"Wir brauchen jetzt einen langen Atem"
Angela Merkel hält in der Flüchtlingspolitik an ihrer "Wir schaffen das"-Rhetorik fest - und lässt den aus München polternden CSU-Chef Horst Seehofer abblitzen. Deutschland müsse für Flüchtlinge mehr Geld in die Hand nehmen, fordert die Kanzlerin. Darüber zu sprechen, sei ihre Pflicht.
Diese Frau lässt sich nicht in die Enge treiben. Mag sie die eigene Partei und jetzt auch der Koalitionspartner noch so sehr kritisieren: Angela Merkel bleibt bei ihrem "Wir schaffen das". Probleme sind dazu da, dass sie schnell gelöst werden, lamentieren hilft uns nicht weiter, das ist die Botschaft, die sie im Interview der Woche des Deutschlandfunks zu setzen sucht:
"Ich hab' für mich 'ne klare Haltung, ich glaube, dass es keinen Sinn macht, sich darüber zu ärgern, dass wir jetzt dieses Problem haben oder zu sagen, wo kommt das jetzt her, und ich will das Problem jetzt wieder loswerden, sondern das wir es annehmen müssen, gestalten müssen, das wird einen langen Atem brauchen. Und wir werden auch mehr Geld in die Hand nehmen müssen, um die Lebenssituation der Flüchtlinge zum Beispiel in der Türkei, zum Beispiel im Libanon, in Jordanien zu verbessern. Darüber zu sprechen ist meine Pflicht, und ich tue das auch gerne!"
Permanente Attacken aus der eigenen Schwesterpartei: Merkel scheint das kalt zu lassen. Beim Termin im Kanzleramt gibt sie sich demonstrativ entspannt, sie erfreut sich an der Herbstsonne und den bunten Ahorn-Bäumen vor ihrem Regierungssitz, sie freut sich über 25 Jahre Deutsche Einheit, spricht davon, dass Helmut Kohl doch recht behalten habe mit den blühenden Landschaften.
Seehofer fehlt demonstrativ
Und der CSU-Chef? Er fehlt bei den Einheitsfeierlichkeiten, ebenfalls demonstrativ. Horst Seehofer sitzt dann im Studio des Bayerischen Fernsehens. "Ich werde in München gebraucht!" betont der bayerische Ministerpräsident. Vom "Wir schaffen das!" der Kanzlerin will er nach wie vor nichts wissen:
"Unsere Möglichkeiten sind erschöpft. Kein Land auf dieser Erde kann solche Flüchtlingsströme verkraften auf Dauer. Wir können nicht mehr, wir sind überfordert, wir haben die Kapazitätsgrenze erreicht. Mehr geht nicht mehr, wenn jetzt nicht in den nächsten Wochen das Ruder rumgeworfen wird, die Zuwanderung begrenzt wird, dann haben wir einen Kollaps mit Ansage. Wir können es nur vermeiden gemeinsam mit der Bundesregierung!"
Ein klarer Appell an die Kanzlerin also. Selbst am Asylrecht will mancher in der CSU rütteln. Schnelle Abschiebung gleich bei der Aufnahme, wenn Menschen aus sicheren Drittstaaten kommen, ja, sagt Merkel, Sachleistungen statt Bargeld, auch das befürwortet die Kanzlerin:
"Ich sehe aber keine Änderung des Asylrechts so wir es jetzt haben. Aber durchaus Änderungen im Verfahren und Änderungen, wie wir sie jetzt ja auch vorschlagen in den Konditionen, in den Bedingungen, wie dann auch die Rückführung und die Ausreise zu erfolgen hat. Schutz können wir nur all denen gewähren, die Schutz brauchen, wenn wir an der anderen Stelle auch konsequent sind. "
Auf dem richtigen Weg
Merkel sieht sich auf dem richtigen Weg, fühlt sich bestärkt auch durch Joachim Gauck - interpretiert ihn anders, als die, die aus seinen Äußerungen auch Skepis heraushören wollen
Gauck: "Wie 1990 erwartet uns alle eine Herausforderung, die Generationen beschäftigen wird. Doch anders als damals soll nun zusammenwachsen, was bisher nicht zusammengehörte!"
Merkel: "Das teile ich, dass wir die Kraft, die wir im Zuge der Deutschen Einheit gespürt haben, jetzt auf eine andere Aufgabe lenken können, aber auch lenken sollten!"
Zäune zu errichten, das hilft uns nicht weiter. Menschen an den EU-Außengrenzen abfangen, schnell darüber entscheiden, wer bleiben darf und die Fluchtursachen bekämpfen, darauf will sie sich Merkel konzentrieren. Wie also will sie ihren Draht zum russischen Präsidenten, um Syrien zu befrieden und so den größten Flüchtlingsstrom zu stoppen? SPD-Chef Sigmar Gabriel hat bereits dazu geraten, die Ukraine-Sanktionen zu lockern, um Putin einzubinden:
"Jeder wird so klug sein zu wissen, dass man nicht auf der einen Seite dauerhaft Sanktionen aufrecht erhalten kann, auf der anderen Seite darum bitten kann, zusammen zu arbeiten!"
Die Kanzlerin, die in sich selbst ruht
Merkel widerspricht ihrem Vizekanzler deutlich:
"Nein! Also diesen Zusammenhang sehe ich überhaupt nicht. Das Eine hat mit dem Anderen überhaupt nichts zu tun!"
Merkel, die Kanzlerin die in sich selbst ruht. Der Dauerbeschuss aus München scheint sie nicht zu treffen. Dass sie die in Ungarn gestrandeten Menschen nach Deutschland holte - auch das betont sie gegenüber unserem Sender noch einmal - war richtig, und kein kaum wiedergutzumachender Fehler, wie es Horst Seehofer wertet:
"Es gibt Dinge, da gibt es unterschiedliche Meinungen. Ich habe diese Entscheidung als Bundeskanzlerin zu treffen. Ich habe sie getroffen und halte sie nach wie vor für richtig!"