„Eine gut inszenierte Drohung“
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Die Kanzlerin erhöht den Druck auf die Länder und deutet in der Pandemie ein Eingreifen des Bundes an. Der Jurist Steffen Augsberg bewertet ihre Äußerung eher als Appell, eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes sei nicht kurzfristig umzusetzen.
Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldet, dass die Sieben-Tage-Inzidenz weiter steigt. Bundeskanzlerin Angela Merkel will deswegen, dass alle Länder sich an die Abmachungen halten und die vereinbarte Notbremse ziehen. Einige Länderchefs üben sich dagegen in der "Vorwärtsverteidigung": Sie möchten in Modellprojekten tetsten, wie Coronamaßnahmen jenseits des Lockdowns aussehen und funktionieren könnten.
Nun deutet Angela Merkel an, dass der Bund mehr den Ton angeben muss. Innenminister Horst Seehofer stimmt zu: Der Bund solle einheitlich festlegen, was bei welcher Inzidenz passiere.
Infektionsschutzgesetz lässt sich nicht ohne Weiteres ändern
"Es ist ein Hinweis darauf, dass die Möglichkeit besteht, dass der Bund das Infektionsschutzgesetz ändert" und dadurch mehr Kompetenzen "an sich zieht", sagt Steffen Augsberg, Professor für öffentliches Recht an der Universität Gießen.
Ganz so einfach sei das jedoch nicht: Um das Gesetz zu ändern, brauche es zum einen Zeit. Zum anderen habe der Bundesrat – und damit die Länderchefs – eine Einspruchsmöglichkeit. "Insofern sind die Länder immer mit im Boot." Deutschland habe eben ein "föderales System, wo wir aufeinander angewiesen sind". Insofern bewertet Augsberg die Äußerung Merkels eher als "eine gut inszenierte Drohung" mit dem Appell, sich zusammenzuraufen.
Auch die Darstellung Merkels, sie habe die Letztverantwortung bezüglich der Coronamaßnahmen, kritisiert Augsberg als "Zuspitzung oder Übersimplifizierung". Schließlich lebe unser politisches System von einer horizontalen und vertikalen Gewaltenteilung. "Das ist eigentlich die Idee der Pluralität, des Austauschs, der Kooperation, die da zum Tragen kommt. Und das herunterzubrechen auf eine einzige Person, die das alles entscheiden kann, das wäre, glaube ich, eine sehr unglückliche Interpretation des geltenden Verfassungsrechtes."
Von Modellprojekten lernen
Augsberg sieht im föderalen Prinzip ein System, das sich auch in "in der Krise bewährt hat." Schließlich gebe es bezüglich Corona "unterschiedliche Einschätzungen" und nicht "die eine einzige richtige Lösung", betont der Rechtswissenschaftler.
"Und dementsprechend ist es, glaube ich, auch etwas eigenartig, wenn man jetzt denkt, wir könnten das den Ländern entsprechend oktroyieren." In Modellprojekten wie beispielsweise im Saarland könne man aber auch Dinge ausprobieren, ohne gleich in ganz Deutschland eine rasante Erhöhung der Inzidenzwerte zu riskieren.
"Daraus können wir lernen", sagt Augsberg. "Dinge auch mal ausprobieren, das ist so dringend notwendig", betont er. Gerade in einer Zeit, "in der wir irgendwie immer noch so ein bisschen fantasielos immer die gleichen Maßnahmen aus dem Koffer holen."
(lkn)