Michael Donkor: "Halt"
Aus dem Englischen von Marieke Heimburger und Patricia Klobusiczky
Edition Nautilus, Hamburg 2019
315 Seiten, 15 Euro
Mädchen aus Ghana zwischen den Welten
06:20 Minuten
Im Roman "Halt" des ghanaisch-britischen Autors Michael Donkor geht es um das Coming-of-Age dreier ghanaischer Mädchen, von denen eine in London lebt, eine in Ghana und eine zwischen diesen Welten pendelt. Jede erlebt dabei ihren Clash of Cultures.
"Ich habe etwas vergessen." Wenn die Protagonistin eines Autors, der seine Geschichte so bedacht baut und so stringent durch sie führt wie der junge ghanaisch-britische Autor Michael Donkor, diesen Satz auf der vorletzten Seite eines nicht ganz schlanken Romans ausspricht, ahnt man schon, dass er zu einer Schlusspointe leitet, die eine Art Aufklärung, jedenfalls ein hohes Maß an Klärung beinhalten wird. Den Weg in dieses Finale bereitet die eindringliche Schilderung einer Beerdigungszeremonie in der ghanaischen Provinz, mit der die Geschichte in einem kurzen Auftakt auch beginnt. Es sind die stärksten Passagen des Romans, der vom Coming-of-Age dreier ghanaischer Mädchen erzählt, von denen eine in London lebt, eine in Ghana und eine zwischen diesen Welten pendelt, vielleicht auch zwischen sie gerät. Letztere, Belinda, ist auch sonst eher vermittelnd als leidenschaftlich, eher verständnisvoll als fordernd.
Das ist eine kluge, ergiebige, eminent literarische Konstellation, die Michael Donkor mit viel Sympathie für seine Protagonistinnen und liebevollem Interesse fürs Detail durchdekliniert, wobei er die unterschiedlichen Lebenswelten in unterschiedlichen Sprachhöhen ausgestaltet, ergänzt um Einsprengsel in der ghanaischen Sprache Twi – eine Herausforderung für die deutschen Übersetzerinnen. Den im Titel beschworenen Halt in einer derart unübersichtlichen Welt bieten, wenn es gut geht und man es verstanden hat, soziale Gefüge wie Familie, Nachbarschaft, Freundschaft, Heimat.
Grenzen des Coming-of-Age
Michael Donkor folgt den drei Mädchen aus dem Blickwinkel seiner Protagonistin Belinda, die als Dienstmädchen zuerst in Ghana arbeitet, wo Mary, die zweite im Bunde, zur schwesterlichen Freundin wird, dann in London, wo sie auf Amma trifft, mit der es im Gegen-, Mit- und Ineinander der Kulturen zu einer ganz anderen Dynamik der Mädchenfreundschaft kommt. Neben den Themen, die dabei nach den Regeln der kreativen Erzählkunst (die Donkor studiert hat und lehrt) durchgespielt werden – Identität, Tradition, Familie, Rassisismus, Homosexualität, soziale Ungleichheit – wirft sein literarisches Debüt auch die Frage nach den Grenzen des Genres der Coming-of-Age-Geschichte auf, die er überzeugend und vielschichtig in Szene setzt, auch wenn die erzähltechnischen Kniffe bisweilen ein bisschen zu offensichtlich sein mögen, er Symbole nicht nur einsetzt, sondern auch noch kommentiert, die Mädchen im Englischunterrecht nicht ganz zufällig ausgerechnet Erzähltechnik beigebracht bekommen.
Ihrer Natur gemäß kommt eine solche Geschichte nicht ganz in der Welt der Erwachsenen an, bisweilen also vielleicht auch nicht ganz bei ihren erwachsenen Leserinnen und Lesern, schließlich liegen die Kerne der psychologischen Konflikte, auch das naturgemäß, in der Welt der jugendlichen Protagonistinnen. Wo Donkor dies in die dynamische Bewegung einer Gesellschaft bettet, die über die einzelne wunde und sich wundernde Seele hinausgeht wie etwa in seinem Finale, da zeigt er, wozu er als Erzähler in der Lage ist. Und das macht Lust auf den nächsten Roman.