Christiane M. Goßen: "Narco-Rap: Eine kulturwissenschaftliche Perspektive auf die Grenzstadtperipherie und das organisierte Verbrechen in Mexiko"
transcript Verlag, 2021
276 Seiten, 45 Euro
Mexikanischer Narco-Rap
Narcos kaufen sich Musiker, die die Kartelle und ihre vermeintlichen Heldentaten in Rapsongs preisen. (Symbolbild) © imago / PantherMedia / Michael Travers
Wie ein Pakt mit dem Teufel
10:39 Minuten
Mexikanische Rapper besingen im Auftrag von Drogenbossen deren Heldentaten. Die Kulturwissenschaftlerin Christiane Goßen hat ein Buch darüber geschrieben und sagt: Aus der Sache kommen die Musiker nicht mehr raus.
In einigen Landesteilen Mexikos haben die Drogenkartelle das Gewaltmonopol des Staates praktisch außer Kraft gesetzt. Landkarten, auf der die Einflussgebiete der verschiedenen Kartelle markiert sind, zeigen: Mexiko ist nahezu lückenlos in der Hand der Drogenbosse.
Armut und Perspektivlosigkeit in Mexiko bringt viele Menschen dazu, sich in den Dienst einer der kriminellen und schwerreichen Organisationen zu stellen. Vor allem auf Jugendliche üben die Narcos, wie sie genannt werden, mit ihrem Einfluss und Reichtum aber auch eine Faszination aus.
Narcos kaufen Musiker
Narcos kaufen sich aber nicht nur Mitarbeiter, sondern auch Musiker, die die Kartelle und ihre vermeintlichen Heldentaten in Rapsongs besingen und dafür großzügig entlohnt werden. Das Netz ist mittlerweile voll von Narco-Rap-Videos, etwa von Big Los oder dem inzwischen ermordeten 5050.
Seinen Ursprung hat dieses Musikphänomen in den Städten entlang der amerikanisch-mexikanischen Grenze. Die Autorin und Kulturwissenschaftlerin Christiane Goßen hat ihre Doktorarbeit über den Narco-Rap verfasst und sich dafür auch auf eine nicht ganz ungefährliche Recherchereise begeben. Das Ergebnis hat sie jetzt als Buch herausgebracht.
Die Autorin hat sich mit Rappern getroffen und sich von ihnen und Beobachtern der Szene erzählen lassen, wie das System funktioniert.
In ständiger Angst
Dabei kam sie dem organisierten Verbrechen sehr nah – "ein beklemmendes Gefühl", sagt Goßen. "Ich wusste, dass das gefährlich ist." Sie wage sich kaum vorzustellen, wie es sei, dort immer und "in ständiger Angst zu leben".
Die Musiker stammten alle aus den Grenzstädten und hätten vorher für den Lebensunterhalt zumeist in Billiglohn-Montagebetrieben gearbeitet – bis eines Tages die Drogenbosse an sie herangetreten seien und sie mit Songs beauftragt hätten. Die meisten Rapper lockte das schnelle Geld. "Doch sie leben dafür auch in konstanter Gefahr."
Bis zu 4500 Dollar pro Song
Denn aus diesem Auftragsverhältnis kämen die Musiker nicht mehr heraus – was sie wiederum auch zur Zielscheibe für andere, verfeindete Kartelle mache.
Die Drogenbosse, berichtet Goßen, zahlten pro Song und je nach Bekanntheit des Rappers zwischen 300 und 4500 US-Dollar. Die Songs seien "Machtdemonstrationen". Als Botschaften richteten sie sich sowohl an verfeindete Kartelle als auch an Mitglieder der eigenen Organisation.