"Ich finde das frappierend, diese Sachlichkeit"
In einem Zeitungsinterview hat Kanzlerin Angela Merkel nun auf die EU-Reformvorschläge von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron reagiert. Eine ganz schön "sachliche und pragmatische" Antwort, findet Politikwissenschaftlerin Claire Demesmay, gerade im Vergleich zu Macrons Pathos.
Das lange Warten hat ein Ende. Seit Monaten hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron auf eine Antwort aus Berlin auf seine EU-Reformvorschläge gewartet. Nun kam sie. Am Wochenende bezog Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Stellung, in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS).
Sie äußerte konkrete Vorstellungen zum Aufbau eines Investitionshaushalts für die Eurozone. Dessen Budget solle im "unteren zweistelligen Milliardenbereich" liegen. Ein weiteres Reform-Vorhaben Macrons ist es, den Euro-Rettungsfonds ESM zu einem Europäischen Währungsfonds weiterzuentwickeln. Merkel schlug vor, Ländern mit kurzfristigen Krediten zu helfen, die durch äußere Umstände in Schwierigkeiten geraten. Unterstützung bekundete die Kanzlerin außerdem für den von Macron vorgeschlagenen Aufbau einer europäischen Eingreiftruppe.
"Das kontrastiert ganz stark den Ansatz von Macron"
Eine nüchterne Antwort auf die Zukunftsvisionen Macrons, meint Claire Demesmay von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). "Ich finde das frappierend, diese Sachlichkeit. Man findet auch ganz viel Pragmatismus. Und das kontrastiert ganz stark den Ansatz von Macron - mit viel Ehrgeiz, mit einem Anspruch, auch einem Traum. Und, ich würde sagen, bei Macron hört man in seinen Reden auch Pathos."
Um die Europäische Union voranzubringen, brauche man jedoch beides: "Den Pathos und den Traum von Macron, um Ideen zu haben, für die Zukunft der EU", um nicht nur in "kleinen Schritte immer weiter zu machen". Aber auch deutsche "Rationalität und Pragmatismus, um zu sagen: Ja, gut, ein Budget für die Eurozone, warum nicht? Aber wozu?"
"Bloß die anderen Partner nicht brüskieren"
Aus französischer Perspektive werde auf den "großen Wurf" gesetzt, "weil wir viel mit Krisen zu tun haben", beispielsweise in Italien. Aus deutscher Perspektive habe "der Zusammenhalt der Europäischen Union" Priorität. "Also, bloß die anderen Partner nicht brüskieren. Und das hört man auch ganz gut heraus, in dem Interview von Angela Merkel, wenn sie sagt: Ja, die deutsch-französische Zusammenarbeit ist wichtig, aber es sind auch die anderen. Und wir müssen auch mit den anderen klarkommen und Positionen finden."
Trotz dieser unterschiedlichen politischen Kulturen, glaubt Claire Demesmay: "Wenn der Wille auf beiden Seiten wirklich da ist weiterzugehen, dann kann das auch funktionieren. Die Frage ist, sind wir damit schnell genug." (lk)