"Es gibt heute mehr Sklaven als jemals zuvor"
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Heute vor 400 Jahren traf an der Ostküste Amerikas ein Schiff ein, das erstmals Sklaven aus Afrika in die Neue Welt brachte. Die brutale Ausbeutung von Menschen gibt es noch immer. Seit damals habe sich im Grunde nichts geändert, sagt der Menschenrechtler Dietmar Roller.
Die Sklaverei ist eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte Amerikas - und noch heute spüren die USA schmerzhaft die Folgen. Sklaven machten ehemals die Arbeitskraft auf den Zucker- und Baumwollplantagen billig, es war ein Geschäftsmodell, wie der Menschenrechtler Dietmar Roller sagt.
Und ist es noch immer. "Wenn man Sklaverei definiert als dass Menschen zur Ware werden, dann hat sich eigentlich nichts verändert", betont Roller. Es gebe weltweit rund 40 Millionen Menschen in sklavenähnlichen Verhältnissen - das seien mehr Menschen als jemals zuvor.
In Indien zum Geldverleiher
Roller, Vorstandsvorsitzender der christlichen Menschenrechts-NGO "International Justice Mission" Deutschland, spricht von moderner Sklaverei. Es geht um Menschen, die sich in der Regel in Schuldknechtschaft befinden. Die gingen beispielsweise in Indien zum Geldverleiher, weil ein Kind krank sei: "Dann kann man die horrenden Zinsen nicht zurückbezahlen."
In der Folge müsse der Schuldner den Kredit abarbeiten, die ganze Familie werde hunderte von Kilometer vom Heimatort weg in einen Steinbruch gebracht - und müsse für Transport, Unterkunft und Verpflegung so viel zahlen, dass sie immer mehr Schulden mache.
In der dritten Generation Eigentum von jemandem
"Wir haben Menschen befreit aus solchen Situationen, die in der dritten Generation wegen 20 Euro Eigentum von jemandem waren", berichtet Roller. Er habe ein Mädchen kennengelernt, das im Alter von sechs, sieben Jahren nach einer solchen Befreiung ein Bild gemalt, erstmals überhaupt einen Stift in der Hand gehabt habe.
Vorher hatte das Mädchen Steine geklopft - sie hatte im Alter von vier Jahren angefangen: "Sie kannte nichts anderes. Und es (das Malen) war für sie eine Offenbarung: Ich kann noch mehr."
Roller schätzt den Gewinn aus Sklaverei auf 150 Milliarden Euro im Jahr. Das sei einer der "lukrativsten Geschäftsbereiche neben Drogen- und Waffenhandel".
"Und dann schmeißt man die Menschen weg"
Besonders viel Geld könne man im Bereich der modernen Sklaverei mit sexueller Ausbeutung machen. Hierzu gehöre die Zwangsprostitution - aber auch Ausbeutung beim Online-Live-Sex, wo oft auch Kinder missbraucht würden.
Die Ausbeutung sei heute dieselbe wie früher, sagt Roller: "Bis dahin, dass man ihnen oft nicht mal einen Arzt genehmigt, weil es günstiger ist, jemand anders wieder reinzuholen. Und man lässt sie ganz häufig in dieser Situation sterben."
Zumindest aber müssten die modernen Sklaven arbeiten, "bis sie nicht mehr können. Und dann schmeißt man sie wie Ware weg."
(ahe)