Michael Butter: Nichts ist, wie es scheint. Über Verschwörungstheorien
Suhrkamp Verlag, Berlin 2018
272 Seiten, 18 Euro
Wider besseres Wissen
Die Mondlandung hat nie stattgefunden, hinter dem Anschlag auf das World Trade Center steckt die CIA und wir werden alle durch Chemtrails vergiftet: Michael Butter geht der Frage nach, warum Verschwörungstheorien boomen.
Georg Soros steuert im großen Stil die Einwanderung nach Europa. Hillary Clinton ist tot und durch ein Double ersetzt worden. Außerirdische Reptilien beherrschen die Welt. Durchs Impfen soll die Bevölkerung gefügig gemacht werden. Suchen Sie sich etwas raus, alles Verschwörungstheorien, die heute kursieren. Zuletzt, bei all den Trumps, Erdogans oder Reichsbürgern hatte man den Eindruck, dass Verschwörungstheorien boomen wie noch nie.
Dem widerspricht der Tübinger Amerikanist Michael Butter in seiner Einführung "Nichts ist, wie es scheint." Lange Zeit seien, so Butter, Verschwörungstheorien in der Öffentlichkeit viel weiter verbreitet gewesen. Sie waren als offizielles Wissen anerkannt und nicht stigmatisiert. Ein Beispiel? Der spätere amerikanische Präsident Abraham Lincoln formulierte, was heute kaum erinnert wird, in seiner berühmten Rede "A house divided" eine "elaborierte Verschwörungstheorie": Die Sklavereibefürworter hätten weite Teile der US-amerikanischen Institutionen unterwandert und unter Kontrolle.
Dem widerspricht der Tübinger Amerikanist Michael Butter in seiner Einführung "Nichts ist, wie es scheint." Lange Zeit seien, so Butter, Verschwörungstheorien in der Öffentlichkeit viel weiter verbreitet gewesen. Sie waren als offizielles Wissen anerkannt und nicht stigmatisiert. Ein Beispiel? Der spätere amerikanische Präsident Abraham Lincoln formulierte, was heute kaum erinnert wird, in seiner berühmten Rede "A house divided" eine "elaborierte Verschwörungstheorie": Die Sklavereibefürworter hätten weite Teile der US-amerikanischen Institutionen unterwandert und unter Kontrolle.
Verschwörungsideologie statt Verschwörungstheorie?
Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts setzte eine "Delegitimierung" von Verschwörungstheorien ein, wie Butter für die "westlichen" Länder feststellt. Damit freilich möchte Butter nichts über den Wahrheitsgehalt von Verschwörungstheorien aussagen. Sie sind falsch, sagt er. Trotzdem lehnt er es ab, den Begriff "Verschwörungstheorie", wie zuletzt immer wieder gefordert, durch "Verschwörungsideologie" zu ersetzten. Denn Verschwörungstheorien erfüllten die zentrale Aufgabe von Theorien: Die Welt um uns herum besser zu verstehen, für uns zu ordnen, Aussagen über vergangenes und zukünftiges Geschehen treffen zu können. Auch wenn dies im Falle der Verschwörungstheorien eben nur für die "Gläubigen" einer Theorie funktioniere.
Butters zweite zentrale These: Verschwörungstheorien beruhen auf einem falschen Verständnis von menschlicher Handlungsfähigkeit und dem Verlauf der Geschichte. In Verschwörungstheorien bestimmen einzelne Persönlichkeiten über einen langen Zeitraum und über einen großen Wirkungskreis den Verlauf der Geschichte. Geschichte wird gemacht, geplant. Ereignisse sind hier immer die direkte Folge einer intentionalen Handlung. Für unintendierte Konsequenzen, Nebeneffekte, systemische Folgen, Widersprüche bleibe kein Raum. Was passiert, war gewollt. Aus dieser Beobachtung leitet Butter seine, vielleicht etwas zu hoffnungsfrohe, Schlussfolgerung ab, dass Menschen, die mit modernen Sozial- und Kulturwissenschaften, mit Psychologie und den dortigen Menschen- und Geschichtsvorstellungen vertraut sind, weniger zu Verschwörungstheorien neigen würden, weil sie dort ein, so Butter, weniger "altmodisches" Bild von menschlicher Handlungsfähigkeit und gesellschaftlichen Prozessen vermittelt bekommen hätten.
Butters zweite zentrale These: Verschwörungstheorien beruhen auf einem falschen Verständnis von menschlicher Handlungsfähigkeit und dem Verlauf der Geschichte. In Verschwörungstheorien bestimmen einzelne Persönlichkeiten über einen langen Zeitraum und über einen großen Wirkungskreis den Verlauf der Geschichte. Geschichte wird gemacht, geplant. Ereignisse sind hier immer die direkte Folge einer intentionalen Handlung. Für unintendierte Konsequenzen, Nebeneffekte, systemische Folgen, Widersprüche bleibe kein Raum. Was passiert, war gewollt. Aus dieser Beobachtung leitet Butter seine, vielleicht etwas zu hoffnungsfrohe, Schlussfolgerung ab, dass Menschen, die mit modernen Sozial- und Kulturwissenschaften, mit Psychologie und den dortigen Menschen- und Geschichtsvorstellungen vertraut sind, weniger zu Verschwörungstheorien neigen würden, weil sie dort ein, so Butter, weniger "altmodisches" Bild von menschlicher Handlungsfähigkeit und gesellschaftlichen Prozessen vermittelt bekommen hätten.
Mit Gerüchten lässt sich viel Geld verdienen
Butters dritter wichtiger Punkt: "Mit dem Internet hat sich alles verändert". Verschwörungstheorien wurden leichter zugänglich, ihre Form hat sich gewandelt zu kurzen, weniger elaborierten "Verschwörungsgerüchten". Und vor allem schuf das Internet die Möglichkeit einer umfassenden Kommerzialisierung von Verschwörungstheorien. Mit ihnen kann Geld verdient werden.
Butters Buch ist locker und leicht zu lesen, an einigen Stellen wirkt es allerdings mehr wie ein erster Entwurf denn wie eine endgültige Ausarbeitung. Etwas kurz kommt etwa die Frage, wie verschwörungstheoretisches Wissen funktioniert, oder warum so viele Menschen Komplexität und Unübersichtlichkeit nur schwer aushalten.
Butters Buch ist locker und leicht zu lesen, an einigen Stellen wirkt es allerdings mehr wie ein erster Entwurf denn wie eine endgültige Ausarbeitung. Etwas kurz kommt etwa die Frage, wie verschwörungstheoretisches Wissen funktioniert, oder warum so viele Menschen Komplexität und Unübersichtlichkeit nur schwer aushalten.