Immer wieder in die Heimat
Kleine und große Verlage und dabei etablierte Autoren ebenso wie Debütanten: Auf der Frankfurter Buchmesse ist "Heimat" und die Auseinandersetzung mit ihr das ganz große Thema. Und nicht immer geht es dabei ernst zu.
Heimat, die Suche nach Orten, Identitäten - diesen Fragen begegnet man an vielen Ständen auf dieser Buchmesse:
"Wir haben das Thema Heimat dieses Jahr aufgenommen, weil wir viele Manuskripte bekommen haben, die dieses Thema beschreiben. Was ist Heimat, was kostet Heimat, wo ist meine Heimat. Willkommen in meiner Heimat."
Sewastos Sampsounis leitet einen der aufstrebenden Kleinverlage Frankfurts. Nicht nur, weil er selbst griechische Wurzeln hat und nicht nur, weil die Flüchtlingskrise zur Zeit alle Welt beschäftigt, richtet er ein besonderes Augenmerk auf Autoren, die sich mit Fragen des Ankommens beschäftigen. Sondern auch, weil seine Heimatstadt Frankfurt schon seit vielen Jahrzehnten ein Schmelztiegel ist.
"Wir haben das Thema Heimat dieses Jahr aufgenommen, weil wir viele Manuskripte bekommen haben, die dieses Thema beschreiben. Was ist Heimat, was kostet Heimat, wo ist meine Heimat. Willkommen in meiner Heimat."
Sewastos Sampsounis leitet einen der aufstrebenden Kleinverlage Frankfurts. Nicht nur, weil er selbst griechische Wurzeln hat und nicht nur, weil die Flüchtlingskrise zur Zeit alle Welt beschäftigt, richtet er ein besonderes Augenmerk auf Autoren, die sich mit Fragen des Ankommens beschäftigen. Sondern auch, weil seine Heimatstadt Frankfurt schon seit vielen Jahrzehnten ein Schmelztiegel ist.
"Zum Beispiel haben wir eine Autorin aus Armenien, Agapi Mkrtchian 'Die Deutschen essen kein Brot'. Oder Tuula Greß aus Finnland, dann aus Kanada, aus Iran, aus Afghanistan. Alle dieses Frauen sind in Frankfurt lebend und schreiben auf Deutsch. Und wir haben das Buch einfach genannt 'Die Frankfurterinnen'."
Literatur - oft ein Spielball in der Hand politischer Interessen
Zwei Gänge weiter in Halle 3.1 sitzen vier Literatur-Übersetzerinnen auf einem Podium und sprechen über die Heimat, die eine Sprache bieten kann. Und darüber, wie Nationen versuchen, sich darüber abzugrenzen, wie sie reden. Ein Phänomen, das sich in Osteuropa und auf dem Balkan beobachten lässt. Claudia Dathe:
"Es ist eine Sprache, die mehrere Zentren hat. Und mit dem Zerfall Jugoslawiens ist es politisch gewollt gewesen, diese Zentren auch sprachlich zu bezeichnen. Man spricht heute vom Bosnischen, Kroatischen, Serbischen und Montenegrinischen, obwohl es sich um eine Sprache handelt und die Abweichungen nicht größer sind als zwischen Österreichisch, Deutsch und Schweizerisch."
Bei der Diskussion unter dem Titel "Sprache Macht Politik" wurde erschreckend deutlich, wie leicht Sprache und Literatur ein Spielball in der Hand politischer Interessen sein können. Von ganz aktuellen Auseinandersetzungen in ihrer Heimat Weißrussland berichtete die Übersetzerin Iriyna Herasimovich:
"Und dann gab es in den 90er-Jahren diese nationale Wiedergeburt mit einem sehr starken Akzent auf dem Belarussischen. Und die intellektuelle Elite ist noch in dieser Tradition. Und es gibt jetzt eine sehr rege Diskussion um Swetlana Alexijewitsch. Die schreibt ja auf Russisch. Es gibt auch Leute, die sehr, sehr kritisch den Nobelpreis wahrgenommen haben, weil sie eben auf Russisch schreibt und man wünscht sich den Nobelpreis für einen belarussisch schreibenden Autor."
In Halle 4 wird das Thema "Heimat" auf ganz andere, nämlich humoristische Weise variiert. Dort sitzt der Schriftsteller und Kommunikationsberater Imran Ayata. Und liest aus seinem neuen Werk "Ruhm und Ruin". Darin geht es um einen türkischen Fußballklub in Berlin:
In der Gemütlichkeit des deutschen Vereinswesens
"Bam, Bam, Bam, Cem, Guiseppe, und dann ich. Manchmal kickten wir den Ball auf die Straße, wo der Überstolz unseres Vaters parkte, ein knallroter Mercedes, dessen Motor so laut knarrte, dass einmal an der deutsch-polnischen Grenze ein Bulle den Wagen als Traktor disste."
Integration aus dem Geist des Rasensports – bei Imran Ayata ist man als Migrant endgültig angekommen, wenn man sich erfolgreich in der Gemütlichkeit des deutschen Vereinswesens eingenistet hat. Und wenn man sich über deutsche Spießer lustig machen kann:
"Die Behrs waren keine Normalo-Familie in unserem Kiez, die Behrs waren kinderlose Nazis. Giuseppe meinte, Faschisten wie die Behrs würden nicht Ficki-Ficki machen, sondern den ganzen Tag vor der Glotze hängen, zwischen durch am Fenster die Straße checken und dabei eine halbe Schachtel Mentholzigaretten rauchen."
Soviel zu den Heimat-Sounds. Traditionell stellt sich am Messe-Donnerstag mit großem Aufgebot das Gastland des kommenden Jahres vor. Für 2016 sind die Niederlande und Flandern mit ihrer Literatur nach Frankfurt geladen.
"Ich wollte den Schwerpunkt auf das legen, was wir teilen. Wir teilen eine Geschichte im Bereich Kunst, Kultur und Literatur. Wir teilen die Nordsee."
...so der "künstlerische Leiter" Bart Moeyart, keck im Karo-Sakko und mit schwarz-gerandeter Brille. Ein künstlerischer Leiter ist in diesem Fall wirklich vonnöten, denn die Niederlande planen eine der umfangreichsten Auftritte in der Geschichte der Buchmesse. Nicht nur Frankfurt und die Messehallen sollen bespielt werden. Schon im Vorfeld wird in sieben weiteren deutschen Städten die Schönheit der niederländischen Sprache und Kultur gepriesen werden. Weltbekannte Autoren wie Maarten t'Haart, Margriet de Moor und Cees Nooteboom sind selbstverständlich dabei, aber auch Dutzende Schriftsteller, deren Werke in Deutschland noch zu entdecken sind. Nicht mehr dabei sein kann der vor wenigen Tagen gestorbene Schriftsteller, Publizist und Philosoph Antoine Verbij, Autor unter anderem des Philosophie-Buchs mit dem leicht ironischen Titel "Denken hinter den Deichen".
Der Deich, das Meer – das haben Deutschland, die Niederlande und Flandern gemeinsam. Meint jedenfalls der smarte Regisseur des künftige Buchmesse-Gastes:
"Als mir auffiel, dass sich auch Deutschland in unserer Nordsee nasse Füße holt, sah ich sofort, dass dieses Meer als starkes Bild für unseren Ehrengastlandauftritt dienen konnte."