Concertgebouw-Orchester entlässt Chefdirigenten Gatti fristlos
Wegen Beschuldigungen von sexuellem Fehlverhalten hat das Amsterdamer Concertgebouw-Orchester seinen italienischen Chefdirigenten Daniele Gatti entlassen. Man habe schnell und doch überlegt reagiert, lobt unser Musikredakteur Rainer Pöllmann.
Die "Washington Post" hatte in einem großen Artikel in der vergangenen Woche über sexuelle Übergriffe in der klassischen Musik auch Daniele Gatti genannt. Zitiert wurden Vorwürfe von zwei Frauen aus den Jahren 1996 und 2000. Daraufhin meldeten sich auch einige Musikerinnen des Concertgebouw.
Sie klagten über "unangemessenes" Verhalten des Chefdirigenten. "Die Vertrauensbeziehung zwischen dem Orchester und dem Chefdirigenten ist irreparabel beschädigt", erklärte das Orchester und entließ den 56-jährigen Italiener "mit sofortiger Wirkung". Gatti war seit 2016 Chefdirigent in Amsterdam.
Es erfordert immer noch Mut
"Jeder Fall, der nicht vertuscht wird, macht anderen Betroffenen Mut, sich zu wehren und in die Öffentlichkeit zu gehen", sagt Rainer Pöllmann, Musikredakteur bei Deutschlandfunk Kultur. Nach den Enthüllungen im Filmbereich und der anschließenden #MeToo-Debatte hätten nur Naive glauben können, dass die klassische Musik der letzte Ort der reinen Unschuld sei, fügt er hinzu. Es erfordere dennoch nach wie vor Mut, konkret zu werden und mit dem eigenen Namen dafür einzustehen.
Orchester hat schnell reagiert
Neben Daniele Gatti stehen inzwischen auch andere Dirigenten wie Charles Dutoit, James Levine und Gustav Kuhn in der Kritik. Ist dies also nur ein weiterer Fall?
Rainer Pöllmann: "Neu ist die Schnelligkeit, mit der das Concertgebouw-Orchester reagiert. Schnell und doch überlegt. Und was man daraus lernen kann für künftige Fälle, die ganz sicher aufgedeckt werden: dass es darauf ankommt, dass auch von dem Beschuldigten, für den natürlich die Unschuldsvermutung gelten muss, ein verantwortliches Maß an Mitarbeit erwartet wird."
(cosa)