Michael Jahn: "Lucien Favre - Der Bessermacher"
Arete Verlag, Hildesheim 2019
212 Seiten, 16 Euro
So nah dran, wie man dem BVB-Trainer eben kommen kann
07:02 Minuten
Lucien Favre gilt als Trainer, der Spieler zu Taktikprofis ausbildet. Der sich allen Bedenken zum Trotz blendend mit einem wie Mario Balotelli verstand, der aber auch mal geht, wenn es schwierig wird. Michael Jahn versucht sich an einem Porträt.
Der Fußballer Johann Cruyff hat sowohl als Spieler als auch als Trainer Legendenstatus erreicht. Eine seiner Weisheiten lautete: "Fußball spielen ist sehr simpel, aber simplen Fußball zu spielen, ist das Schwierigste überhaupt."
Vielleicht hat der Schweizer Lucien Favre dieses Motto beherzigt, seitdem er Anfang der 1990er Jahre beim Trainer Cruyff in Barcelona hospitiert hat. Auf jeden Fall ist er seitdem ein erfolgreicher Trainer geworden – mit Meistertiteln und Pokalsiegen in der Schweiz. In Deutschland hat er allerdings erst zum Start dieser Saison mit einem Sieg des BVB gegen den FC Bayern München den ersten Titel geholt – den eher unbedeutenden Supercup.
Lucien Favre haftet das Image an, Spieler zu entwickeln, taktisch guten Fußball spielen zu lassen – aber in schwierigen Situationen als zögerlich zu gelten.
Weggefährten Favres sprechen über Favre
Vor kurzem ist das Buch "Lucien Favre - Der Bessermacher" des Sportjournalisten Michael Jahn erschienen. Jahn und Favre sind wohl bekannt miteinander, sie kennen sich aus jener Zeit, in der Favre bei Hertha BSC war. Seither ist der Kontakt zwischen beiden nie ganz abgerissen.
Um der Trainerpersönlichkeit und dem Menschen Lucien Favre näherzukommen, traf der Autor Jahn Wegbegleiter Favres: Ancillo Canepa, der ihn beim AC Zürich begleitet hat, den ehemaligen Schiedsrichter Urs Maier und natürlich Dieter Hoeneß, der ihn zu Hertha BSC holte und seine Trainerqualitäten in Deutschland bekannt machte.
Die Interviewten zeichnen in dem Buch ein ambivalentes Bild des Trainers, berichtet Rezensent Stefan Ostermeier. "Auf der einen Seite genialisch. Begabung ist da, gepaart mit tiefem Verständnis für den Fußball." Aber Favre wird von seinen Kollegen und Begleitern auch als jemand porträtiert, der sich ab und an selbst im Weg steht, resümiert Ostermeier.
Favre schreibt das Vorwort zum Buch über sich selbst
Der Autor Jahn hat für sein Buch auch mit Favre selbst gesprochen, allerdings nehmen diese Gespräche wenig Raum ein. Ungewöhnlich ist die Handhabe Jahns, den porträtierten Favre ein Vorwort zu dem Porträt über sich selbst schreiben zu lassen. Osterhaus sagt dementsprechend: "Das ist keines jener Bücher, die aus der Distanz entstehen. Favre ist ein Trainer, der dem Journalisten Jahn sehr gut vertraut ist."
Aber hat es Jahn tatsächlich geschafft, Favre als Persönlichkeit nahe zu kommen? "Ich glaube, an der Person Favre, am Trainer Favre kann man gar nicht ganz nah dran sein. Obwohl er sehr umgänglich ist, ist er dennoch ein recht distanzierter Typ", sagt Osterhaus.
Favre und Balotelli verstanden sich hervorragend
Ein distanzierter Typ aber, der eine erstaunliche Vertrautheit zu einem als ausgesprochen schwierig geltenden Spieler wie Mario Balotelli aufbauen konnte.
In Nizza trafen beide aufeinander und verstanden sich blendend: "Balotelli hat entdeckt, dass (bei Favre) ein tiefes Verständnis für das Angriffsspiel da ist. Das hat ihm gefallen. Es hat kaum einen Trainer gegeben, der besser mit Mario Balotelli ausgekommen ist als Lucien Favre", bemerkt.
(aba)