Das für Frauen problematische Klima bei der "Bild" war seit diesem Frühjahr bekannt, aber erst jetzt, nach dem
Bericht der New York Times und der Diskussion um die Recherche des Investigativteams der Ippen-Gruppe, gab es auch personelle Konsequenzen.
Der Axel-Springer-Verlag hat Chefredakteur Julian Reichelt geschasst, man habe "in den letzten Tagen neue Erkenntnisse" über Reichelts Verhalten gewonnen, heißt es. Demnach hatte Reichelt auch nach Abschluss eines Prüfverfahrens im Frühjahr "Privates und Berufliches nicht klar getrennt" und dem Vorstand darüber die Unwahrheit gesagt.
Das Problem zieht sich durch alle Branchen
Grundsätzlich sei MeToo ein Thema in den Unternehmen geworden, berichtet Meshkova. Dennoch sei sexuelle Belästigung noch immer weit verbreitet. Besonders betroffen seien diejenigen, die kaum Rechte hätten, sagt die Soziologin: wie beispielsweise Praktikantinnen.
Das Problem zieht sich Meshkova zufolge durch alle Branchen. Starre Hierarchien und ein überkommenes, männliches Betriebsklima stehen demnach einem offenen Umgang mit dem Problem entgegen.
Wie in den Betrieben über Belästigung und Rollenverteilung gesprochen wird, ist für Meshkova entscheidend. Deswegen reiche es auch nicht, bei einem Fall wie der "Bild" nur den Chef abzusetzen.
Gesellschaftliche Veränderungen brauchen Zeit
Die Soziologin sieht noch keine Welt ohne sexuelle Belästigung und männliche Machtstrukturen am Horizont, verweist aber darauf, dass gesellschaftliche Veränderungen Zeit brauchen. So seien häusliche Gewalt und das Schlagen von Kindern einst auch gesellschaftlich akzeptiert gewesen. Inzwischen sei das anders.
Der Springer-Verlag hat ausdrücklich betont, dass es gegen Reichelt "nie den Vorwurf sexueller Belästigung oder sexueller Übergriffe" gegeben hat. "Es gab aber den Vorwurf einvernehmlicher Liebesbeziehungen zu 'Bild'-Mitarbeiterinnen und Hinweise auf Machtmissbrauch in diesem Zusammenhang."
Neuer Vorsitzender der dreiköpfigen Chefredaktion wird der derzeitige Chef der "Welt am Sonntag", Johannes Boie. Er wird sich wohl mit mehr als nur journalistischen Fragen beschäftigen müssen.