Michael Funk: Pflegeroboter können sozialen Alltag nicht ersetzen
Es sei nicht unrealistisch, dass alte Menschen in Deutschland eines Tages von Robotern unterstützt werden, sagt Michael Funk, Technikphilosoph an der Technischen Universität Dresden. Die Technik dürfte den Menschen aber nicht aufgezwungen werden.
Auf der Internationalen Robotik-Tagung in Dresden diskutieren derzeit Forscher aus Deutschland und Japan die Zukunft der Roboter, ihre interkulturellen Perspektiven und technische Möglichkeiten. In japanischen Altenheimen wird bereits die Roboter-Robbe Paro zu Beschäftigungszwecken eingesetzt.
Klaus Pokatzky: Im Studio in Dresden ist nun Michael Funk, der als Forschungsassistent an der Professur für Technikphilosophie der Technischen Universität Dresden arbeitet. Guten Tag, Herr Funk!
Michael Funk: Schönen guten Tag!
Pokatzky: Herr Funk, Sie tauschen sich seit gestern und heute noch auf Ihrer Tagung vor allem mit japanischen Wissenschaftlern aus. Auf dem Gebiet des Pflegeroboters: Bedeutet das denn, von den Japanern lernen heißt siegen lernen?
Funk: Na ja, das bedeutet das nicht unbedingt, aus einem ganz einfachen Grund: Technik, oder wenn man von Technik spricht, Technikakzeptanz oder Vertrauen in Technik, heißt das, dass man nicht von einem Gegenstand spricht oder zunächst nicht von einem Gegenstand zu sprechen hat, sondern vor allen Dingen von einer kulturell eingebetteten menschlichen Praxisform. Das heißt, Technik ist jetzt weniger das technische Artefakt, das heißt, das ist der reine Gegenstand, der Pleo oder die Robbe Paro, sondern es ist das, was man damit macht, das, was ich mit der Technik mache. Und das, was man tut, was man macht, ist natürlich immer kulturell eingebettet. Das heißt, man kann jetzt nicht so ohne Weiteres sagen, von Japanern zu lernen heißt siegen zu lernen, sondern man muss das immer im Hintergrund oder vor dem Hintergrund seiner eigenen kulturellen Einbettung betrachten.
Pokatzky: Und wie unterscheiden sich da unsere kulturelle Einbettung eines Roboters von der, wie die Japaner das machen?
Funk: Das unterscheidet sich durch Faktoren der Moral zum Beispiel, der Moralität, durch Werte und natürlich auch ganz wesentlich durch religiöse Hintergrundfaktoren, durch religiöse Weltbilder, durch religiöse, ja, Glaubenssysteme. Und dazu gehört zum Beispiel der springende Punkt, dass es in Japan im Schintoismus sogenannte animistische Denkformen oder Glaubensformen gibt, die sich da erhalten haben relativ stark, die wir so im Christentum oder im christlich geprägten, ja, Europa der Gegenwart so stark nicht mehr finden.
Und Animismus heißt zum Beispiel – das kommt von anima, Seele –, das heißt zum Beispiel auch Allbeseeltheit. Und das heißt, in Japan ist es aufgrund des Schintoismus, das heißt dieser animistischen Züge, des Schintoismus, der schintoistischen Religion, möglich, einem Gegenstand oder einem Naturphänomen eine Seele zuzuschreiben. Und genau das trifft natürlich jetzt auch auf einen Roboter auf einen Pflegeroboter zu.
Pokatzky: Wie realistisch ist das denn wirklich, dass wir eines Tages im Alter von Robotern betreut werden, von Pflegerobotern?
Funk: Na ja, so unrealistisch ist das gar nicht. Ich denke, unrealistisch und sicherlich auch moralisch nicht angemessen sind solche Szenarien jetzt von einer vollständigen Pflege auszugehen, also das wäre jetzt fast schon eine technische Dystopie, also eine Art Erwartungshaltung, in der sich vielleicht sogar ein negatives Bild, ein negatives Technikbild projiziert oder abbildet. Das heißt, eine Dystopie wäre jetzt, wenn ich davon ausgehe, wenn ich mal alt bin, dann wird sich kein Mensch mehr um mich kümmern, sondern bloß noch ein Roboter.
Pokatzky: Pleo oder wie er immer dann heißen mag.
Funk: Oder wie auch immer er heißen mag, wahrscheinlich eventuell etwas komplexere Geräte als Pleo. Solche Szenarien sind aber relativ unwahrscheinlich und moralisch auch nicht wünschenswert, sondern es geht um eine Teilweise-Pflegeleistung oder Assistenzsysteme, technische Assistenzsysteme. Das heißt, die sollen jetzt nicht das Pflegepersonal, nicht den sozialen Kontakt ersetzen oder das Pflegepersonal ausbooten oder einem alten Menschen einen sozialen Kontakt rein auf einer Maschinenbasis ermöglichen, sondern sie sollen helfen. Es sind Helfer, es sind Werkzeuge mit einer herausragenden technischen Intelligenz. Und als solche müssen die dann aber auch gesehen werden.
Pokatzky: Aber, Herr Funk, was können Pflegeroboter denn dann überhaupt, wozu sind sie denn dann wirklich da?
Funk: Na ja, also Pflegeroboter, die können einfach helfen, den Alltag zu bewältigen, und zwar im Sinne, dass sie zum Beispiel kochen oder sich um die Bettwäsche kümmern oder solche Aufgaben übernehmen. Pflegeroboter können jedoch nicht den sozialen Alltag, das soziale Miteinander ersetzen.
Pokatzky: Welche Rolle spielen dabei Technikphilosophen, wie Sie einer sind? Gibt es überhaupt so etwas wie Roboterethik?
Funk: Ja, also das ist natürlich genau der Gegenstand, den ein Technikphilosoph auch unter anderem diskutieren und betrachten muss. Natürlich. Wenn es die Philosophen nicht machen, wer macht es sonst?
Pokatzky: Was sagt denn unser Technikphilosoph Michael Funk zu den Standards einer Roboterethik?
Funk: Na ja, die Standards einer Roboterethik, die sind noch nicht entwickelt. Also wenn man so will, ist es ein Diskussionsfeld, ein relativ junges Diskussionsfeld, seit fünf bis sechs Jahren, und die Frage ist ja, was ist das eigentlich? Es ist eine angewandte Form von einer Technikethik, wenn man so will, die Aspekte von einer Technikfolgenabschätzung umfasst und natürlich eben auch sämtliche Aspekte von Moralität, die mit technischen Handlungen zu tun haben.
Das heißt, ist es moralisch, auf die und die Art und Weise mit einem Roboter umzugehen? Ist es moralisch, Roboter für den und den Zweck zu entwickeln? Um diese Fragen geht es, und dieses Feld ist natürlich, wenn man so will, relativ, ja, entweder klar oder unklar. Man kann es klarstecken, indem man sagt, das ist einfach nur Technikethik für Roboter, oder man sagt, das ist vielleicht unklar in dem Sinne, dass wir es hier mit technischen Strukturen, mit technischen Oberflächen oder Schnittstellen zu tun haben, die völlig neue Herausforderungen stellen, eben auch an unser moralisches Selbstempfinden als Menschen. Wer bin ich als Mensch in einer Welt, in der mich ein Serviceroboter zum Beispiel versorgt?
Pokatzky: Könnten Sie denn da schon so zwei oder drei Gebote entwickeln und formulieren?
Funk: Na ja, also auf jeden Fall kann ich das Gebot formulieren, ganz klar als Technikphilosoph, dass Technik nutzerfreundlich sein muss, das ist ganz wichtig. Es geht hier vor allen Dingen um den Nutzer, gerade wenn wir eben auf Pflegeroboter gucken, auf die Altenpflege. Hier geht es jetzt nicht darum, Menschen oder ältere oder alternde Menschen mit einer Technik zu konfrontieren, die die Nutzer gar nicht wollen. Das heißt, das Gebot wäre zu sagen: Sowohl körperliche Ausstattungsmerkmale oder körperliche, wenn man so will, Bedürfnisse von Nutzern zu beachten und aber eben auch die moralischen Bedürfnisse. Das heißt, wenn jemand, wenn ein Mensch das Bedürfnis hat, von einem anderen Menschen gepflegt zu werden, dann darf man dieses Bedürfnis nicht übergehen und man darf nicht sagen, ja, wieso, die Roboter können dich doch viel besser versorgen.
Pokatzky: Wo wäre denn für Sie eine Grenze, eine ethische Grenze beim Einsatz von solchen Pflegerobotern? Wo würden Sie sagen, nein, das geht dann zu weit?
Funk: Na ja, es würde an dem Punkt zu weit gehen, wenn man natürlich jetzt einen Nutzer gegen seinen Willen eine Pflege durch ein automatisiertes oder autonomes technisches System aufzwingt, das heißt über die Bedürfnisse des Nutzers hinweg und vor allen Dingen auch über die moralischen Werte und über die moralischen Bedürfnisse und Empfindungen eines Nutzers hinweg.
Pokatzky: Wenn ich mir vorstelle, also die Kinder heute, die mit acht schon ihr erstes Handy haben und die dann sehr schnell in Computerfertigkeiten hineinwachsen, wie alle, die wir zunehmend ja ohne ein iPhone überhaupt nicht mehr leben können, ist das eine Generationenfrage und wird in zwei, drei Generationen das völlig selbstverständlich sein für alte Menschen, dass sie von solchen kleinen Maschinenwesen mit umsorgt werden?
Funk: Es ist definitiv eine Generationenfrage, und ich denke, Sie haben recht, es wird wahrscheinlicher werden, dass in zwei, drei Generationen das Akzeptanzpotenzial deutlich höher ist, aus eben genau den genannten Gründen. Das heißt, wenn man mit solchen Robotern aufwächst, wenn man mit Mobiltelefon aufwächst, mit Internet, mit Computern, dann ist man natürlich bestimmte Schnittstellen gewohnt, bestimmte andere Schnittstellen, als jemand, als ein Mensch, der zum Beispiel sein Leben lang nur mit Autos oder mit einem Staubsauger oder einer Waschmaschine Kontakt im Umgang hatte. Das ist eine andere technische Schnittstelle.
Und natürlich ist es für Menschen leichter, die jetzt mit so einem kleinen Spielzeugroboter vielleicht aufwachsen oder die mit einem Computer oder mit einem Mobiltelefon aufwachsen, solche Ambienten-assistiven Technologien dann auch im Alter zu akzeptieren und denen dann natürlich auch zu vertrauen, ganz intuitiv.
Pokatzky: Freuen Sie sich denn schon darauf, wenn Sie eines Tages alt und grau sein sollten, von einem Pflegeroboter betreut zu werden?
Funk: Ich persönlich freue mich sehr drauf, wenn der Roboter meinen Bedürfnissen entspricht, das heißt, wenn ich das Gefühl habe, ich habe hier ein assistives System, eine Technik, die hilft mir, meinen Alltag zu bewältigen, also zum Beispiel kocht für mich oder wechselt meine Bettwäsche oder so was. Und wenn ich dann dieses Gefühl habe, ich habe die Kontrolle über die Technik, die macht das, was ich will, dann freue ich mich drauf. Wenn ich allerdings das Gefühl habe, das ist jetzt ein Gerät, das schreibt mir jemand vor per Gesetz oder so, und das Gerät, das hat mich jetzt auf eine bestimmte Art und Weise zu versorgen, die mir auch jemand von außen vorschreibt, dann will ich das nicht.
Pokatzky: Danke, Michael Funk …
Funk: Bitteschön!
Pokatzky: … Technikphilosoph in Dresden, wo gerade eine Tagung stattfindet über die Zukunft der Roboter in Deutschland und Japan und ihre interkulturellen Perspektiven und die technischen Möglichkeiten.
Klaus Pokatzky: Im Studio in Dresden ist nun Michael Funk, der als Forschungsassistent an der Professur für Technikphilosophie der Technischen Universität Dresden arbeitet. Guten Tag, Herr Funk!
Michael Funk: Schönen guten Tag!
Pokatzky: Herr Funk, Sie tauschen sich seit gestern und heute noch auf Ihrer Tagung vor allem mit japanischen Wissenschaftlern aus. Auf dem Gebiet des Pflegeroboters: Bedeutet das denn, von den Japanern lernen heißt siegen lernen?
Funk: Na ja, das bedeutet das nicht unbedingt, aus einem ganz einfachen Grund: Technik, oder wenn man von Technik spricht, Technikakzeptanz oder Vertrauen in Technik, heißt das, dass man nicht von einem Gegenstand spricht oder zunächst nicht von einem Gegenstand zu sprechen hat, sondern vor allen Dingen von einer kulturell eingebetteten menschlichen Praxisform. Das heißt, Technik ist jetzt weniger das technische Artefakt, das heißt, das ist der reine Gegenstand, der Pleo oder die Robbe Paro, sondern es ist das, was man damit macht, das, was ich mit der Technik mache. Und das, was man tut, was man macht, ist natürlich immer kulturell eingebettet. Das heißt, man kann jetzt nicht so ohne Weiteres sagen, von Japanern zu lernen heißt siegen zu lernen, sondern man muss das immer im Hintergrund oder vor dem Hintergrund seiner eigenen kulturellen Einbettung betrachten.
Pokatzky: Und wie unterscheiden sich da unsere kulturelle Einbettung eines Roboters von der, wie die Japaner das machen?
Funk: Das unterscheidet sich durch Faktoren der Moral zum Beispiel, der Moralität, durch Werte und natürlich auch ganz wesentlich durch religiöse Hintergrundfaktoren, durch religiöse Weltbilder, durch religiöse, ja, Glaubenssysteme. Und dazu gehört zum Beispiel der springende Punkt, dass es in Japan im Schintoismus sogenannte animistische Denkformen oder Glaubensformen gibt, die sich da erhalten haben relativ stark, die wir so im Christentum oder im christlich geprägten, ja, Europa der Gegenwart so stark nicht mehr finden.
Und Animismus heißt zum Beispiel – das kommt von anima, Seele –, das heißt zum Beispiel auch Allbeseeltheit. Und das heißt, in Japan ist es aufgrund des Schintoismus, das heißt dieser animistischen Züge, des Schintoismus, der schintoistischen Religion, möglich, einem Gegenstand oder einem Naturphänomen eine Seele zuzuschreiben. Und genau das trifft natürlich jetzt auch auf einen Roboter auf einen Pflegeroboter zu.
Pokatzky: Wie realistisch ist das denn wirklich, dass wir eines Tages im Alter von Robotern betreut werden, von Pflegerobotern?
Funk: Na ja, so unrealistisch ist das gar nicht. Ich denke, unrealistisch und sicherlich auch moralisch nicht angemessen sind solche Szenarien jetzt von einer vollständigen Pflege auszugehen, also das wäre jetzt fast schon eine technische Dystopie, also eine Art Erwartungshaltung, in der sich vielleicht sogar ein negatives Bild, ein negatives Technikbild projiziert oder abbildet. Das heißt, eine Dystopie wäre jetzt, wenn ich davon ausgehe, wenn ich mal alt bin, dann wird sich kein Mensch mehr um mich kümmern, sondern bloß noch ein Roboter.
Pokatzky: Pleo oder wie er immer dann heißen mag.
Funk: Oder wie auch immer er heißen mag, wahrscheinlich eventuell etwas komplexere Geräte als Pleo. Solche Szenarien sind aber relativ unwahrscheinlich und moralisch auch nicht wünschenswert, sondern es geht um eine Teilweise-Pflegeleistung oder Assistenzsysteme, technische Assistenzsysteme. Das heißt, die sollen jetzt nicht das Pflegepersonal, nicht den sozialen Kontakt ersetzen oder das Pflegepersonal ausbooten oder einem alten Menschen einen sozialen Kontakt rein auf einer Maschinenbasis ermöglichen, sondern sie sollen helfen. Es sind Helfer, es sind Werkzeuge mit einer herausragenden technischen Intelligenz. Und als solche müssen die dann aber auch gesehen werden.
Pokatzky: Aber, Herr Funk, was können Pflegeroboter denn dann überhaupt, wozu sind sie denn dann wirklich da?
Funk: Na ja, also Pflegeroboter, die können einfach helfen, den Alltag zu bewältigen, und zwar im Sinne, dass sie zum Beispiel kochen oder sich um die Bettwäsche kümmern oder solche Aufgaben übernehmen. Pflegeroboter können jedoch nicht den sozialen Alltag, das soziale Miteinander ersetzen.
Pokatzky: Welche Rolle spielen dabei Technikphilosophen, wie Sie einer sind? Gibt es überhaupt so etwas wie Roboterethik?
Funk: Ja, also das ist natürlich genau der Gegenstand, den ein Technikphilosoph auch unter anderem diskutieren und betrachten muss. Natürlich. Wenn es die Philosophen nicht machen, wer macht es sonst?
Pokatzky: Was sagt denn unser Technikphilosoph Michael Funk zu den Standards einer Roboterethik?
Funk: Na ja, die Standards einer Roboterethik, die sind noch nicht entwickelt. Also wenn man so will, ist es ein Diskussionsfeld, ein relativ junges Diskussionsfeld, seit fünf bis sechs Jahren, und die Frage ist ja, was ist das eigentlich? Es ist eine angewandte Form von einer Technikethik, wenn man so will, die Aspekte von einer Technikfolgenabschätzung umfasst und natürlich eben auch sämtliche Aspekte von Moralität, die mit technischen Handlungen zu tun haben.
Das heißt, ist es moralisch, auf die und die Art und Weise mit einem Roboter umzugehen? Ist es moralisch, Roboter für den und den Zweck zu entwickeln? Um diese Fragen geht es, und dieses Feld ist natürlich, wenn man so will, relativ, ja, entweder klar oder unklar. Man kann es klarstecken, indem man sagt, das ist einfach nur Technikethik für Roboter, oder man sagt, das ist vielleicht unklar in dem Sinne, dass wir es hier mit technischen Strukturen, mit technischen Oberflächen oder Schnittstellen zu tun haben, die völlig neue Herausforderungen stellen, eben auch an unser moralisches Selbstempfinden als Menschen. Wer bin ich als Mensch in einer Welt, in der mich ein Serviceroboter zum Beispiel versorgt?
Pokatzky: Könnten Sie denn da schon so zwei oder drei Gebote entwickeln und formulieren?
Funk: Na ja, also auf jeden Fall kann ich das Gebot formulieren, ganz klar als Technikphilosoph, dass Technik nutzerfreundlich sein muss, das ist ganz wichtig. Es geht hier vor allen Dingen um den Nutzer, gerade wenn wir eben auf Pflegeroboter gucken, auf die Altenpflege. Hier geht es jetzt nicht darum, Menschen oder ältere oder alternde Menschen mit einer Technik zu konfrontieren, die die Nutzer gar nicht wollen. Das heißt, das Gebot wäre zu sagen: Sowohl körperliche Ausstattungsmerkmale oder körperliche, wenn man so will, Bedürfnisse von Nutzern zu beachten und aber eben auch die moralischen Bedürfnisse. Das heißt, wenn jemand, wenn ein Mensch das Bedürfnis hat, von einem anderen Menschen gepflegt zu werden, dann darf man dieses Bedürfnis nicht übergehen und man darf nicht sagen, ja, wieso, die Roboter können dich doch viel besser versorgen.
Pokatzky: Wo wäre denn für Sie eine Grenze, eine ethische Grenze beim Einsatz von solchen Pflegerobotern? Wo würden Sie sagen, nein, das geht dann zu weit?
Funk: Na ja, es würde an dem Punkt zu weit gehen, wenn man natürlich jetzt einen Nutzer gegen seinen Willen eine Pflege durch ein automatisiertes oder autonomes technisches System aufzwingt, das heißt über die Bedürfnisse des Nutzers hinweg und vor allen Dingen auch über die moralischen Werte und über die moralischen Bedürfnisse und Empfindungen eines Nutzers hinweg.
Pokatzky: Wenn ich mir vorstelle, also die Kinder heute, die mit acht schon ihr erstes Handy haben und die dann sehr schnell in Computerfertigkeiten hineinwachsen, wie alle, die wir zunehmend ja ohne ein iPhone überhaupt nicht mehr leben können, ist das eine Generationenfrage und wird in zwei, drei Generationen das völlig selbstverständlich sein für alte Menschen, dass sie von solchen kleinen Maschinenwesen mit umsorgt werden?
Funk: Es ist definitiv eine Generationenfrage, und ich denke, Sie haben recht, es wird wahrscheinlicher werden, dass in zwei, drei Generationen das Akzeptanzpotenzial deutlich höher ist, aus eben genau den genannten Gründen. Das heißt, wenn man mit solchen Robotern aufwächst, wenn man mit Mobiltelefon aufwächst, mit Internet, mit Computern, dann ist man natürlich bestimmte Schnittstellen gewohnt, bestimmte andere Schnittstellen, als jemand, als ein Mensch, der zum Beispiel sein Leben lang nur mit Autos oder mit einem Staubsauger oder einer Waschmaschine Kontakt im Umgang hatte. Das ist eine andere technische Schnittstelle.
Und natürlich ist es für Menschen leichter, die jetzt mit so einem kleinen Spielzeugroboter vielleicht aufwachsen oder die mit einem Computer oder mit einem Mobiltelefon aufwachsen, solche Ambienten-assistiven Technologien dann auch im Alter zu akzeptieren und denen dann natürlich auch zu vertrauen, ganz intuitiv.
Pokatzky: Freuen Sie sich denn schon darauf, wenn Sie eines Tages alt und grau sein sollten, von einem Pflegeroboter betreut zu werden?
Funk: Ich persönlich freue mich sehr drauf, wenn der Roboter meinen Bedürfnissen entspricht, das heißt, wenn ich das Gefühl habe, ich habe hier ein assistives System, eine Technik, die hilft mir, meinen Alltag zu bewältigen, also zum Beispiel kocht für mich oder wechselt meine Bettwäsche oder so was. Und wenn ich dann dieses Gefühl habe, ich habe die Kontrolle über die Technik, die macht das, was ich will, dann freue ich mich drauf. Wenn ich allerdings das Gefühl habe, das ist jetzt ein Gerät, das schreibt mir jemand vor per Gesetz oder so, und das Gerät, das hat mich jetzt auf eine bestimmte Art und Weise zu versorgen, die mir auch jemand von außen vorschreibt, dann will ich das nicht.
Pokatzky: Danke, Michael Funk …
Funk: Bitteschön!
Pokatzky: … Technikphilosoph in Dresden, wo gerade eine Tagung stattfindet über die Zukunft der Roboter in Deutschland und Japan und ihre interkulturellen Perspektiven und die technischen Möglichkeiten.