Die größeren Kröten mussten die Grünen schlucken
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Auch wenn die Grünen in der Migrationspolitik "sehr große Kröten" schlucken mussten: Der Schriftsteller Michael Köhlmeier räumt Schwarz-Grün in Österreich gute Chancen ein, eine Legislaturperiode zu überstehen. Denn beide Partner brauchten den Erfolg.
Nach der FPÖ nun die Grünen – Österreichs alter und designierter neuer Bundeskanzler Sebastian Kurz offenbart mit der Wahl seiner Koalitionspartner in den Augen vieler eine bemerkenswerte politische Wendigkeit. Kurz sei ein "Pragmatiker der Macht", der das für ihn Mögliche tue, um selbst an der Macht zu bleiben, sagt der Schriftsteller Michael Köhlmeier.
Inhaltlich dürfte die Einigung von ÖVP und Grünen, die am Mittwochabend verkündet wurde, nach Einschätzung Köhlmeiers allerdings für die Grünen schmerzlicher sein als für die ÖVP. So hätten die Grünen in der Migrationspolitik "sehr große Kröten" schlucken müssen, sagt der Schriftsteller. Während umgekehrt Kurz um die grünen Themen Umwelt- und Klimapolitik beim gegenwärtigen Zeitgeist ohnehin nicht herumgekommen wäre.
Nur bedingt ein Vorbild für Deutschland
Gleichwohl glaubt Köhlmeier, dass die schwarz-grüne Koalition in Österreich mindestens eine Legislaturperiode hält, vielleicht sogar zwei – weil Vernunftehen oft länger halten als aus Leidenschaft geschlossene und weil beide Koalitionspartner dringend den Erfolg brauchten: Andernfalls wäre es für Sebastian Kurz die dritte Regierung, die unter seiner Beteiligung zerbreche. "Und das kann er sich, glaube ich, in seiner Karriere nicht leisten", sagt Köhlmeier. Bei den Grünen wiederum sitze der Schock des Nicht-Einzugs ins Parlament von 2017 schief: "Die wissen, wenn sie jetzt scheitern, sind sie für lange, lange Zeit weg."
Wenn der Bundeskongress der Grünen am Samstag seine Zustimmung zu den Vereinbarungen gibt, wäre nicht nur der Weg frei für die erste schwarz-grüne Koalition auf Bundesebene: Es wäre auch die erste Beteiligung an einer Bundesregierung überhaupt für die österreichischen Grünen.
Wenn Schwarz-Grün in Österreich gelinge, könnte das für Deutschland unter Umständen Vorbild haben, meint Köhlmeier. Allerdings gibt er zu bedenken, dass die österreichischen Grünen – mit Ausnahme Wiens – "von der Tradition her" konservativer seien als die deutschen Grünen.
(uko)