Michael Mann/Meg Gardiner: "Heat 2"

Testosterongesättigter Wunsch nach Action

04:16 Minuten
Das Cover des Krimis von Michael Mann und Meg Gardiner, "Heat 2". Es zeigt eine Metropole bei Nacht, die in ein hellblaues Licht getaucht ist, von einem Ort in den umgebenden Hügeln. Das Buch ist auf der Krimibestenliste von Deutschlandfunk Kultur.
© HarperCollins

Michael Mann, Meg Gardiner

Aus dem Englischen von Wolfgang Thon

Heat 2HarperCollins, Hamburg 2022

688 Seiten

14,00 Euro

Von Sonja Hartl · 11.11.2022
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Es ist noch lange nicht vorbei: Michael Mann und Meg Gardiner haben dem Filmklassiker „Heat“ eine Fortsetzung in Form eines Romans verpasst. Dieser folgt dem Retro-Trend in der Kriminalliteratur, hat aber sonst wenig zu bieten.
Im Jahr 1995 schuf Michael Mann in seinem Film „Heat“ einen unvergesslichen Moment der Filmgeschichte: Al Pacino und Robert de Niro waren das erste Mal gemeinsam in einer Szene zu sehen. Nun hat Mann zusammen mit Meg Gardiner die Fortsetzung zu seinem Klassiker als Buch veröffentlicht.
Der Thriller „Heat 2“ setzt nahtlos am Ende des Films im Jahr 1995 ein: Der Cop Vincent Hanna hat gerade den Gangster Neil McCauley erschossen, der mit seiner Bande einen blutigen Banküberfall in Los Angeles begangen hat. Nun ist nur noch einer von Neils Komplizen flüchtig: der schwerverletzte Chris Shiherlis. Er kann sich nach Paraguay absetzen und beginnt dort einen langsamen Aufstieg in einem Gangstersyndikat.

Wiedersehen mit Hanna und McCauley

Der Strang um Chris soll den Kosmos von „Heat“ in die Gegenwart überführen, in der das große Verbrechen längst virtuell stattfindet. Da ein wesentlicher Reiz des Films aber in der Figur des verstorbenen Neil McCauley liegt, baut der Roman eine Vorgeschichte ein: Im Jahr 1988 plant Neil mit seiner Bande einen spektakulären Einbruch in Chicago. Dort ermittelt zur gleichen Zeit – welch Zufall –Vincent Hanna in einer Einbruchsserie.
Dieser Handlungsstrang hat drei Funktionen: Er soll die Grundkonstellation von „Heat“ wiederaufnehmen und damit die Fans ansprechen. Er soll einen Showdown am Ende von „Heat 2“ aufbauen, der eine Fortsetzung ermöglicht - und er soll Neil McCauley eine Backstory verpassen, die ihn zusätzlich romantisiert.

Rache oder Flucht?

„Heat 2“ setzt auf den Appeal des Films und bedient Lesererwartungen geflissentlich. Deshalb wird jede ikonische Szene noch einmal beschrieben, jeder Filmmoment in Erinnerung gerufen, haben Gangster wie Chris eine weiche Seite, während der frauenmordende Psychopath durch und durch verkommen ist. Am Ende wird dann die entscheidende Frage des Films wiederholt: Rache oder Flucht? Aber was im Film den Existenzialismus der Figuren unterstrichen hat, ist im Buch aufgrund der ausgewalzten Hintergrundgeschichte pathetisch.
Dieser altmodische Kriminalroman passt damit hervorragend in den Retro-Trend in der Kriminalliteratur – nur dass er nicht die Sehnsucht nach behaglichem Mordrätsellösen im ländlichen England bedient, sondern den testosterongesättigten Wunsch nach Action und frauenbeschützenden Männern.

Wiederholung von filmischen Erzählmustern

Jedoch zeigt sich gerade bei den Action- und Verfolgungsszenen, dass es nicht ausreicht, die Erzählmuster des Films im Buch zu wiederholen. Auch filmische Stilmittel wie beispielsweise die Charakterisierung von Figuren durch die Räume, in denen sie sich aufhalten und bewegen, lassen sich im Buch nicht einfach durch zu ausführliche Beschreibungen replizieren – das verschleppt einfach nur das Tempo.
Im Zusammenspiel mit der Popularität des Films ist der Erfolg des Buchs garantiert. Eine Verfilmung ist angekündigt, weitere Fortsetzungen sind nicht ausgeschlossen, immerhin hat Michael Mann in den USA sein eigenes Imprint gegründet. Jenseits des Retro-Versprechens aber hat „Heat 2“ nichts zu bieten.
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