Michael-Hutchence-Doku "Mystify"

Nostalgisches Porträt aus analogen Popmusikzeiten

04:27 Minuten
Das Filmstill aus "Mystify" zeigt Michael Hutchence im Porträt.
Den Dokumentarfilm "Mystify" montierte Richard Lowenstein aus unveröffentlichtem Material, das er auf seinem Dachboden gefunden hatte. © Happy Entertainment MT Trading UG
Von Oliver Schwesig · 30.01.2020
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Der Erfolg von INXS hat vor allem auch mit dem charismatische Sänger Michael Hutchence zu tun, der Lieblingsobjekt der Klatschpresse wurde – nicht zuletzt durch seinen tragischen Tod 1997. Die Doku "Mystify" zeichnet Hutchence’ Weg akribisch nach.
So simpel-poppig manche ihrer Songs aus heutiger Sicht auch klingen mögen – INXS waren Ende der 80er in Sachen Welthits und MTV-Ruhm das Nonplusultra. Und das mit einem rockgetriebenen Pop-Funk, der im Vergleich zu Zeitgenossen wie Rick Astley oder Bon Jovi echt Stil hatte. Das wird noch mal klar, beim Sehen des neuen Films über den INXS Sänger Michael Hutchence. Hits konnten sie.
Regisseur Richard Lowenstein taucht in seiner Doku "Mystify" tief ein in die Bandgeschichte. Vor dem Mega-Erfolg kam das Klinkenputzen. INXS gab es schon seit Ende der 70er. Die Band erinnert sich an die harten ersten Jahre.
"Wir spielten und spielten. Überall. Hunderte Shows pro Jahr. Bis Plattenfirmen uns unter Vertrag nehmen mussten, weil wir so eine große Fangemeinde hatten. Fünf oder sechs Shows die Woche. Samstag in Melbourne, zurück nach Sydney für zwei Shows am Sonntag. Viel Fahrerei war das, kreuz und quer durchs Land. Und Michael war einfach nur einer von der Band. Eine große Familie."
Fast lückenlos wird Michael Hutchence’ Leben abgetastet. Vor allem seine Beziehungen zu den Frauen. Hutchence, als omnipräsentes und omnipotentes Sexsymbol. Die 80er-Jahre-Version von Mick Jagger, ein Mann, der Promifrauen verschlingt, von Kylie Minogue bis Supermodel Helena Christensen. Die große Wunde im Leben von Michael Hutchence ist ein Ereignis in der Kindheit. Seine Mutter nimmt ihn nach der Trennung vom Vater mit nach Amerika. Der ungeliebte kleine Bruder bleibt weinend am Flughafen zurück.

Der Fahrradunfall war ein Wendepunkt

Diese Scham nagt an Hutchence sein Leben lang. Wichtiger Wendepunkt für Hutchence ist ein Unfall 1992. Ein wütender Taxifahrer schubst ihn vom Fahrrad und der Sänger schlägt mit dem Kopf auf dem Bordstein auf. Er wird bewusstlos und verliert seinen Geruchssinn. Für einen, der sein Geld mit Sinnlichem verdient, ein Riesentrauma. Er verschweigt es dennoch.
Die These des Films: Dieser Unfall hat den Sänger nachhaltig verunsichert, und seinen Drogenkonsum enorm gesteigert, was letztlich 1997 zum Selbstmord geführt hat.

Ästhetik eines MTV-Videos

Lowensteins Film ist eine fast klassische Talking-Heads-Doku mit Archivmaterial. Freunde, Familie und Wegbegleiter kommen zu Wort in aktuellen Interviews. Allerdings hört man sie nur. Es gibt keine neu gedrehten Bilder. Der Film besteht ausschließlich aus körnigen Aufnahmen aus den 80ern und 90ern. Leider.
Bemerkenswert allerdings ist der enorme Fundus von Fotos, Tonbandaufnahmen oder Liebesbriefen, die Regisseur Lowenstein ausgegraben hat. Aus dem Rockstar wird der Mensch Michael Hutchence, der bis zum Schluss auch Sympathieträger bleibt.
Allerdings, Schnitt und Erzählweise haben die Anmutung einer klassischen MTV-Doku aus den 90ern. Heute ist handwerklich bei Musikfilmen dieser Art mehr drin. Die Erzählung des Films trennt sich auch zusehends von der Geschichte der Band. Irgendwann denkt man, INXS bestehe nur aus Hutchence. Das ist streckenweise ein bisschen viel Verehrung. Trotzdem bekommt man ein sehr umfängliches Künstlerporträt, das zum Beispiel mit Verschwörungstheorien aufräumt.
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