Metropole der Freiheit

Wie geht es den Berlinern nach dem Anschlag?

Passanten legen vor der Gedächtniskirche in Berlin zum Gedenken an die Opfer des Anschlags Kerzen und Blumen nieder.
Passanten legen vor der Gedächtniskirche in Berlin zum Gedenken an die Opfer des Anschlags Kerzen und Blumen nieder. © dpa
Benedicte Savoy im Gespräch mit Max Oppel |
"Maximal unbeeindruckt" – so titelte Spiegel Online nach dem Anschlag in der deutschen Hauptstadt. Die Zeile bezog sich auf die Stimmung der Berlinerinnen und Berliner und auf deren Haltung zum Terror. Doch lässt das Blutvergießen die Bewohner wirklich so kalt?
Gestern Abend stellte Spiegel Online einen Text mit der Titelzeile "Maximal unbeeindruckt" ins Netz. Darin hieß es, die Berlinerinnen und Berliner seien nach dem Terroranschlag vom Breitscheidplatz "nicht gelähmt". Berichtet wurde auch von Passanten, die am Tatort Blumen ablegen, weinen und beten. Doch der Tenor des SPON-Artikels von Sebastian Fischer und Fabian Reinbold liest sich so:
"Wo sich die Amerikaner bei Katastrophen und Terror gemeinschaftlich aufbäumen und die Franzosen sich ihres republikanischen Stolzes versichern, indem sie die 'Marseillaise' besonders laut singen, da reagieren die Berliner anscheinend so, wie sie immer reagieren, wenn irgendwas los ist: Sie zeigen sich maximal unbeeindruckt."
Im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur nimmt die Kunsthistorikerin Benedicte Savoy dazu Stellung. Savoy vergleicht die Lage in Berlin auch mit der Situation in Paris nach den dortigen Terrorattacken.
"Das, was die Presse daraus macht, diese Schlagzeilen, diese coolen Sprüche, sind immer etwas anderes als die Realität", meint Savoy. Natürlich stehe jeder Berliner und jeder Pariser nach einem Terroranschlag erst einmal unter Schock. Sie halte aber nichts davon, diesen Schock zu "vermarkten" oder daraus "Posen herzuleiten".

Nach so einem Anschlag geht es nicht um "Posen" oder "Coolness"

In diesem Fall gehe es wohl nicht um die "Coolness von Berlin", sondern darum, was uns alle in den westlichen Demokratien oder in Europa verbinde, betonte Savoy:
"Bei dieser ernsthaften Verletzung unserer offenen Gesellschaften sollten wir nicht an unsere Posen denken. Und das machen wir auch nicht."
Plötzlich werde klar, was es bedeute, in einer freien Stadt zu leben und zum Beispiel "ins Kino gehen zu können, ohne vorher zu zeigen, dass man keinen Sprengstoffgürtel trägt".
Die Berlinerinnen und Berliner seien derzeit vielleicht "maximal unbeeindruckt", aber sich auch maximal dessen bewusst, "was wir hier - besonders in Berlin und anderen Städten - haben, wenn wir uns frei bewegen können – auch nachts in der U-Bahn".
Auch ihr selbst sei das Bewusstsein für die besondere Freiheit in der deutschen Hauptstadt sehr viel klarer geworden: "Was haben wir da für eine tolle Sache!"
Dass das so bleibt, daran würden nun viele Menschen arbeiten –"und das schaffen wir auch", betonte Savoy.
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