Werben um Verständnis für Balkan-Flüchtlinge
Für eine Doppelstrategie im Umgang mit Balkan-Flüchtlingen wirbt die Menschenrechtlerin Bosiljka Schedlich. Wer integriert ist, sollte in Deutschland bleiben dürfen und in Südosteuropa wäre die europäische Förderung kleiner Projekte sinnvoll.
Die frühere Geschäftsführerin des Berliner Vereins "Südost Europa Kultur", Bosiljka Schedlich, hat dafür geworben, gut integrierte Balkan-Flüchtlinge das Bleiben zu ermöglichen. Sie sagte im Deutschlandradio Kultur, es gebe viele Menschen, die seit Jahren in Deutschland lebten und deren Kinder in die Kindergärten und Schulen gegangen seien. "Für diese Menschen ist es eine besondere Härte, wenn man sie ausweist, weil die Kinder in ein fremdes Land zurückkehren", sagte Schedlich. "Da wäre es klug, das Geld für die Kindergärten oder Schulen nicht aus dem Fenster geworfen zu haben, sondern die schon integrierten Menschen weiter in die Arbeitsverhältnisse einzubinden, um ihnen eine Chance zu geben."
Kleine Aktionen können helfen
Wer dagegen noch in der Heimat sei, sollte vor Ort in kleinen Projekten unterstützt werden. Das liege in der "europäischen Verantwortung", sagte Schedlich. Sie erinnerte daran, dass nicht jeder in der Fremde eine Chance habe und weggehen wolle. "Es sind manchmal kleine Aktionen, die den Menschen das Leben erleichtern", sagte Schedlich. Der von ihr gegründete Verein habe vor vielen Jahren Sommerschulen für Roma in Bosnien-Herzegowina initiiert.
Erste Erfolge
Das Projekt werde vom Verein "Schüler helfen Leben" weitergeführt. Dabei helfe es schon, Kinder und Familien mit Essen zu versorgen. Das habe viele dazu bewegt, in der Heimat zu bleiben. Acht Schüler hätten ihr Abitur geschafft und sähen sich nach Stipendien für einen Studienplatz um.
Das Gespräch im Wortlaut:
Nana Brink: Uns zugeschaltet ist jetzt die gebürtige Kroatin Bosiljka Schedlich. Sie hat 1991 den Verein südost Europa Kultur in Berlin gegründet, der sich seitdem um rund 30.000 Kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien gekümmert hat. Guten Morgen, Frau Schedlich!
Bosiljka Schedlich: Guten Morgen!
Brink: Wir haben nun erfahren, warum diese Menschen fliehen, und das sind – klammern wir jetzt mal die Gruppe der Roma aus – alles Flüchtlinge, die keinen Asylgrund haben, nämlich Wirtschaftsflüchtlinge. Wie sehen Sie das?
Schedlich: Wenn die Menschen in Not sind, dann wollen sie dennoch überleben, und das ist ein natürlicher Drang nach einem besseren Leben, vor allem für die eigenen Kinder zu suchen. Anders würde es uns in Deutschland auch nicht ergehen. Es ist also normal, dass Menschen fliehen und etwas Besseres suchen. Wie das dann in Deutschland geregelt wird, liegt an den Möglichkeiten, die Deutschland hat. Es gibt unter den Menschen, die dort sind, viele, die seit Jahren dort sind, die in gewisser Weise schon integriert sind, wo Kinder in die Kindergärten oder in die Schulen gegangen sind. Für diese Menschen ist es eine besondere Härte, wenn man sie ausweist, weil die Kinder in ein fremdes Land zurückkehren. Da wäre es klug, das Geld für die Kindergärten oder Schulen nicht sozusagen aus dem Fenster hinausgeworfen zu haben, sondern die schon integrierten Menschen weiter in die Arbeitsverhältnisse einzubinden, um ihnen eine Chance zu geben. Für diejenigen, die noch in der Heimat sind, gilt es, die europäische Verantwortung walten zu lassen und dort Projekte zu entwickeln, damit die Menschen zu Hause bleiben können. Es ist tatsächlich so, dass nicht alle anderswo hinwollen und anderswo auch eine Chance haben.
Brink: Da würde ich gerne mal einhaken, weil Sie sagen, es wäre sinnvoll, den Menschen dort zu helfen, wo sie sind. Wie könnte das denn passieren? Ich meine, Deutschland leistet ja schon in unterschiedlichen Ländern – das hat die Kanzlerin auf ihrer letzten Reise durch den Balkan ja klargemacht – schon erhebliche Unterstützung. Was konkret würden Sie sich wünschen?
Schedlich: Es sind manchmal kleine Aktionen, die den Menschen das Leben erleichtern. Mein Verein hat vor 17 Jahren an zwei Orten in Bosnien zum Beispiel Sommerschulen für Romakinder aufgebaut. Die Kinder wurden eingesammelt, sie gingen zur Schule und bekamen dort das Essen mehrmals täglich. Die Familie, die sie abholte, bekam auch das Essen. Inzwischen sind wir nicht mehr dort als Verein, es gibt einen deutschen Schülerverein und eine Stiftung Schüler Helfen Leben. Sie fordern, den Unterricht, den Sommerunterricht und die Unterstützung beim Lernen dieser Kinder während des Schuljahres. Gleichzeitig leistet eine evangelische Kirchengemeinde aus dem Ort Großbeeren südwestlich von Berlin humanitäre Hilfe. Sie sammeln Kollekten und bringen ihr Geld dorthin und kaufen vor Ort Lebensmittel für die Kinder, die regelmäßig zur Schule gehen, und für andere bedürftige Kinder. Sie sammeln auch andere Hilfen für die Kinder, die sich was wünschen. Schon das führt dazu, dass die Familien nicht daran denken, den Ort zu verlassen. Sie haben die Grundnahrungsmittel aus diesen Hilfen, sie bleiben vor Ort, und wir haben inzwischen acht Abiturienten aus diesen Gruppen der Romakinder, die jetzt ein Studium wollen und die sich um europäische Stipendien bewerben. Das heißt, es ist nicht immer der Staat, der helfen muss, es können auch Menschen sich organisieren, und das tut ihnen gut. Der Pfarrer in Großbeeren sagte, dass seine Gemeinde davon lebt, sich mit den Menschen dort zu verbinden und etwas Konkretes zu tun und abzugeben. Das große Problem kann nicht ein Mensch lösen, aber kleine Dinge, das wäre möglich.
Brink: Also gerade die junge Generation, von der Sie ja gesprochen haben, das wäre ja so unglaublich wichtig, die dort zu halten, damit sie nämlich ihr Land aufbauen.
Schedlich: So ist es! Es ist wirklich nicht möglich, dass alle weggehen, und es ist auch hart und schwer, anderswo anzukommen. Das dauert lange. Man fängt als Erwachsener von null an. Man hat fast nichts, als Mensch ohne einen gelernten Beruf auch wenige Chancen am Arbeitsmarkt. Und insofern ist es sinnvoller, sich umzuschauen, was vor Ort an Betrieben möglich und sinnvoll ist. Die gab es früher, die sind inzwischen eingegangen in der Zeit der Transformation, und neue Betriebe sind nicht entstanden, die dort auch notwendig wären. Das heißt, wenn man Kleinbetriebe unterstützt, die etwas produzieren, was vor Ort auch notwendig ist, dann ist das auch eine große Hilfe. Dieses könnte über die europäischen Strukturfonds laufen, die auch nicht zum Zuge kommen, weil nicht genug Menschen vor Ort davon etwas verstehen. Das heißt, es bedarf einer strukturierten Hilfe der europäischen Gelder, und es bedarf kleiner Unterstützungen von der Basis, von Menschen, die sich anderswo engagieren wollen, damit Menschen zu Hause bleiben und damit sie sich nicht als verlassen vorkommen. Es ist auch so, dass man über Medien tatsächlich über die Not von Flüchtlingen in Deutschland berichten könnte, die nicht ankommen. Für die vor Ort ist es zuerst ganz wichtig, dass die Kinder satt werden. Solange das nicht der Fall ist, ist der Drang danach, zu gehen, immer groß, und da muss man ansetzen.
Brink: Herzlichen Dank, Bosiljka Schedlich, die Menschenrechtlerin. Sie hat den Verein südost Europa Kultur gegründet. Danke, Frau Schedlich, für das Gespräch!
Schedlich: Bitte schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.