Michael Eissenhauer: Museen sind nicht in Gefahr

Michael Eissenhauer im Gespräch mit Joachim Scholl |
Michael Eissenhauer sieht die Museen in Deutschland gut aufgestellt und auch ausreichend durch den Staat finanziert. Er wisse von keinem Museum, bei dem die staatliche Unterstützung wegfalle, sagte der Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin. Er setze aber weiterhin auf die Zusammenarbeit mit Sponsoren, die ein "üppiges Kürprogramm" ermöglichten. Bislang gebe es auch hier keine Ausfälle.
Joachim Scholl: Die Zeit des Verbeugens ist vorbei. Mit deutlichen Worten hat gestern in der "Süddeutschen Zeitung" und im Deutschlandradio Kultur Martin Roth, der Direktor der Dresdner Staatlichen Kunstsammlung, eine neue Ära annonciert. Verbeugen will sich Martin Roth nämlich nicht länger vor privaten Sponsoren, die jetzt, da die wirtschaftliche Lage ernst ist, als Mäzene durchaus zögerlich werden. Und er mahnt ein größeres Selbstbewusstsein des Staates an, in der Finanzierung seine kulturelle Verantwortung stärker wahrzunehmen. Martin Roth sagte in unserem Programm:

"Wir haben hier einfach ein falsches Verhältnis zu unserer eigenen Kunst, zu unserer eigenen Kultur, in unserem eigenen Staat. Also das heißt, wir haben so ein Verhältnis zu dem Reichtum entwickelt, den wir nun mal alle gemeinsam besitzen, nämlich zu unserem enormen Kunst- und Kulturreichtum in diesem Land - weltweit beinahe einzigartig -, indem wir sagen, na ja, es halt schön, dass wir das haben, kostet aber auch eine ganze Menge und vielleicht können wir es uns ja gar nicht mehr leisten.

Dabei ist das unsere Zukunft. Das ist Bildung, das ist Geschichte, das ist das, woraus man Zukunft macht, das ist das, was wir unseren Enkeln weitergeben. Da dürfen wir doch nicht drüber nachdenken, ob man sich das leisten kann oder wer dafür bezahlt, sondern das ist unsere gemeinsame Verantwortung!

Und ich habe wenig Verständnis dafür, dass wir Aufgaben, die wirklich der Staat - und noch mal, der Staat ist nicht eine abstrakte Größe, sondern das sind wir, das ist sozusagen das von uns gewählte, in einem demokratischen System gewählte Repräsentantentum ... dass wir dieses zu unserer eigenen Aufgabe machen und uns auch wirklich sicher sind, dass wir das in Zukunft auch noch unterstützen und haben wollen, weil das können wir nicht an die Wirtschaft delegieren, die wenig damit anfangen kann. Und vor allen Dingen, für die Wirtschaft ist das ein Fremdgeschäft, das ist ein nettes Marketing, aber das kann nicht das ersetzen, was der Staat zu leisten hat."

Scholl: Martin Roth, Direktor der Dresdner Staatlichen Kunstsammlung, im Deutschlandradio Kultur. Am Telefon begrüße ich nun Michael Eissenhauer, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, einer der größten Kultureinrichtungen Deutschlands. Guten Morgen, Herr Eissenhauer!

Michael Eissenhauer: Ja, guten Morgen, Herr Scholl!

Scholl: Starke Worte vom Kollegen Roth und zugleich so was wie eine Aufforderung zum Schulterschluss. Schließen Sie sich an, Herr Eissenhauer, wollen Sie sich auch nicht mehr verbeugen?

Eissenhauer: Ach, der Schulterschuss zwischen den großen Museen in Deutschland ist sowieso da. Insofern, ich glaube, der Schulterschluss braucht nicht beschworen werden, der besteht sowieso. Und ich muss einfach sagen, ich verstehe zwar, was Martin Roth an Problematik und Thematik anschneidet, aber ich kann diese doch sehr zugespitzte Sichtweise so überhaupt nicht teilen.

Scholl: Es spricht ja aus den Äußerungen von Martin Roth ein großer Unmut über das Auftreten der Sponsoren und Mäzene aus der Wirtschaft, die sich mit der Kunst schmücken, so sie ankommt, sich aber verdrücken, so wie es sperrig wird. Haben Sie diese Erfahrungen auch gemacht?

Eissenhauer: Nein, diese Erfahrungen kann ich überhaupt so nicht teilen. Ich habe auch mit verschiedenen großen Sponsoren zusammengearbeitet, sowohl in meinen Stationen bisher - Kassel oder anderen -, aber auch jetzt natürlich in Berlin selbstverständlich. Aber ich habe nie erlebt, dass sich Sponsoren in inhaltliche Fragen eingemischt hätten oder inhaltliche Forderungen gestellt hätten. Ich habe aber eigentlich immer Verständnis dafür aufgebracht, dass Sponsoren aus ihrer Sicht ihr Interesse vertreten, das für sie der werbliche Aspekt ist des Engagements.

Insofern gehören zu dieser Vermählung in den Private Public Partnerships eigentlich immer zwei dazu, und ich habe nie verstanden Kolleginnen und Kollegen, die darüber klagten, dass sie vielleicht mit Forderungen konfrontiert sind, die sie für zu weitgehend halten. Ich fand - das sage ich auch als Museumsbund-Präsident -, Museen sollten auch mit Stolz auf das blicken, was sie verantworten und was sie tragen, und deshalb weiß ich nicht, was der Hinderungsgrund sein sollte, auch mal zu sagen, nein, das mache ich nicht mit.

Und dass daran sich etwas durch die Krise geändert haben sollte, kann ich nicht erkennen. Ich habe das schon vorher und früher immer propagiert und habe gesagt, zu schlechtem Verlauf von Sponsorpakten gehören immer zwei dazu, einer, der es macht, und einer, der es mit sich machen lässt. Und insofern besteht Partnerschaft eigentlich immer auf Augenhöhe, wenn sie gut ist, und zu dieser Augenhöhe gehört auch ein Selbstbewusstsein.

Und in dem Punkt hat Martin Roth sicherlich absolut recht und da teile ich völlig klar seine Linie und seine Sichtweise: Museen müssen mit Stolz und sollen und können immer mit Stolz darauf verweisen, was sie als kulturelles Erbe in dieser Gesellschaft verantworten und wofür sie im Rahmen unseres Staatswesens auch stehen. Sie sind Bewahrer von Kultur, sie sind Vermittler von Kultur.

Der Stellenwert, den die Museen in dieser Gesellschaft haben, glaube ich, war noch nie so hoch wie zurzeit oder wie er in den letzten Jahren geworden ist. Es war noch nie so üblich und so selbstverständlich, dass Museen Bestandteil kultureller Bildung in Deutschland sind. Und dies wird mit Vehemenz von den Landesregierungen, aber auch vom BKM, von dem im Artikel ja auch kritisierten BKM, mit einer Deutlichkeit und Klarheit propagiert und vorangetragen, wie es in den Jahren davor noch nie mit dieser Klarheit geschehen ist.

Scholl: Kommen wir mal auf das Stichwort Public Private Partnerships, Sie haben es erwähnt. Martin Roths Kritik zielt ja grundsätzlich auf dieses Fundament. Public Private Partnership, das war, so sagte er, der magische Slogan der neoliberalen Ära, das nichtstaatliche Sponsoring eben, zugleich aber auch eben Signal an den Staat. Er sagte: Prima, dann müssen wir jetzt nicht mehr so viel zahlen. So interpretiert es nun angesichts der Krise Martin Roth. Das klingt doch auch plausibel, oder?

Eissenhauer: Ja, aber das ist meine Erfahrung überhaupt nicht. Dieses Rückziehen des Staates, das ist doch in dieser Weise gar nicht gegeben. Wir haben keine amerikanischen Verhältnisse. Uns wurde durch manch einen, auch Kollegen aus unserer eigenen Zunft immer wieder propagiert, dass die amerikanischen Verhältnisse so gut seien. Ich habe davon nie etwas gehalten. Wir haben ein anderes kulturelles Erbe zu verantworten als amerikanische Museen, und deshalb hab ich auch nie die Erfahrung gemacht, dass im Zweifel stand oder auch jetzt in dieser Krise ...

Ich weiß auch als Museumsbund-Präsident kein einziges Museum zu nennen, das konkret damit konfrontiert ist, dass sich der Staat aus seiner Finanzierung, aus seiner Alimentierung zurückziehen möchte oder dass er angesichts der Krise seine Alimentierung zurückfährt. Im Gegenteil: Meine Wahrnehmung, auch als Direktor eines Landesmuseums in Kassel, so wie Herr Roth ja auch von der sächsischen Landesregierung finanziert und alimentiert wird, ist das Engagement enorm groß. In Sachsen, in Dresden werden 15 Millionen Euro in Provenienzforschung investiert, in Kassel werden 200 Millionen Euro durch die hessische Landesregierung in eine Ertüchtigung der Museen investiert. Und solche Nachrichten gibt es landauf, landab über unglaublich viele Museen zu berichten.

Ich will nicht sagen Krise, welche Krise? - Das bestimmt nicht, denn die Krise hat andere Auswirkungen. Es werden sich sicherlich private Sponsoren zurückziehen. Aber die Finanzierung der deutschen Museen ist Gott sei Dank nie auf die Finanzierung der Sponsoren gegründet gewesen. Die haben uns zum Teil ein sehr üppiges Kürprogramm ermöglicht. Worauf wir uns besinnen müssen, ist, dass Museen einen fundamentierten Stellenwert in der Gesellschaft haben, Bestandteil unserer kulturellen Überlieferung sind, Bestandteil auch kultureller Bildung in Deutschland sind, und diese Finanzierung bricht im Augenblick nicht weg. Wollen wir hoffen, dass es so bleibt.

Und den Staat daran zu erinnern, dass er hier in der Verantwortung steht, das ist sicherlich gut, jeden Tag zu tun, ob Krise oder nicht Krise. Diese Verantwortung besteht. Und diese Verantwortung hat der Staat meines Erachtens auch zu keiner Phase in Zweifel gezogen oder zur Debatte gestellt.

Scholl: Die Museen und das Sponsoring. Im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur ist Michael Eissenhauer, Generaldirektor der Staatlichen Museen in Berlin. Sie sind seit letztem Herbst im Amt, Michael Eissenhauer. Damals war davon die Rede, dass die Staatlichen Museen eine neue Abteilung für besseres Marketing und Sponsoring einrichten wollten. War vielleicht nicht gerade der beste Zeitpunkt, als die Banken ja reihenweise zusammenkrachten. Wie steht es damit, wie hoch ist der Anteil Private Public Partnership bei Ihrem Museum?

Eissenhauer: Also wir haben ein sehr, sehr starkes Engagement ja in der sogenannten Kuratorium Museumsinsel, in dem fast alle großen Firmen Deutschlands zusammengeschlossen sind und sich zusammengeschlossen haben, uns bei der Propagierung und der Stärkung des Standortes Museumsinsel gerade im Bereich des Marketings und der öffentlichen Wirksamkeit zu helfen. Und das ist ja wirklich ein Erfolgsprogramm der letzten fünf Jahre auch gewesen. Ich glaube, den Begriff "Museumsinsel" kennt mittlerweile fast jeder in Deutschland. Das ist enorm erfolgreich.

Und die Firmen, die in diesem Kuratorium uns helfen, haben zumindest nach meinem Kenntnisstand bis heute nicht gesagt, dass sie sich zurückziehen wollen oder dass sie uns da nicht mehr helfen wollen. Die wissen durchaus, welchen Stellenwert und welche Bedeutung es hat, gerade diesem national wirklich vielleicht zentralsten und wichtigsten und auch in der Außenwirkung enorm strahlkräftigen Standort der Berliner Museen zu helfen und zu unterstützen.

Also noch mal: Ich glaube nicht, dass der Erkenntnisstand, den großen Kultureinrichtungen in Deutschland zu helfen, mit der Krise plötzlich in sich zusammengeschrumpft oder in sich zusammengebrochen ist. Dass die Mittel nicht mehr so selbstverständlich fließen, glaube ich, daran werden wir uns gewöhnen müssen. Da müssen wir uns sicherlich mit auseinandersetzen. Aber im Augenblick bricht meines Erachtens nicht die Welt zusammen, sondern - Sie haben ja auch nach dieser neuen Abteilung gefragt - wir müssen einfach klarer auch uns darin positionieren und auch klarer herausarbeiten, wofür wir stehen, was wir anbieten können, wo unsere Stärke als Partner auch für Sponsoren und aber auch als Partner des uns alimentierenden Staates sind. Und ich glaube, da haben wir enorm viel anzubieten und können enorm produktiv auftreten.

Scholl: Wenn der Staat nun also so prächtig weiterhin mitmischt, dann verstehe ich aber nicht die Klage des Herrn Martin Roth über einen grassierenden Stellenabbau, sprich Stellenstopp. Er beklagt, er könnte keine neuen Leute mehr einstellen. Geht es Ihnen nicht so?

Eissenhauer: Also ich bin ja nicht dazu da, Martin Roth zu interpretieren. Er sagt nur in dem gleichen Interview auch, dass er 60 neue Wissenschaftler eingestellt hat. Also ganz passt das ...

Scholl: Für die Provenienzforschung.

Eissenhauer: Richtig. Aber das Geld kommt ja auch schließlich aus Steuermitteln und aus Landesgeldern. Also, ob das zusammenpasst oder nicht, das muss er selber erklären, das kann ich nicht sagen. Wir haben, um es für die Staatlichen Museen zu Berlin zu formulieren oder Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu sagen, wir haben ein Finanzierungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den 16 Ländern, die unsere Finanzierung festgeschrieben haben. Da gibt es leider, leider, leider keine Zuwachsraten, aber es gibt auch nicht die Befürchtung eines Abbaus, eines Schmälerns. Insofern ist da eine sehr verlässliche Grundlage.

Und ich glaube, dieses Comment, dieser Konsens in der deutschen Gesellschaft, auch im deutschen Verständnis des Kulturbewahrens, ist was sehr Einmaliges und was sehr Besonderes auf der Welt. Und insofern kann dieses massive Wegbrechen von Stellen und Finanzierungen zumindest nicht die deutschen Museen, die durch die Bundesrepublik Deutschland als Nation oder durch die einzelnen Länder der Bundesrepublik getragen und finanziert werden, zutreffen. Das existiert dort nicht. Ich kenne keine Meldungen dieser Art aus deutschen Museen.

Scholl: Die Zukunft des Sponsoring öffentlicher Museen. Das war Michael Eissenhauer, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin. Herr Eissenhauer, herzlichen Dank für das Gespräch!
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