Papst Franziskus in der Hochburg der Drogenkartelle
Bei seiner Mexiko-Reise besuchte Papst Franziskus den Bundesstaat Michoacan, eine Hochburg der Drogenkartelle. Er traf sich dort mit Jugendlichen, deren Leben nur zwei Alternativen kennt: Selbst in den Drogenhandel einsteigen oder auswandern.
Er wird gefeiert wie ein Popstar. Zigtausende Jugendliche im Fußballstadion von Morelia schreien sich die Seele aus dem Leib, als sie Franziskus entdecken. Auf einem kleinen Wagen wird der Papst eine Runde durchs Stadion gefahren, und der Lärmpegel schwillt noch einmal an. Die Begeisterung der jungen Menschen ist echt und existentiell. Sie setzen in diesen Papst die Hoffnung, dass er etwas an ihrer Situation verändern kann. Alberto darf als zweiter von vier Jugendlichen vor den Papst treten und über seine Situation berichten:
"Unter uns gibt es immer mehr Opfer der Gewalt, des Drogenhandels und der Drogensucht. Das Einzige, was vielen Familien bleibt, ist ihre Kinder zu beweinen. Denn, da sie nicht bestraft werden, haben jene, die entführen, betrügen und töten, Flügel bekommen. Inmitten dieser Situation wünschen wir uns aus tiefstem Herzen den Frieden."
Wer gegen die Drogenkartelle vorgeht, muss um sein Leben fürchten
Der Bundesstaat Michoacán und dessen Hauptstadt Morelia sind gezeichnet von der Gewalt der Drogenkartelle. Sie befehden sich im Kampf um die Vorherrschaft, sie locken junge Menschen als Drogenkuriere zu arbeiten, und jeder, der gegen sie vorgeht, muss um sein Leben fürchten. Dieser Welt des Todes erklärte der Papst in Morelia, sozusagen in der Höhle des Löwen, den Kampf:
"Es ist nicht wahr, dass die einzige Art und Weise zu leben für Jugendliche darin besteht, ihr Leben dem Rauschgifthandel zu überlassen oder all denen, die einzig und allein Zerstörung und Tod verbreiten."
Franziskus spricht der Jugend von Moreno aus der Seele. Coraima ist 20 Jahre alt, Studentin und lebt in einer Stadt, in der man nicht unbeschwert auf die Straße gehen kann. Die Angst ist allgegenwärtig. Für den Papstbesuch hat die Armee Morelia in eine Hochsicherheitszone verwandelt. An jeder Ecke stehen schwer bewaffnete Militärs.
Coraima: "Wenn der Papst mit denen von der Regierung spricht, tun sie vielleicht etwas gegen die Unsicherheit. Wir können uns kaum frei auf der Straße bewegen, ohne Gefahr zu laufen, entführt oder ausgeraubt zu werden. Man muss immer aufpassen."
Der Staat ist nicht in der Lage, Sicherheit zu gewährleisten. Und was die jungen Menschen in Michoacán noch mehr verunsichert: Abseits der kriminellen Geschäfte gibt es kaum Möglichkeiten, anständig und angemessen Geld zu verdienen.
Coraima: "Es gibt keine Arbeitsplätze für junge Leute. Irgendwie versuchen wir uns durchzuschlagen. Man erlaubt uns auch nicht zu protestieren, uns für unsere Rechte einzusetzen. Sie wollen uns zum Schweigen bringen und wer sich wehrt, dem kann es so ergehen wie den verschwundenen Studenten aus Ayotzinapa."
Vor eineinhalb Jahren verschwanden 43 Studenten spurlos. Ihr Schicksal bewegt das Land und überschattet diesen Papstbesuch. Heute wird der Papst am Rande der Messe in Ciudad Juarez Angehörige der verschwundenen Studenten treffen.
Aufforderung an die Geistlichen, sich einzumischen
Gestern, bei einem Gottesdienst, den Franziskus in Morelia mit Priestern und Ordensleuten feierte, zählten die Schwestern, Mönche, Pfarrer und Seminaristen laut bis 43 - in Erinnerung an die Studenten. Was kann die Kirche sonst tun, um Mexiko wieder eine Perspektive zu geben? Papst Franziskus fordert die Geistlichen auf, sich in die Gesellschaft einzumischen und nicht in die Kirche zurückzuziehen:
"In einer Umgebung von Gewalt, Korruption, Drogenhandel, Verachtung der Menschenwürde, Gleichgültigkeit gegenüber dem Leiden und Unsicherheit - welche Versuchung kann da über uns kommen? Wenn uns die Realität als unveränderbar erscheint. Ich glaube, dafür gibt es nur ein Wort: Resignation. Und Resignation ist eine der bevorzugten Waffen des Teufels, mit der er uns besiegen kann."
Wenn die Resignation zu groß wird, sehen viele junge Menschen in Michoacán nur einen Ausweg, den nach Norden, in die Vereinigten Staaten. Das Thema Migration steht heute auf der Agenda des Papstes. Er besucht Ciudad Juarez im Norden Mexikos. Die Grenzstadt ist das Drehkreuz für zigtausende Menschen, die versuchen aus Mittelamerika in die USA zu fliehen. Am Grenzzaun feiert der Papst eine Messe, die live in die benachbarte texanische Stadt El Paso übertragen wird.