Hören Sie zum Thema auch einen Beitrag über die Rekommunalisierung eines Mietshauses in Berlin von Tini von Poser.
Audio Player
Mit Obamas Erfolgsrezept gegen steigende Mieten
Menschen gehen von Tür zu Tür und ermutigen Anwohner, selbst im Stadtteil aktiv zu werden. Mit dieser Basisarbeit war der ehemalige US-Präsident Obama im Wahlkampf erfolgreich. In Berlin soll dieses "Organizing" jetzt gegen steigende Mieten helfen.
Mieter: "Und dann zieh ick nach Brandenburg in Wohnwagen./ Aber Brandenburg is auch nich mehr so günstig./ Aber billiger wie meine Wohnung./ Aber musste nen Stellplatz bezahlen."
Mieterversammlung in der Gropiusstadt. Im Gemeinschaftshaus der Neuköllner Plattenbausiedlung sitzen etwa 30 Bewohner unter grellem Neonlicht. Auf einer Tafel stehen komplizierte Begriffe wie "Umstrukturierungsverordnung" und "Milieuschutzgebiet". Die Bewohner sind aufgebracht. Denn auch hier, jenseits der Berliner Szeneviertel, steigen die Mieten. Eigentümer wie die Deutsche Wohnen modernisieren und legen die Kosten maximal um.
Marlies Pech: "Also für mich persönlich is dit eine drastische Mieterhöhung. Ich hab mir das ausgerechnet, ich zahle 53 Prozent von meiner Rente für die Miete."
Mieterversammlung in der Gropiusstadt. Im Gemeinschaftshaus der Neuköllner Plattenbausiedlung sitzen etwa 30 Bewohner unter grellem Neonlicht. Auf einer Tafel stehen komplizierte Begriffe wie "Umstrukturierungsverordnung" und "Milieuschutzgebiet". Die Bewohner sind aufgebracht. Denn auch hier, jenseits der Berliner Szeneviertel, steigen die Mieten. Eigentümer wie die Deutsche Wohnen modernisieren und legen die Kosten maximal um.
Marlies Pech: "Also für mich persönlich is dit eine drastische Mieterhöhung. Ich hab mir das ausgerechnet, ich zahle 53 Prozent von meiner Rente für die Miete."
Marlies Pech wohnt seit 45 Jahren in der Gropiusstadt.
"Ich muss irgendwas tun. Weil jede Nacht wenn ich im Bett liege, mein Adrenalinspiegel auf 180 ist und ick nich schlafen kann, wenn ich allein daran denke, kriege ich Zustände."
"Ich muss irgendwas tun. Weil jede Nacht wenn ich im Bett liege, mein Adrenalinspiegel auf 180 ist und ick nich schlafen kann, wenn ich allein daran denke, kriege ich Zustände."
In mehreren Häusern haben sich Mieterinitiativen gebildet. Die Bewohner treffen sich jetzt fast wöchentlich. Sie schreiben Briefe, malen Plakate und melden sich im Bezirksparlament zu Wort. Ein solcher Aktionismus ist in der Gropiusstadt ein Novum. Die Plattenbausiedlung aus den 60er-Jahren gilt als sozialer Brennpunkt. Hier wohnen vor allem alte Menschen, Migranten und sozial Schwache. Jeder dritte ist von staatlichen Leistungen abhängig. Die Wahlbeteiligung ist niedrig, Vertrauen in die Politik hat hier kaum einer.
Mieter: "Ich will das jetzt nun nicht nur negativ sehen, aber für mich ist halt ‘nen Politiker, der denkt an die nächste Wahl und nicht an die nächste Generation."
Mieter: "Ich will das jetzt nun nicht nur negativ sehen, aber für mich ist halt ‘nen Politiker, der denkt an die nächste Wahl und nicht an die nächste Generation."
Das Stichwort heißt "Organizing"
Dass sich nun etwas tut, ist das Ergebnis eines Modellprojekts unter dem Stichwort Organizing. Ins Leben gerufen hat es die Linkspartei. Das Prinzip kommt aus den USA.
Im Kern geht es darum, wie Menschen, die sich längst aus dem politischen Prozess verabschiedet haben, aktiviert werden können, um für ihre eigenen Interessen einzutreten. Das Rezept klingt erstmal simpel: Hingehen, Zuhören, Beziehungen und gemeinsam Macht aufbauen – radikale Basisarbeit. Mit welchen Methoden das am besten funktioniert, darum hat sich in den USA eine regelrechte Industrie entwickelt. Große Agenturen bilden Organizer aus und planen Kampagnen. In Deutschland ist Organizing dagegen noch ziemliches Neuland. Erst recht im Mietenbereich. Tony Pohl ist einer der Organizer, der vor rund einem Jahr in die Gropiusstadt kam.
Im Kern geht es darum, wie Menschen, die sich längst aus dem politischen Prozess verabschiedet haben, aktiviert werden können, um für ihre eigenen Interessen einzutreten. Das Rezept klingt erstmal simpel: Hingehen, Zuhören, Beziehungen und gemeinsam Macht aufbauen – radikale Basisarbeit. Mit welchen Methoden das am besten funktioniert, darum hat sich in den USA eine regelrechte Industrie entwickelt. Große Agenturen bilden Organizer aus und planen Kampagnen. In Deutschland ist Organizing dagegen noch ziemliches Neuland. Erst recht im Mietenbereich. Tony Pohl ist einer der Organizer, der vor rund einem Jahr in die Gropiusstadt kam.
"Wir sind halt gestartet, ohne irgendeine Erfahrung mit Organizing zu haben, also wir haben mal was vom Konzept des Organizings gehört, aber wir kannten keine Methoden. Wir sind einfach ins Kalte Wasser gestürzt und haben vieles ausprobiert."
Ran an die Anwohner
Am Anfang stellten sich die jungen Parteimitglieder mit einer Karte der Gropiusstadt auf den zentralen Platz. Wer vorbeikam, sollte dort seinen Wohnort und die Höhe der Mietsteigerung eintragen. Dann folgten Haustürgespräche, Einladungen zum Kennenlernen, Telefonbefragungen. Die Linkspartei unterstützt die Aktivisten durch Seminare mit Organizern aus den USA, die das Handwerk vermitteln.
"Was wir auch machen und das unterscheidet halt Organizing von vielen anderen Formen politischer Arbeit, dass wir halt ganz viel auf eins zu eins-Gespräche setzen, um halt auch dieses Vertrauensverhältnis zu stärken. Weil, und das finde ich ganz wichtig, also habe ich zumindest den Eindruck, das gibt den Leuten das Gefühl wieder an politischen Prozessen teilnehmen zu können."
Manchmal sei die Tür nach ein paar Worten wieder zugegangen, erzählt Tony Pohl.
"Passiert aber tatsächlich sehr selten. Also gerade, wenn es ein Problem gibt, sind die Leute sehr offen für wer immer da kommt. Und generell ist die Erfahrung eher, dass die Leute darauf gewartet haben, dass mal jemand kommt."
Wie erfolgreich man mit dieser Methode sein kann, hat keiner so eindrücklich bewiesen wie Barack Obama. In jungen Jahren hat er als Organizer in den Armenvierteln von Chicago gearbeitet und diese Erfahrung im Wahlkampf genutzt. Tausende Freiwillige zogen für Obama werbend durch die Wohnviertel.
"Man kann das Werkzeug von Organizings nehmen und in andere Bereiche transplantieren, das ist legitim. Aber das ist ein bisschen etwas anderes als zu sagen, wir bleiben im zivilgesellschaftlichen Bereich, um diesen Bereich zu stärken."
Sagt Leo Penta, lange Jahre als Organizer in Brooklyn unterwegs. Der Professor hat sich vorgenommen, das Organizing Konzept nach Deutschland zu importieren. Aber: ganz im Sinne der ursprünglichen Theorie zur Selbstermächtigung und Vernetzung von ganz einfachen Bürgern.
"Ich glaube, wir haben in Deutschland eine gute, wenn oft formale Demokratie, die mit Leben gefüllt werden muss."
"Was wir auch machen und das unterscheidet halt Organizing von vielen anderen Formen politischer Arbeit, dass wir halt ganz viel auf eins zu eins-Gespräche setzen, um halt auch dieses Vertrauensverhältnis zu stärken. Weil, und das finde ich ganz wichtig, also habe ich zumindest den Eindruck, das gibt den Leuten das Gefühl wieder an politischen Prozessen teilnehmen zu können."
Manchmal sei die Tür nach ein paar Worten wieder zugegangen, erzählt Tony Pohl.
"Passiert aber tatsächlich sehr selten. Also gerade, wenn es ein Problem gibt, sind die Leute sehr offen für wer immer da kommt. Und generell ist die Erfahrung eher, dass die Leute darauf gewartet haben, dass mal jemand kommt."
Wie erfolgreich man mit dieser Methode sein kann, hat keiner so eindrücklich bewiesen wie Barack Obama. In jungen Jahren hat er als Organizer in den Armenvierteln von Chicago gearbeitet und diese Erfahrung im Wahlkampf genutzt. Tausende Freiwillige zogen für Obama werbend durch die Wohnviertel.
"Man kann das Werkzeug von Organizings nehmen und in andere Bereiche transplantieren, das ist legitim. Aber das ist ein bisschen etwas anderes als zu sagen, wir bleiben im zivilgesellschaftlichen Bereich, um diesen Bereich zu stärken."
Sagt Leo Penta, lange Jahre als Organizer in Brooklyn unterwegs. Der Professor hat sich vorgenommen, das Organizing Konzept nach Deutschland zu importieren. Aber: ganz im Sinne der ursprünglichen Theorie zur Selbstermächtigung und Vernetzung von ganz einfachen Bürgern.
"Ich glaube, wir haben in Deutschland eine gute, wenn oft formale Demokratie, die mit Leben gefüllt werden muss."
Stadtteile selbst gestalten
Mit seinem Institut für Community Organizing in Berlin unterstützt Leo Penta deshalb die Gründung von Bürgerplattformen. Die sollen die Gestaltung ihrer Stadtteile selbst in die Hand nehmen und auf Augenhöhe mit Politik und Wirtschaft verhandeln können. Organizing meint für ihn gerade NICHT Werbung machen oder Stellvertreterpolitik. Deshalb schaut er mit einer gewissen Skepsis darauf, wenn Parteien wie bei der letzten Bundestagswahl, Obamas Methoden kopieren und an Haustüren um Wähler werben. Oder, wenn Gewerkschaften versuchen, mit Organizing-Methoden neue Mitglieder zu gewinnen, ohne der Basis gleichzeitig mehr Mitsprache einzuräumen.
"Dinge, die in irgendeiner Form politisch gesteuert werden, das ist die Gefahr vor der sich Organizing hüten muss."
In der Gropiusstadt beschwört Tony Pohl, dass es ihm nicht um Werbung für die Linkspartei gehe:
"Es gibt ne ganz zentrale Regel, die bezieht sich auf diese eins-zu-eins-Gespräche, dass man selber nur 30 Prozent hat und der Gesprächspartner 70 Prozent, weil es eben gerade nicht darum geht, dass man die Position der Partei oder seine eigene Meinung kundtut, sondern sich dafür interessiert, was hat der andere eigentlich zu sagen, was ist das Geheimnis von dem, was motiviert ihn."
Am Ende – und da sind sich Leo Penta und der junge Organizer einig – kommt es aber darauf an, dass es nicht beim Zuhören und Kaffee trinken bleibt. Damit die Bürger – wie die Mieter in der Gropiusstadt – wirklich etwas bewegen können, zählen nicht nur gute Gesprächen, sondern eben auch die Masse.
"Wenn‘s immer nur regionale Kämpfe sind, die sich nicht miteinander verbünden, dann wird man wahrscheinlich nicht so viel erreichen. Und die Herausforderung ist gerade bei Mieten, weil es ja Bunderecht ist, ist gerade ‘ne bundesweite Bewegung auf die Beine zu stellen. Und das klappt nur, wenn sich überall regionale Initiativen miteinander verknüpfen und gemeinsam kämpfen."
"Dinge, die in irgendeiner Form politisch gesteuert werden, das ist die Gefahr vor der sich Organizing hüten muss."
In der Gropiusstadt beschwört Tony Pohl, dass es ihm nicht um Werbung für die Linkspartei gehe:
"Es gibt ne ganz zentrale Regel, die bezieht sich auf diese eins-zu-eins-Gespräche, dass man selber nur 30 Prozent hat und der Gesprächspartner 70 Prozent, weil es eben gerade nicht darum geht, dass man die Position der Partei oder seine eigene Meinung kundtut, sondern sich dafür interessiert, was hat der andere eigentlich zu sagen, was ist das Geheimnis von dem, was motiviert ihn."
Am Ende – und da sind sich Leo Penta und der junge Organizer einig – kommt es aber darauf an, dass es nicht beim Zuhören und Kaffee trinken bleibt. Damit die Bürger – wie die Mieter in der Gropiusstadt – wirklich etwas bewegen können, zählen nicht nur gute Gesprächen, sondern eben auch die Masse.
"Wenn‘s immer nur regionale Kämpfe sind, die sich nicht miteinander verbünden, dann wird man wahrscheinlich nicht so viel erreichen. Und die Herausforderung ist gerade bei Mieten, weil es ja Bunderecht ist, ist gerade ‘ne bundesweite Bewegung auf die Beine zu stellen. Und das klappt nur, wenn sich überall regionale Initiativen miteinander verknüpfen und gemeinsam kämpfen."