Albrecht von Lucke ist Jurist, Politikwissenschaftler und politischer Publizist. Seit 2003 ist er Redakteur der Monatszeitschrift "Blätter für deutsche und internationale Politik".
Die Regierenden der Länder unter Zugzwang
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Das Fehlereingeständnis der Kanzlerin bezüglich der Osterruhe war nicht ohne Kalkül: Nun seien die Länderchefinnen und -chefs stärker in der Pflicht, Lösungen in der Coronakrise zu finden, sagt der Publizist Albrecht von Lucke.
Die Entschuldigung von Bundeskanzlerin Angela Merkel für die fehlgeplanten Osterruhetage beurteilt der Publizist Albrecht von Lucke als taktisch klugen Zug. Er erkennt bei der Kanzlerin "Kalkül": Die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten, die die ursprüngliche Entscheidung mitgetragen hatten, stünden nun "nackt" da und hätten den Schaden auszubaden.
Zum einen hätten einige ihre Mitschuld sofort eingeräumt – "bemerkenswerte Reaktionen", wie von Lucke findet. Zum anderen stehe die Frage im Raum: "Wird man sich weiterhin dieses Instrumentariums einer Ministerpräsidentenkonferenz mit der Kanzlerin an der Spitze befleißigen können oder braucht man eine völlig neue Institution?" Nun seien die Länderchefinnen und -chefs gezwungen, zu einer neuen Form des Regierens zu kommen: "Das ist natürlich ein gewaltiger Anspruch."
Merkel ist nicht qua Gesetz "Herrin des Verfahrens"
Die "eigentliche Crux" sieht von Lucke in der Tatsache, dass Merkel in der Coronakrise über ein Jahr lang eine "Dominanz und eine Leitrolle übernommen" habe, die ihr qua Verfassung im Kern nicht notwendigerweise zustehe. Sondern vielmehr den Landesparlamenten. Es sei indes der Eindruck entstanden, dass Merkel "Herrin des Verfahrens" sei. "Sie hat es ja auch bewusst an sich gezogen. Und jetzt sind plötzlich die Vorhänge weg, die Ministerpräsidenten müssen sich ihrer Verantwortung weit stärker stellen." Der "Modus 12- bis 15-stündiger Nachtsitzungen" sei nach seiner Auffassung jedenfalls gescheitert.
(bth)