Messenger-Überwachung
Noch können wir unbeobachtet in Messengern chatten - nach dem Willen der Innenminister sollte sich das bald ändern. © imago/Ikon Images
Eingriff in die Kommunikationsfreiheit
08:00 Minuten
Um illegale Inhalte in Messengernachrichten zu verfolgen, wollen die Innenminister die Verschlüsselung umgehen. Der Jurist Ulf Buermeyer sieht darin einen schweren rechtlichen Eingriff. Auch sei die Maßnahme nur begrenzt wirksam.
Ein "Recht auf Verschlüsselung" verspricht die designierte Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag. Die Innenminister der Länder sehen das offenbar anders. In ihrem Beschluss am Ende der Herbstkonferenz fordern sie den Bund auf, das Netzwerkdurchsetzungsgesetz zu ändern, um rechtswidrige Inhalte in Messengerdiensten wie Whatsapp melden zu können. Das bedeutet, dass man dazu die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, die derzeit Standard ist, umgehen müsste. Auch die Innenminister der Europäischen Union haben sich zuvor für eine solche "Chatkontrolle" ausgesprochen.
"Was die Innenminister als Verhinderung von rechtsfreien Räumen bezeichnen, wäre in Wirklichkeit ein ganz schwerwiegender Eingriff in unsere Telekommunikationsfreiheit", sagt Ulf Buermeyer, Jurist und Vorsitzender der Gesellschaft für Freiheitsrechte. "Das bedeutet, dass man de facto verbieten müsste, dass Kommunikation über Messengerdienste verschlüsselt abläuft." Das wäre datenschutzrechtlich ein großes Problem, es wäre technisch kompliziert, würde die Verschlüsselungsfreiheit wieder aufheben, und man müsste unverschlüsselte Dienste verbieten.
Der Ansatz der Innenminister sei zum Scheitern verurteilt, sagt Buermeyer, denn dieser wäre auch nur begrenzt wirksam. Schon heute sei die Meldung rechtswidriger Inhalte strafrechtlich meist folgenlos, weil man einer Person eine Äußerung nachweisen muss – und das gelinge in der Regel selbst dann nicht, wenn man weiß, wem der Account gehört. Ein Verdächtiger kann sich etwa oft damit herausreden, ein anderer habe sein Konto genutzt.
Accounts sperren, größere Chats moderieren
Buermeyer fordert stattdessen einen anderen Weg: "Wir brauchen Instrumente zur Verfolgung von Hasskriminalität im Netz, die nicht an den einzelnen Personen ansetzen, sondern an den Accounts, von denen strafbare Äußerungen getätigt werden." Diese Accounts sollen in gerichtlichen Verfahren auf Zeit oder auf Dauer gesperrt werden.
Dennoch sieht auch Buermeyer in Messengerdiensten ein großes Problem, da sie im Gegensatz zu sozialen Medien keine öffentlichen Plattformen sind. Eine Möglichkeit, damit Hassnachrichten nicht unwidersprochen bleiben, wäre, bei größeren Chatgruppen in Messengerdiensten eine Moderation einzuführen. "Der Sinn der Meinungsfreiheit ist nicht eine Einbahnstraße, sondern Meinungsfreiheit lebt vom Diskurs", so Buermeyer.
Anbieter sollten daher verpflichtet werden, ab einer bestimmten Gruppengröße, die als öffentlich gilt, Rede und Gegenrede sicherzustellen. Erste Ansätze dazu gibt es bereits bei Twitter und Instagram, wo Falschinformationen – etwa zum Coronavirus – sachliche Hinweise auf das Robert Koch-Institut gegenübergestellt werden, ohne die fraglichen Äußerungen zu zensieren.
(leg)