Menschenrechtler werfen Putin "Hexenjagd" vor

Von Gesine Dornblüth |
Unter Wladimir Putins aktueller Präsidentschaft haben sich die Bedingungen für Regierungskritiker in Russland verschärft. Die Menschenrechts- organisationen Human Rights Watch und Amnesty International sprechen von einer Dämonisierung jener Teile der Zivilgesellschaft, die nicht vom Kreml kontrolliert werden.
Es war das erste Mal, dass Amnesty International und Human Rights Watch ihre Berichte in Moskau gemeinsam vorstellten. Aus gutem Grund, wie Sergej Nikitin meinte, Direktor von Amnesty International in Russland.

"Seit März werden landesweit massenhaft gesellschaftliche Organisationen durchsucht. Es kommen Staatsanwälte, Mitarbeiter des Justizministeriums, des Innenministeriums, der Steuerbehörde, sogar der Brandaufsicht und Mediziner zu denen, die Menschenrechtsarbeit machen. Unserer Ansicht nach ist das ein Angriff auf die Zivilgesellschaft Russlands."

Die Mediziner prüfen die Impfpässe der Menschenrechtler. Während der Pressekonferenz von Amnesty International und Human Rights Watch durchsuchte die Staatsanwaltschaft heute das Levada-Zentrum, ein unabhängiges Meinungsforschungsinstitut in Moskau.

In Kirow, 900 Kilometer weiter im Osten, nahm der Prozess gegen den populären Regierungskritiker und Antikorruptionskämpfer Aleksej Nawalnyj Fahrt auf. Das Gericht lehnte die Anträge der Verteidigung auf Einstellung des Verfahrens ab. Nawalnyj wird beschuldigt, einen staatlichen Holzbetrieb falsch beraten und ihm so einen Verlust von 400.000 Euro zugefügt zu haben. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Haft – in einem offenbar politischen Verfahren, wie Tatjana Lokschina von Human Rights Watch anmerkte:

"Das ist kein gewöhnlicher Wirtschaftsprozess, der politische Kontext ist offensichtlich."

Besorgnis äußerten die Menschenrechtler auch über die Propaganda regierungstreuer Medien gegen unabhängige NGOs. Rachel Denber von Human Rights Watch:

"Es geht darum, jene Teile der Zivilgesellschaft, die nicht vom Kreml kontrolliert werden, zu marginalisieren und zu dämonisieren. Die öffentliche Meinung soll gegen demokratische Ideen aufgebracht werden."

In ihren Berichten weisen die Organisationen darauf hin, dass Russland gegen diverse internationale Verpflichtungen verstößt, die es selbst eingegangen ist. Sie fordern die Regierung auf, die restriktiven Gesetze zurückzunehmen. Den internationalen Partnern Russlands empfehlen die Menschenrechtler, bei jeder Gelegenheit öffentlich und privat ernsthafte Besorgnis über die Angriffe auf die Zivilgesellschaft zu äußern.

Auf die Frage, wie lange Amnesty International und Human Rights Watch angesichts der erschwerten Verhältnisse überhaupt noch in Russland arbeiten können, sagte John Dalhuisen von Amnesty International:

"Allein, dass Sie fragen, ob wir aus dem Land geworfen werden, ist alarmierend genug. Aber noch sind wir nicht so weit."
Mehr zum Thema