Juden, die an Jesus glauben
Für Messianische Juden ist Jesus der Messias. Damit sind sie theologisch gesehen Christen. Das sehen sie aber ganz anders - was für Ärger zwischen jüdischen und kirchlichen Vertretern über den Umgang mit den Gläubigen sorgt.
Die Jeschua Ha-Maschiach-Gemeinde in Hannover. Jeschua Ha-Maschiach ist hebräisch und bedeutet: Jesus, der Gesalbte. Der Leiter der Gemeinde, Johannes Heier, begrüßt die zwei Dutzend Gemeindemitglieder, die sich am Samstagmorgen in der ehemaligen Videothek zum Schabbat versammelt haben.
Ina Wunn: "Messianische Juden sind Menschen, die sich dem Judentum zugehörig fühlen; das heißt, Menschen, die die jüdischen Gesetze befolgen, Kinder beschneiden lassen, die jüdischen Speisegesetze beachten, den Sabbat feiern, aber daran glauben, dass Jesus von Nazareth tatsächlich der erwartete Messias gewesen ist."
Erläutert die Religionswissenschaftlern Ina Wunn. Und Gemeindeleiter Johannes Heier betont:
"Wir kehren zurück zu den Wurzeln, wir folgen dem Willen Gottes nach. (...) Das Volk Israel hat eine große Aufgabe. Also durch dieses Volk offenbart sich Gott der ganzen Menschheit."
Die messianischen Juden sehen sich theologisch in der Tradition der jüdischen Urchristen.
Wunn: "Es hat ja im Jahr 56 das Apostelkonzil gegeben mit der Auseinandersetzung zwischen Petrus und den Judenchristen auf der einen Seite und Paulus und den Heidenchristen auf der anderen Seite, und da kann man das messianische Judentum klar verorten auf der Seite des Petrus."
Eigentlich bilden die messianischen Juden eine eigene Religionsgruppe. Als Christen wollen sie nicht bezeichnet werden.
Heier: "Wir sind Grenzgänger. Juden mögen uns nicht, und Christen meistens auch nicht, wir sind Verräter da und da. Wir haben nichts Neues erfunden. Wir wollen das wiederherstellen, was früher war: die Wahrheit."
Bei den meisten Landeskirchen und der EKD stoßen die messianischen Juden auf wenig Verständnis; um so mehr dagegen bei evangelikalen Gruppen wie zum Beispiel dem Evangeliumsdienst für Israel. Dessen theologischer Leiter ist Armin Bachor.
Bachor: "Da sind die messianischen Juden sehr interessant an der Stelle, weil ein messianischer Jude zeigt, dass ein Jude abstammungsmäßig Jude bleibt, auch wenn er es für möglich hält und persönlich sogar glaubt, dass Jesus von Nazareth der Messias ist."
In Deutschland haben die messianischen Juden rund 1000 Mitglieder, die vor allem aus der ehemaligen Sowjetunion stammen.
Bachor: "Ich unterstütze messianische Juden, die von ihrer Abstammung her jüdisch sind. In diesen Gemeinden sind auch Nicht-Juden. (...) Wir möchten nicht, dass Menschen Jude spielen."
Doch diesen Eindruck eines inszenierten Judentums kann man in vielen Gemeinden durchaus gewinnen. Mehr als die Hälfte der Mitglieder sind keine gebürtigen Juden.
Heier: "Juden sind am wenigsten, ehrlich gesagt."
Gesteht Johannes Heier. Und er selbst, der Gemeindeleiter, hat eine religiöse Odyssee hinter sich. Der 62-Jährige war früher überzeugter Katholik und schloss sich dann der Pfingstgemeinschaft an, bevor er zu den messianischen Juden wechselte. Für ihn sei entscheidend, wer aus dem Geiste heraus Jude sei.
Heier: "Ich habe Wurzeln, mehr nicht, aber im Herzen bin ich mehr als Jude."
"Man kann nur Jude oder Christ sein"
Dass von jüdischer Seite die messianischen Juden eindeutig abgelehnt werden, macht Walter Homolka deutlich. Er ist Rabbiner und Rektor des Abraham-Geiger-Kollegs in Berlin.
Homolka: "Für uns ist ganz klar: Man kann nur Jude sein oder Christ. Judenchristen gibt es aus der jüdischen Betrachtung nicht. Und insofern sind diejenigen, die Jesus als Herrn anerkennen, Teil der christlichen Gemeinschaft."
Der Hauptstreitpunkt ist die Judenmission der so genannten messianischen Juden:
Homolka: "Da Judenmission aus unserer Sicht völlig inakzeptabel ist, zerstört man damit eine wichtige Basis, die in den letzten 50 Jahren entstanden ist."
Nämlich die Basis des christlich-jüdischen Dialogs. Dem hält Armin Bachor vom Evangeliumsdienst für Israel entgegen:
Bachor: "Judenmission lehne ich ab. Ich lehne jeden Versuch ab, einen jüdischen Menschen zu einem Christen zu machen."
Doch schon im nächsten Satz geht es bei ihm um eben diese Judenmission:
Bachor: "Jeder Mensch, insbesondere jüdische Menschen, sollten die Chance haben zu hören, dass Jesus von Nazareth nach Jesaja 53, ein Buch der hebräischen Schriften, der für die Sünden seines Volkes leidende und sühnende Messias ist. Das Zeugnis von Jeschua, dem Retter Israels, ist ja keine Erfindung der Kirche, sondern das steht schon in den hebräischen Schriften des Judentums."
Genau diese Art der Judenmission will auch Ellen Ueberschär vermeiden. Die Generalsekretärin des Evangelischen Kirchentags erinnert daran, dass man sich bereits 1999 gegen Judenmission auf dem evangelischen Laientreffen ausgesprochen habe:
Ueberschär: "Seit dieser Zeit (...) haben wir die Praxis, dass wir Gruppen, die aktive Judenmission zu ihrem Ziel erklären, auf dem Markt der Möglichkeit nicht zulassen."
Ueberschär kritisiert, dass die Debatten über die Judenmission von evangelikaler Seite meist wenig sachlich, sondern eher wutschnaubend geführt würden:
Überschär: "Was eher beschädigt wird durch diese Diskussion ist der christlich-jüdische Dialog, weil das eine Tradition ist, die der Kirchentag seit über 50 Jahren intensiv pflegt und aufgebaut hat, und ein Gespräch mit jüdischen Gemeinden auf Augenhöhe ist dem Kirchentag sehr wichtig und das darf durch das Zusammengehen mit den Evangelikalen auch nicht gefährdet werden."
Nun hat sich der Kirchentag entschieden, den messianischen Juden zwar auf dem Markt der Möglichkeit keinen Ort einzuräumen; doch zugleich will man in Stuttgart in einem "theologischen Gespräch" der Frage nachgehen, was messianisches Judentum bedeutet. Für Armin Bachor eine Erfolgsmeldung:
Bachor: "Diese Veranstaltung ist der hoffnungsvolle Beginn eines Trialogs. Trialog, wo Kirche, Synagoge und das Bindeglied messianische Juden miteinander ins Gespräch kommen. Das ist großartig. (...) und das Ziel ist, dass der Messias wieder zu einem Thema in einem rein innerjüdischen Gespräch wird."
Das sieht Rabbiner Walter Homolka allerdings ganz anders:
Homolka: "Deshalb kann ich nur davor warnen: das ist nicht nur eine theologische Frage, sondern auch eine stilistische, eine Geschmacksfrage, dass man nicht das Gespräch mit dem Judentum auf der einen Seite intensivieren kann, aber das in der Nachbarschaft mit messianischen Juden stattfinden lassen will. Da ist jüdischerseits wenig Aufgeschlossenheit."