Virtual-Reality-Plattform "Horizon Worlds"

Übergriffe im "Metaverse"

17:02 Minuten
Illustration einer Person, die eine VR-Brille trägt
Es soll das neue Internet werden und sich realer anfühlen, als alles zuvor: Doch die Sicherheit der Nutzerinnen und Nutzer kann im "Metaverse" des früheren Facebook-Konzerns noch nicht garantiert werden. © Imago / PantherMedia / Kheng Ho Toh
Eva Wolfangel im Gespräch mit Vera Linß und Tim Wiese · 12.02.2022
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Je besser Virtual Reality wird, desto authentischer fühlen sich die Erfahrungen auf den Plattformen an – auch die schlechten. Gegen diese geht der Meta-Konzern nicht ausreichend vor, so die Kritik. Ist das das Ende des "Metaverse", bevor es begonnen hat?
Für Mark Zuckerberg ist das Versprechen so groß, dass er die gesamte Firma darauf wettet: Das "Metaverse" soll die Zukunft des Internets werden, oder zumindest die sozialen Netzwerke ablösen. Die passende Plattform des Facebook-Konzerns, der jetzt Meta heißt, nennt sich "Horizon Worlds" – und hat gerade mit großen Problemen zu kämpfen.
Seit dem Start in den USA und Kanada im Dezember haben mehrere Frauen sexualisierte Gewalt im Metaversum gemeldet. So auch Nina Jane Patel. Im US-Sender NBC erzählt sie, wie ihr Avatar (sozusagen ihre Spielfigur) binnen 30 Sekunden von männlichen Avataren (den Spielfiguren anderer Nutzerinnen und Nutzer) belagert wurde, die sexuelle Anspielungen machten und Patels Avatar begrapschten.
Einem Bericht des “Center for Countering Digital Hate” zufolge ist "Horizon" nicht sicher. Alle sieben Minuten sind demnach Nutzerinnen und Nutzer unangemessenem Verhalten ausgesetzt. Dazu gehören: Rassismus, Androhungen von Gewalt, Mobbing, sexuelle Belästigung und Missbrauch sowie Pädokriminalität.

Kritik an einprogrammiertem Mindestabstand

Auch auf anderen Plattformen finden Übergriffe statt. Die Journalistin Eva Wolfangel beschäftigt sich intensiv mit virtueller Realität und sammelte Erfahrungen auf "AltspaceVR", das mittlerweile zu Microsoft gehört. Auch dort seien Männer ihr schnell nahegekommen und hätten ihr an die Brüste gefasst. Durch die VR-Komponente fühle sich das an, als berührten sie den eigenen Körper, beschreibt sie:
"Man hat so ein Headset auf und Kopfhörer und das fühlt sich an, als wenn man an einem anderen Ort ist. Dieser Avatar ist der eigene Körper. Und wenn den jemand begrapscht, wie das der Mann gemacht hat, spürt man es nicht körperlich – aber ansonsten ist das nicht so anders als ein sexueller Übergriff in der realen Welt."
Zwar könne man sich der Situation eigentlich schnell entziehen, indem man das VR-Headset vom Kopf ziehe. Doch in so einem Moment denke man daran nicht, erklärt Wolfangel. Dazu fühle sich diese Welt zu real an.
Um solche Übergriffe zu vermeiden, hat Meta auf "Horizon" eine Blase eingeführt, damit sich Avatare einander nur bis zu 1,20 Meter nähern können. Diese Lösung hält die Journalistin aber für suboptimal. Denn manchen Menschen wolle man nun mal nahekommen. Das könne ja auch sehr schön sein, wenn es sich um Leute handelt, die man gerne hat. Diese Möglichkeiten zu nehmen, nur weil einige sich nicht benehmen können, findet sie sehr schade.

Soziale Normen müssen her

Ein Problem, das Wolfangel beobachten konnte, ist fehlendes Verständnis bei männlichen VR-Nutzern. Als Personen, die nicht von Übergriffen betroffen sind, hätten diese sich oft mit dem Thema nicht befasst. Deshalb sei es für sie auch ein spielerisches Ausprobieren, ob man durch den Avatar einer anderen Person hindurchrennen oder ihm unter den Rock gucken kann. Die Wahrnehmung, dass das als Belästigung empfunden werden kann, sei nicht vorhanden gewesen.
Eine Lösung, die die Expertin in "AltspaceVR" beobachten konnte, ist, interessierten Nutzerinnen und Nutzern Moderationsaufgaben zu geben. Dies führe dazu, dass sich die Community selbst um das Miteinander kümmere. Dazu kämen abgestufte Strafen für Fehlverhalten – von einfachen Gesprächen bis zu dauerhaften Sperren.
In der virtuellen Realität gebe es zudem den Vorteil direkterer Reaktionen. Da sich alles viel realer anfühle, träfe das auch auf Gegenrede zu, so Wolfangel. Doch wie auch im analogen Raum, geschehe es in ihren Augen noch viel zu selten, dass andere sich einmischen, wenn sie Angriffe oder Belästigung beobachten.

Vorwurf: Meta zeigt sich lernunwillig

Trotz der eigenen Erfahrung mit Übergriffen zeigt sich Eva Wolfangel über die Berichte in Metas Horizon entsetzt. Denn schon vor Jahren habe sie den Vortrag einer bei dem Konzern angestellten Forscherin gehört, die an exakt solchen Problemen gearbeitet habe. Doch anscheinend habe bei der Erstellung der Plattform niemand auf sie gehört.
Und statt eine Vorreiterrolle einzunehmen, kopiere Meta unkreativ nun die Maßnahmen, die andere VR-Angebote schon vor drei, vier Jahren implementiert hätten. "Von daher bin ich in Bezug auf Meta nicht so wahnsinnig optimistisch, dass die das gut in den Griff kriegen", so die Journalistin. Hinzu komme, dass Facebook es ja auch nicht hinbekommen habe, seine Plattform ohne VR gut zu moderieren.

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