Michael Hartmann: Wie die Eliten die Demokratie gefährden
Campus Verlag 2018
276 Seiten, 19,95 Euro.
Eigennutz vor Gemeinsinn
Die Eliten bildeten keine tragende Säule der Gesellschaft, sondern höhlten die Demokratie zunehmend aus, kritisiert der Soziologe Michael Hartmann. Er fordert eine Abwendung vom neoliberalen Kurs der Politik, von dem vor allem die Eliten profitierten.
Die Eliten werden immer mehr zur geschlossenen Gesellschaft. Das gilt nicht nur für die Wirtschafts-, sondern zunehmend auch für die politische Elite. Ihre Lebenswelt und die der Bevölkerung driften seit Jahrzehnten auseinander. In seinem Buch "Die Abgehobenen" analysiert der Elitenforscher Michael Hartmann diese Entwicklung. Als Elite definiere er Personen, die in der Lage seien gesellschaftliche Entwicklungen maßgeblich zu beeinflussen, sagte der Soziologe im Deutschlandfunk Kultur. "Man schätzt normalerweise, es sind rund 4000 Personen mit einem Kern von tausend Personen."
Dazu gehörten Regierungsmitglieder, Bundesrichter, hohe Verwaltungsbeamte und Spitzenmanager. Es gebe zwei Gründe dafür, dass diese Leute sich von dem Rest der Bevölkerung zunehmend entfernt hätten: Das sei einmal die soziale Rekrutierung, fast Zweidrittel der Elite stamme aus den oberen vier Prozent der Bevölkerung. Sie hätten deshalb bereits in ihrer Kindheit und Jugend Reichtum und Wohlstand erlebt. Die Väter seien meist in angesehenen Positionen oder Machtpositionen gewesen. Außerdem hätten sie in den letzten 20 Jahren von der sozialen Schere profitiert, die immer mehr auseinander gehe. Denn die Elite gehöre mit Einkommen um die 10.000 Euro monatlich zu den Beziehern höherer Einkommen in der Gesellschaft. Damit hätten sie aus den meisten politischen Beschlüssen in der Steuerpolitik Nutzen gezogen.
Akademiker überrepräsentiert
Die Geschlossenheit dieser Kreise gefährde die Demokratie, sagte Hartmann. Vor allem bei der politischen Elite dominiere eine bestimmte Sichtweise das politische Denken und Handeln. Die untere Hälfte der Bevölkerung werde dadurch kaum noch vertreten. Als Beispiel nannte der Forscher die Arbeiterpartei SPD, die vor 50 Jahren noch ein Drittel Arbeiter in ihren Reihen gehabt hätten. Heute hätten sie in ihrer überalterten Mitgliedschaft nur noch 16 Prozent Arbeiter und einen hohen Akademikeranteil von fast 40 Prozent. "Das ist völlig unrepräsentativ für die entsprechenden Jahrgänge in der Bevölkerung, das müsste eigentlich umgekehrt sein", sagte der Soziologe. Diese Entwicklung führe dazu, dass die Wirklichkeit anders wahrgenommen werde. Der Eigennutz gehe bei den Eliten vor dem Gemeinsinn, kritisierte Hartmann.