"Ich habe mich immer für einen harten Kerl gehalten"
Fast zehn Prozent der Weltbevölkerung leiden unter Depressionen, zeigen neue Zahlen der WHO. Viele Menschen neigen zur Verdrängung ihrer Krankheit. Das sei vor allem für Männer typisch, sagt ARD-Korrespondent Holger Senzel – er hat seinen Leidensweg öffentlich gemacht.
Weltweit leidet nahezu jeder zehnte Mensch an Depressionen oder Angstzuständen. Das haben die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Weltbank zum Auftakt einer zweitägigen Konferenz über mentale Krankheiten in Washington mitgeteilt. Es handele sich um insgesamt 615 Millionen Menschen, seit 1990 sei die Zahl um fast 50 Prozent angestiegen.
Holger Senzel, derzeit ARD-Korrespondent in Singapur, schilderte im Deutschlandradio Kultur seinen Leidens- und Erkenntnisweg im Umgang mit der Krankheit. Er habe lange Zeit überhaupt nicht daran gedacht, dass er eine Depression haben könnte:
"Das ist, glaube ich, typisch für Männer. Ich war als Krisenreporter unterwegs, ich war erfolgreich im Beruf. Ich habe mich immer für einen harten Kerl gehalten. An Depression habe ich wirklich nie gedacht. Bis ich eines Tages mit meinem Jagdgewehr im Mund da saß."
"Kein Mensch will zeigen, dass er schwach ist"
Es folgte eine jahrelange Therapie, die er zunächst als schwere Kränkung empfunden habe, sagte Senzel. Dann habe er festgestellt, dass viele Menschen ähnliche Probleme hätten:
"Das war eine erstaunliche Erfahrung: Dass ich dann sehr offen mit der Krankheit umgegangen bin und mit vielen Leuten gesprochen habe – auch Leute, von denen ich immer dachte, sie hatten ihr Leben im Griff. Kein Mensch will irgendwie zeigen, dass er schwach ist."
Wege aus der Machtlosigkeit
Seine Lebenserfahrung hat Senzel in dem 2011 erschienenen Buch "Arschtritt - Mein Weg aus der Depression zurück ins Leben" festgehalten.
Damit habe er sich auch aus dem in der Therapie angewendeten "ständigen Kreisen um sich selbst" befreien wollen, meinte der Autor. Er habe dem Gefühl der Machtlosigkeit entkommen wollen und sich ein bestimmtes Programm verordnet:
"Indem ich nämlich das, was ich gerade alles nicht ändern kann – also Einsamkeit, die Sinnfrage, all die großen Themen des Lebens – schlicht ignoriere und einfach sage: Ich mache jetzt das, was ich ändern kann und worüber ich Macht habe. Ich höre auf, Alkohol zu trinken, ich höre auf zu rauchen, ich treibe jeden Tag Sport."