Merchandise im Pop
Das gute alte Fan-Shirt ist auch nicht mehr das, was es mal war. Heute wollen neben der Band noch viele andere mit daran verdienen. © Getty Images/Redferns/Ebet Roberts
Wer mit Band-Shirts Kasse macht
07:21 Minuten
In den 90ern waren Band-T-Shirts sehr populär. Inzwischen haben auch unbekanntere Künstler und Künstlerinnen ein breites Merchandise-Sortiment, um neben der Musik Geld zu verdienen. Aber was, wenn diese Erlöse nicht mehr nur bei den Bands landen?
T-Shirts, Vinyl in verschiedenen Farben, Badehosen, ein Longsleeve – alles Fair Trade: Diese Dinge mit dem Bandnamen der Surfpunk-Band Drens drauf könnten die Fans bei der Tour Anfang Juni kaufen, sagt Fabian, der zur Band gehört. Das sei – wie für viele Bands – die Möglichkeit, überhaupt noch Geld zu verdienen mit einer Tour. „Als nicht riesige Band ist Spotify zum Beispiel kein wirtschaftlicher Faktor.“
Obwohl ihre Songs zwischen 20.000 und 250.000 Mal angehört wurden. „Merch hilft uns finanziell, dass wir das realisieren können, was wir machen.“ Also neue Songs aufnehmen, Videos drehen.
Merch macht grob ein Viertel ihrer Bandeinnahmen aus. Fanartikel sind hier also gleichzusetzen mit Support von Künstlerinnen und Künstlern.
Auch wenn die eigentliche Hochphase des Fanshirts längst vorbei ist. Kiss hat schon in den 1970er-Jahren Brotdosen, Kondome und – klar – T-Shirts mit dem eigenen Logo drauf verkauft. Spätestens in den 90ern und Nullerjahren hat jeder, der etwas auf den eigenen Musikgeschmack gegeben hat, die Lieblingsband auf der Brust vor sich hergetragen und mit dem Band-Button die Jeansjacke geschmückt.
Wo ist noch etwas bei Künstlern zu holen?
Mittlerweile gehören Taschen, Jacken, Socken, Badelatschen, Badehosen, Mützen, Tassen, Gürtel, Schals, Kaffeebecher, Stifte, Lego-Sets zum Merchandise-Sortiment, mit dem Künstlerinnen und Künstler ihre Bandkasse aufbessern, wenn sie schon mit der eigentlichen Musik wenig bis nichts verdienen können.
Aber was ist, wenn diese Erlöse aus Shirts & Co. gar nicht mehr nur bei den Bands landen? Dass da was zu holen ist, haben in den vergangenen Jahren auch andere mitbekommen. In den späteren Nullerjahren sei da ein Konzept entstanden, als die großen Labels Angst hatten um ihre Einnahmequellen, als Tonträger nicht mehr die Haupteinnahmequelle waren, sagt Julian Loewe vom Indielabel, Künstler*innenmanagement und Verlag Neubau. Er gehört zum Vorstand des Verbands unabhängiger Musikunternehmen (Vut).
Damals hätten die Majorlabels überlegt: Wo kann man noch Prozente bei den Künstlerinnen und Künstlern ziehen?
Hunderte Millionen mit Band-Shirts
Warner, Sony und – ganz vorne – Universal sind schon lange nicht mehr nur Label, sondern Musikfirmen, die sich an allem, was Künstlerinnen und Künstler machen, beteiligen. So auch am Merchandise. Bravado heißt die dafür zuständige Tochtergesellschaft von Universal.
Vertragsdetails sind nicht bekannt, aber Julian Loewe meint, „dass es teilweise auch Verträge gibt, wo es Bedingung ist, dass man auch das Merchandising über die jeweiligen Tochtergesellschaften herstellen lässt und das selbst noch mal kaufen muss“. Dass Künstlerinnen und Künstler also Produkte mit ihrem eigenen Namen drauf kaufen müssen, um sie dann an ihre Fans weiterzuverkaufen.
Von Bravado selbst hatte keiner Zeit, mit uns zu sprechen. Aber die Unternehmenszahlen zeigen, wie viel Universal mit T-Shirts von Billie Eilish, Scooter, Maxim oder Bosse verdient: 2021 waren es 363 Millionen Euro. Tendenz steigend. Auch, weil Bravado exklusiv auf großen Festivals wie dem Splash oder dem Lollapalooza das Merchandise verkauft.
Auch Locations und Veranstalter wollen Prozente
Dass die großen Labels wie Universal sich um das Merch-Geschäft ihrer Musikerinnen und Musiker kümmern, mag für große Weltstars wie Bruce Springsteen in Ordnung und sogar praktisch sein, meint Michael Lößl, Geschäftsführer des Merchandise-Vertriebs Krasserstoff, der Fanartikel von Casper, K.I.Z., Kraftklub, Annenmaykantereit und anderen vermarktet.
Nur: Von den großen Labels komme das ganze Spiel. Durch solche Weltstars mit langen Tourneen scheine sich ein Prozedere zu verbreiten, das viele Künstlerinnen und Künstler mit Argwohn beobachteten, sagt Lößl.
Weil nicht nur Universal, Sony und Warner die Hand aufhalten, sondern mittlerweile auch immer mehr Konzertlocations und -veranstalter. Schon 2019 sei das losgegangen: Als Casper und Materia in der Waldbühne in Berlin aufgetreten sind, machten sie Schlagzeilen wie die: „Kein Shirt-Verkauf: Casper und Marteria setzen mit ungewöhnlichem Schritt ein Zeichen.“
Der Hintergrund: Die Waldbühne beziehungsweise der Betreiber Eventim wollte prozentual am Verkauf der Shirts beteiligt sein. „Die wollten einfach für unsere Verhältnisse viel zu viel Geld“, erinnert sich Michael Löß. Wie viel Prozent genau, das darf er nicht sagen. In US-Medien ist immer mal von zehn bis 30 Prozent die Rede.
Denn das Beispiel ist kein Einzelfall: Vor allem in den USA und England regen sich immer öfter Bands auf Twitter über diesen sogenannten Merch Cut auf. Als die britische Band „Dry Cleaning“ im März dieses Jahres im O2 Forum in London gespielt hat, wurde auch kein Merch verkauft – pro Shirt sollte nämlich 25 Prozent an den Hallenbetreiber gehen. Und an Universal – denn das Label kümmert sich vor Ort um den Merch-Verkauf.
Obwohl „Dry Cleaning“ nicht bei Universal unter Vertrag steht, verdient das Label an deren Shirts mit, wie eine Recherche des britischen Guardian gezeigt hat.
119 Euro Gebühr für Shirt-Verkauf
Und hier in Deutschland? Jetzt, wo es nach dem Ende der Pandemie aussehe, „rollt das Ganze wieder an und jeder ist davon betroffen gewesen“, sagt Michael Löß, der Fanartikel unter anderen von Casper, K.I.Z., Kraftklub, Annenmaykantereit vermarktet. Jetzt versuche jeder, sich ein Scheibchen mehr vom Kuchen abzuschneiden. „Der ganze Kampf wird immer größer.“
Bisher ist das vor allem in großen Konzerthallen der Fall, sagt er. Die meisten kleinen Clubs in Deutschland für 500, 1000 oder 2000 Besucherinnen und Besucher lassen die Bands einfach so ihren Merch-Stand aufbauen. Und viele Indiekünstlerinnen und -künstler sind mit dem Merch Cut noch gar nicht in Berührung gekommen.
Aber hier und da kommt es schon mal vor – wie in einem Berliner Club, in den rund 600 Fans passen, der 119 Euro Gebühr von einer Band nimmt, damit die ihre Shirts verkaufen darf. Wenn eine Gruppe wie die Newcomer Drens grob ein Viertel des Geldes für sich behalten kann – dann geht wohl der Großteil in solchen Fällen an den Club. Künstlerinnen, Künstler und Bands direkt zu unterstützen – und nicht noch ein paar große Konzerne nebenher – wird damit für Fans immer komplizierter.