Sternekoch Alois Traint
Jedes ist handgefertigt, jedes ein Unikat in der Messersammlung von Alois Traint. © rudolfthalhammer
Vernarrt in die Klinge
04:56 Minuten
Seit Jahren sammelt Alois Traint Messer. Im Wiener Sternerestaurant „Shiki“ kreiert er damit feine japanisch-europäische Gerichte. Schneiden sei wie musizieren, sagt der Koch, und eine Kunst, die auch den Geschmack der Speisen beeinflusst.
Alois Traint kennt seine Messer. Manche sogar beim Namen, sagt er und zeigt eines seiner Messer. „Das ist die rote Drachenprinzessin. Das Ding haben wir aus Tokio mitgenommen“, zeigt er eines. Wie viele es sind, weiß niemand so genau. Über Hundert dürften es locker sein. "Mit vielen schöne Formen. Das ist zum Beispiel mein Mickey-Mouse-Haushaltsmesser. Ein Zwergen-Santoku. Das Messer der drei Tugenden.“
Vom Klappmesser bis zum Säbel
Gut sichtbar liegen die Messer in der Küche des Shiki-Restaurants auf Holzträgern drapiert. In Schutzhülle, damit sich niemand verletzt. Jedes ist handgefertigt. Jedes ein Unikat. Vom Allzweckmesser mit Damastklinge über gefährlich imponierende Klappmesser, kurze, geschwungene Säbel oder Filetiermesser mit eingravierten Schriftzeichen – Traint hat für jede Arbeit das passende Werkzeug.
Einige sind halbe Schwerter. „Eine 45er-Klinge ist schon imposant. Da musst du schon ein gutes Brett haben, sonst schneidest du hinten in die Fliesen rein“, sagt Traint. „Man muss schon ein bisschen üben. Aber dann kann es cool ausschauen.“ Messer solchen Kalibers sind nur dazu da, einen einzigen Schnitt auszuführen, also zum Beispiel, Thunfisch in etwa gleich große, servierfähige Stücke zu zerteilen.
Für jeden Schnitt das passende Messer
An japanischen Messern schätzt Alois Traint ihre Präzision und die schlichte Eleganz: ein Griff aus Magnolie mit einem Büffelhorn-Ring an der Klinge befestigt. Beidseitig geschliffene Messer mit einer dünnen Spitze nutzt er hauptsächlich zum „Parieren“ von Fleisch, um Sehnen und überschüssiges Fett zu entfernen.
Gemüse schneidet Traint, wie die Japaner, mit einem kleinen Hackebeil – und serviert es in hauchdünn geschnittenen Scheiben oder langen schmalen Fäden. „Man muss immer schauen, welche Arbeit, welches Messer, welcher Schliff – wie fein ist diese Violine?“
Traint ist der richtige Schnitt längst in Fleisch und Blut übergegangen – so, als wäre das Messer Teil des eigenen Körpers. Auch das hat er sich von den Japanern abgeschaut. „Japaner schneiden sehr harmonisch“, sagt er. Das schaue aus, „wie wenn der Musik machen will. Man fädelt hinter dem Griff bei der Klinge ein, zieht durch das Fischfilet durch, bis die Spitze vorne rauskommt und legt das elegant zur Seite.“
Das Hirschhorn-Messer des Großvaters
Beim Schneiden geht es nicht nur ums Zerkleinern, auch um Ästhetik, Textur. Wie man schneidet, nimmt sogar Einfluss auf den Geschmack. „Wenn der Schnitt unsauber, fransig ist, dann ist natürlich auch die Aufnahme der Gewürze, Luft, Sauerstoff, der Marinade anders“, so Traint.
Stumpfe Messer – ein Graus für Alois Traint. Seine Klinge schleift er daher jeden Abend nach Küchenschluss selber. Traints Messer-Faszination reicht zurück bis in die Kindheit.
Auf dem Land in Niederösterreich aufgewachsen, hatte sein Großvater immer ein Taschenmesser mit Hirschhorngriff dabei. „Ob er jetzt mal einen Apfel geschnitten hat für mich oder bei der Brettljause das Speckstück, das er mir gegeben hat, auf dem Bauernbrot mit dem Stück Käse und dem Radieschen – das war dann schon eins der Heiligsten.“
Messer im Wert eines Kleinwagens
Heute gibt der 52-jährige Traint für seine Messersammlung alles, auch wenn das heißt, auf Auto oder Eigentumswohnung zu verzichten. „Meine Messerdealer behalten sich die Rechnungen immer bei ihnen, weil ich sag: Wenn ich zu Hause diese Rechnung herzeige, bin ich Single.“ Ein einziges Messer, von einem japanischen Meisterschmied gefertigt, kann schon mal so viel kosten wie ein Kleinwagen. So teuer muss es für den Hausgebrauch aber gar nicht sein. „Es kann wirklich ein 60-Euro-Messer einem Menschen ein ganzes Leben und dann noch weitervererbt werden“, meint Traint, „wenn es gut gepflegt ist“. Spülmittel, Geschirrspüler, hartes Krustenbrot – Gift für viele Klingen, und wer seine Messer ohne Schutzhülle aufbewahrt, riskiert Schrammen.
Die Messer, die besonders wertvoll sind, lagert Alois Traint in einem Kabuff im Keller des Restaurants. „Nicht berühren“ steht auf einem Schild, als wären es Museumsstücke. Alle seien aber in Gebrauch, versichert Traint.