt, aber es gibt viele Alfi Seligers. So schlimm wie in Amerika ist es nicht, aber auch in Deutschland ist es schon so, dass auch hier das Filmgeschäft sehr auf Sicherheit gebaut ist, und dass Menschen wie Alfi Seliger, die ein sehr gewagtes Filmprojekt haben, weil er will ja einen ...
Mangel: In diesem Fall, erzählen Sie es.
Levy: ... ja, er will ja ein Projekt machen, eine Komödie machen über den Mohammad-Karikaturenstreit mit dem Titel "Mohahammed". Also, er ist ein Provokateur und trotzdem glaubt er, dass Film auch wirklich ein Stück weit eine wahrheitsschürfende, eine irgendwo auch heilsbringende Kunst sein kann. Er möchte auch was Ehrliches damit erzählen, und ein Stück weit ist er dann einfach in dieser Branche auch ein Außenseiter und wird belächelt und ein Stück weit auch gemieden. Natürlich braucht man ja eine ganze Menge Jasager zu einem Projekt: Man braucht eine Fernsehanstalt, eine Redaktion, man braucht Filmförderung, man braucht einen Verleih, man braucht eine ganze Menge Partner, die mit einem an das Projekt glauben.
Mangel: Also es fällt einem da sofort auch eben Ihre Komödie "Mein Führer", also die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler, ein, wo Sie Helge Schneider als Adolf Hitler besetzt haben und es natürlich Protest gab, auch vom Zentralrat der Juden, und hier nun Ihre Filmfigur mit einem Thema hausieren geht, eben eine Komödie über die Mohammad-Karikaturen. Was reizt Sie an diesen Themen und welche eben auch bitteren Erfahrungen macht man, wenn man sich für diese Bilderverbote, Bildertabus eigentlich, wenn man genau in diese Zonen reingehen will?
Levy: Also mich reizen natürlich schon die Bereiche des Lebens und der Kunst, sage ich jetzt mal, die nicht so salonfähig sind. Als ich den Film "Mein Führer" entwickelt habe, war es so, dass ich als Jude hier in Deutschland quasi jetzt bald 30 Jahre lebe, komme aus einer Familie von Flüchtlingen, die vor Hitler geflüchtet sind, und lebe in einem Land, was mein Volk sozusagen vernichtet hat oder zum Teil vernichtet hat, und hatte das Gefühl: Ich muss mich irgendwann mal auch dazu stellen. Und dank den Büchern von Alice Miller und einer wirklich interessanten These, wie ich fand, dass eben die schwarze Pädagogik, die wir dann auch im "Weißen Band" jetzt sehen konnten, doch ein ziemlich großer Wegbereiter für den Nationalsozialismus war, was jetzt die emotionale und die gewalttätige Voraussetzung eines Volkes für so eine große Massenvernichtung, eine gewalttätige Diktatur unter Adolf Hitler war, fand ich das für eine Komödie einfach auch eine wichtige und interessante These, obwohl das nicht so richtig gelesen wurde. Ich habe ja gemerkt, wie schwierig das ist, in Deutschland bestimmtes Gedankengut neu zu belüften, sage ich jetzt mal, oder neue Gedanken und neue Ideen da reinzubringen, und wie kompliziert es ist, in so bestimmten vorgedachten Schemen da reinzukommen. Und deswegen war für mich "Mein Führer" ein unglaublich spannender und aufregende Erfahrung, weil ich so gespürt habe: Es war nicht nur die erste Komödie, die über den Nationalsozialismus hier in diesem Lande gedreht wurde, sondern es war natürlich auch ein sehr empathischer Film über das, was mit den Deutschen und Adolf Hitler in dieser Zeit passiert ist. Und das ist dann doch ein ziemlich waghalsiges Projekt geworden, aber für mich ist es eine substanziell wichtige Erfahrung gewesen.
Mangel: Warum ist das Leben bitte schön denn nun zu lang?
Levy: Das ist natürlich, sie können nicht davon ablassen, ja, ich will mich da jetzt gar nicht rausreden, natürlich ist es ein provokativer Titel, der darauf setzt, dass die Menschen mit Widerstand darauf reagieren und sagen, Mensch, das Leben ist doch zu kurz, du Idiot! Das Leben ist nicht zu lang. Ich habe mal gesagt, das Leben ist zu lang, aber die Tage sind zu kurz. Das geht so nach einem jüdischen Witz, da sitzt eine Frau, eine alte Frau im Altersheim, und ihre Familie, ihre Enkelin kommt sie besuchen, und sie beklagt sich über das Altersheim und sagt, wie schrecklich das alles hier ist, und am Schluss sagt sie: Und das Essen ist so schlecht, das ist so grauenhaft, das Essen, und die Portionen sind zu klein. Und das ist irgendwie so ein bisschen der Widerspruch, den wir, glaube ich, auch mit unserem Leben haben, ich glaube, das Leben kann durchaus zu lang sein, wenn man es nicht sinnvoll lebt.
Mangel: Daniel Levy, dessen neue Komödie "Das Leben ist zu lang" nächste Woche in den Kinos anläuft und den man sich allein schon wegen des verrückten Ensembles ansehen muss, von Meret Becker bis Yvonne Catterfeld, von Udo Kier bis Kurt Krömer haben Sie da alle zusammengecastet, und ich wünsche Ihnen ganz viel Erfolg. Danke schön fürs Gespräch!
Levy: Ja, danke auch!