Differenz sichtbar machen
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Unter #MeTwo teilen Tausende ihre Erfahrungen mit alltäglichem Rassismus in Deutschland. Hat der Hashtag ähnliches Potential wie #MeToo? Wie sind die Gegenstimmen einzuordnen?
Nach #MeToo nun #MeTwo: Seit Mesut Özils Rücktritt aus der Fußballnationalmannschaft schreiben Betroffene über rassistische Erfahrungen in deutschen Schulen und Clubs, auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt.
Der Journalist Ali Can hat den neuen Hashtag ins Leben gerufen. "Two" beschreibt die beiden Seiten seines kulturellen Selbstverständnisses: "Ich fühle mich in Deutschland zuhause, habe hier Freunde, gehe hier arbeiten. Und gleichzeitig kann ich mich mit einem anderen Land, einer anderen Kultur verbunden fühlen", sagt Can.
Keine Einzelfälle
Mit der MeToo-Debatte des letzten Jahres haben sich Stars wie Uma Thurman, Björk und Lady Gaga solidarisiert. Jede Frau, also die Hälfte der Menschheit, ist ein potentielles Opfer. Migranten dagegen sind eine Minderheit. Unter #MeTwo wird bisher eine eher regionale Debatte in Deutschland geführt. Inzwischen hat sie sich zwar auch nach Schweden ausgeweitet, oft aber werden die veröffentlichten Rassismuserfahrungen relativiert oder gar angezweifelt.
Auf der anderen Seiten sind die Tweets teilweise als bittere Anklage gegen Deutsche formuliert. Sind wir jetzt alle Rassisten? Und wie viel von dem "weißen Mann" steckt in uns, der sich in seiner privilegierten Position bedroht sieht, nur weil andere gleiche Rechte fordern?
Darüber haben wir mit der Autorin und Kulturwissenschaftlerin Asal Dardan gesprochen. Das Besondere an den geteilten Erfahrungen beider Hashtags sei für sie, dass durch die Menge der Tweets deutlich werde: "dass das alles keine Einzelfälle sind, sondern ein strukturelles Problem, das die gesamte Gesellschaft betrifft".
Der "privilegierte, weiße Mann" als Symbol für die Norm
Nach Asal Dardan sollten die einzelnen "Erfahrungsminiaturen" deshalb auch in ihrer Gesamtheit gesehen werden – als eine Art Schleuse zu einer Sichtweise, die in der Mehrheitsgesellschaft bisher noch keine Beachtung fand. "Es wird ja auch oft gesagt: Stell dich jetzt nicht so an, das ist jetzt einmal nicht so das Problem! Aber diese Leute berichten, dass ihr ganzen Leben geprägt ist von diesen kleinen Miniaturen. Wenn man in der Twitter-Logik bleibt, dann ist das Leben eines Menschen, der von Rassismus betroffen ist, ein ganzer Thread von diesen #MeTwo-Tweets."
Der in dem Zusammenhang mit der Debatte immer wieder genannte "privilegierte weiße Mann" sei ein Symbol für die Norm, auf die die Gesellschaft ausgerichtet sei. "Viele reiben sich an dem Wort 'Privileg'", sagt Dardan. Privilegiert hieße aber nicht automatisch ein besseres Leben zu führen, sondern aufgrund bestimmter Merkmale keine Diskriminierung zu erfahren. "Der 'weiße Mann' wird nie eine Wohnung nicht kriegen, weil er ein weißer Mann ist. Oder von jemanden beschimpft werden, weil er ein weißer Mann ist."
Es sei ein Unterschied, so Dardan, ob man eine Rassismuserfahrung mache oder ob man sich einen Rassismusvorwurf anhören müsse. Der Erfahrung sei man ausgesetzt, doch dem Vorwurf könnte man etwas entgegensetzen.